Gesucht: eine neue Form von Wohlstand

Nach uns die Zukunft, das neue Buch von Wolfgang Sachs.

Von Nina Hesse

Ein nachhaltiger Umgang mit den natürlichen Ressourcen ist noch immer eher ein schöner Traum als gelebte Praxis. Jetzt, wo Amerika sich aus vielen internationalen Abkommen ausklinkt, sollte Europa mutig die ökologische Führerschaft übernehmen, fordert der Ökologe und Soziologe Sachs. Er macht unmissverständlich klar: Wenn Gerechtigkeit und Ökologie auf der Strecke bleiben, hat die Weltgesellschaft von morgen keine Zukunft.

Was ist eigentlich aus den ehrgeizigen Zielen des Umweltgipfels 1992 in Rio de Janeiro geworden? Hat die Globalisierung sie demontiert? Oder gibt es doch irgendwo noch gute Ideen, wie die Welt gastlich werden kann für zweimal so viele Menschen wie heute, ohne die Biosphäre für nachfolgende Generationen zu ruinieren?
Zehn Jahre Rio-Konferenz und ein neuer Umweltgipfel in Johannesburg - das war im letzten Jahr eine hervorragende Gelegenheit, Bilanz zu ziehen. Eine Flut von Literatur zum Thema Nachhaltigkeit überschwemmte den Buchmarkt. Doch manche Titel ragten aus der Masse heraus: Vor kurzem wurde Nach uns die Zukunft von Wolfgang Sachs von der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen in Salzburg unter die "Top Ten der Zukunftsliteratur 2002" eingeordnet. Sachs ist Soziologe und Ökologe, seit 1993 Wissenschaftler am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie und seit 1994 Aufsichtsratsvorsitzender von Greenpeace Deutschland. Noch dazu kann er exzellent schreiben. Nach uns die Zukunft ist eine elegant geschriebene Analyse über die Zukunftsfähigkeit der globalen Gesellschaft, man kann es sowohl Kennern der Materie als auch zum Einlesen ins Thema empfehlen. Sachs bringt die Themen gekonnt auf den Punkt und spart nicht mit deutlichen Worten. Gerechtigkeit und Ökologie sind die beiden Eckpunkte, um die es ihm geht - für ihn sind die beiden Bereiche eng verknüpft. Seine These: Ohne Beachtung der Ökologie gibt es keine Gerechtigkeit und umgekehrt.

Die Schattenseiten von Entwicklung, Wachstum, Globalisierung.


Kritisch und fundiert stellt Sachs die Leitkonzepte von Rio - Nachhaltigkeit und Entwicklung - auf den Prüfstand. Zum Optimismus besteht für ihn kein Anlass, seinem Eindruck nach ist es nach Rio stetig abwärts gegangen mit der Nachhaltigkeit. Und das trotz all des Agenda-21-Trubels, fragt der interessierte Leser enttäuscht. Sachs gehört nicht zu denen, die blind auf die Globalisierung eindreschen, er macht nur darauf aufmerksam, dass dieser Gegentrend viel zunichte gemacht hat, was durch Rio in Bewegung geraten war. Denn die Gleichung Wachstum = Gerechtigkeit hat sich als allzu naiv herausgestellt. Entwicklung? Ein Mythos, stellt Sachs fest, und oft geradezu schädlich: "Sie verwandelte bescheiden lebende Menschen in verelendete Arme, während sich eine Minderheit besser stellte." Effizienzeffekte gesteht er der Globalisierung gerne zu, nur wurden, wie er hinweist, Effizienzgewinne in der Geschichte der Industriegesellschaft mit schöner Regelmäßigkeit in neue Expansion umgewandelt. Das Wachstum zehrte den Effizienzgewinn auf, von einer nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen kann nicht die Rede sein.
Und doch setzt die Wirtschaft noch immer auf Wachstum und vertraut darauf, dass er alles wieder ins Lot bringt. "Mittlerweile nimmt der Wachstumsoptimismus pathologische Züge an", kritisiert Sachs. Politik, Wissenschaft und Technik dienen immer weniger der Wohlstandsvermehrung, sondern zunehmend der Krisenvermeidung. Und lassen sich dafür hemmungslos feiern. Nettes Beispiel: Gentech-Konzerne präsentieren sich als Retter, versprechen globale Probleme wie Hunger und Mangelernährung zu lösen. "Krise und Katastrophe, Risiko und Knappheit werden zur Quelle von Prestige, Profit und Macht von eben jeden Institutionen - Wissenschaft, Wirtschaft und Staat - die sie zu einem guten Teil hervorgebracht haben und immer noch hervorbringen", ist Sachs' bitteres Fazit.

Fairness zwischen Nord und Süd.


Unter diesen Bedingungen ist der Ausgleich zwischen Nord und Süd, ist Gerechtigkeit für die ärmeren Länder natürlich noch längst nicht in Sicht. Auch wenn Pharmakonzerne im Streit um Patentrechte für uralte Heilmethoden und -pflanzen in den letzten Jahren immer häufiger gezwungen werden, ihren Profit mit den Naturvölkern zu teilen. Beim Kampf um den knappen Umweltraum ziehen besagte Völker immer noch regelmäßig den Kürzeren. Denn überall dort, wo Menschen in Armut leben und um ihr Überleben kämpfen, sind sie gezwungen, ihren Lebensraum gnadenlos auszubeuten und die Ressourcen an reichere Länder zu verkaufen. Das betrifft die lebenden Ressourcen weit mehr als die fossilen. Auch Abkommen, die wirtschaftlich und ökologisch gerechtere Verhältnisse schaffen könnten, sind bisher kaum zustande gekommen. Mit gutem Grund, so Sachs: "Was der Norden vorschlägt, ist eine gespaltene Globalisierung: Er verlangt freien Zugang von Gütern und Kapital zu den südlichen Märkten, beschränkt jedoch den Zugang der südlichen Güter und Menschen zu den nördlichen Märkten. Mit anderen Worten: Der Norden heuchelt."
Wenn es nicht gelingt, zu Vereinbarungen zu kommen, die der Süden als fair empfindet, bleibt die Nachhaltigkeit auf der Strecke. Doch seit sich Amerika aus fast allen globalen Abkommen ausgeklinkt hat, sieht es schlechter aus denn je. Man wird sich, so Sachs, von der Hoffnung auf globale Lösungen verabschieden müssen. Stattdessen könnte Europa sich mit ausgewählten Südländern einigen. Europa könnte eine mutige ökologische Führerschaft übernehmen. Es muss sich nur trauen. Vielleicht liegt gerade in der Abkopplung von Amerika die Chance, stärker zu den eigenen Werten zu stehen und sich dafür einzusetzen?
Für die südlichen Länder ist, so Sachs, die Herausforderung, auf umwelt- und armenfreundliche Wachstumsmuster zu setzen und dabei wenn möglich die industrielle Revolution auszulassen, durch die sich die nördlichen Länder kämpfen mussten. Ein Vorschlag, der ein klein wenig utopisch klingt - und positive Beispiele, dass so etwas machbar ist, bleibt Sachs schuldig. Verständlich. Aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen scheint nicht leicht zu sein, quick & dirty zum Erstwelt-Wohlstand ist zur Zeit noch die bevorzugte Variante.

Ausweg: bessere Lebensmodelle.


Im dritten Teil des Buches zeichnet Wolfgang Sachs die Umrisse eines neuen Wohlstandsmodells, das auf internationale Gerechtigkeit und klugen Umgang mit der Natur setzt. Wer die Prinzipien und Thesen des Wuppertal Instituts kennt, dem wird Sachs' Lösungsweg aus dem Dilemma bekannt vorkommen. Er schlägt alternative Lebensmodelle vor, durch die bei gleicher Lebensqualität weniger Ressourcen verbraucht werden. Langsamkeit und Mäßigung als neue Ideale, einen Abschied von der Geschwindigkeitsutopie. Das sind sympathische Ziele, und gerade zur Zeit werden sie auf offene Ohren stoßen. Denn das Bedürfnis nach Einfachheit ist groß und die Krise macht den Schritt zu einem bescheideneren Leben fast schon zu einer Notwendigkeit. Aber wird das für eine wirkliche Wende reichen, wenn die Wirtschaft gleichzeitig mit der geballten Macht der Werbung immer noch Luxus, Coolness, immer neue und immer überflüssigere Produkte pusht?

Wolfgang Sachs: Nach uns die Zukunft.
Der globale Konflikt um Gerechtigkeit und Ökologie,

2. Auflage, Brandes & Apsel, Frankfurt 2003,
215 Seiten, 19 Euro,
ISBN 3-86099-234-1
www.brandes-apsel-verlag.de

Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.

www.wupperinst.org

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: Nach uns die Zukunft. . Der globale Konflikt um Gerechtigkeit und Ökologie.. Brandes & Apsel, Frankfurt 1900, 215 Seiten, ISBN 3-86099-234-1

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