Probleme von heute - Technologien von morgen

Neuartige Energie- und Recyclingkonzepte, aber auch die Nanotechnologie wecken hohe Erwartungen und machen Hoffnung.

Von Evelyn Hauser

Welche Technologien können heute oder in naher und ferner Zukunft helfen, die weltweit dringendsten Probleme zu lösen? Dieser Frage stellten sich die Teilnehmer der Arlington-Konferenz 2004, die vom Arlington Institute, einer US-amerikanischen Denkfabrik im Bundesstaat Virginia, veranstaltet wurde. Vier Beispiele, wie die Welt mit Hilfe von Technologie ein bisschen besser werden könnte.

Der folgende Beitrag ist nur ein Auszug - der komplette Bericht über die Konferenz mit weiteren Innovationsbeispielen und Interviews dazu steht auf der Homepage von Z_punkt zum Download bereit. ( www.z-punkt.de)

Die Menschheit steht heute vor einer Vielzahl von globalen Herausforderungen: schrumpfende Naturressourcen wie fossile Brennstoffe, sauberes Trinkwasser und landwirtschaftliche Nutzfläche, gesellschaftliche Brennpunkte wie die Gefahr neuer, gefährlicher Krankheitserreger und Massenvernichtungsmittel, ethnische Konflikte, Terrorismus und organisierte Kriminalität sowie die weltweit wachsende Kluft zwischen Armen und Reichen.
Auf der Arlington-Konferenz griff eine Reihe von Technologieexperten eins oder mehrere dieser Probleme auf und präsentierte Vorschläge zu deren Lösung in Form neuartiger Technologien. Ein weiterer Themenschwerpunkt, der sich durch die Konferenz zog, war die Wechselwirkung zwischen technologischem und gesellschaftlichem Wandel. Daraus schälte sich langsam eine Vision heraus, wie unsere Zukunft aussehen könnte, welche Chancen und Gefahren sie bietet. Zwei prominente Zukunftsdenker - der Nanotechnologie-Experte Dr. K. Eric Drexler und Ray Kurzweil, Erfinder und Spezialist für künstliche Intelligenz - diskutierten das Für und Wider fortgeschrittener Technologien, die aus dem Verschmelzen von Nanotechnologie, vernetzter Computertechnik, Biotechnologie, Robotertechnik und künstlicher Intelligenz resultieren werden. Diese Technologien eröffnen heute kaum vorstellbare Möglichkeiten, aber auch bisher nicht gekannte Gefahren.
Drexler glaubt, dass die meisten Produkte in einiger Zukunft in "molekularen Fabriken" produziert werden, indem so genannte "molekulare Assembler" die chemischen Reaktionen zwischen Atomen steuern und schrittweise die gewünschten Güter in einer bisher nur von biologischen Vorgängen bekannten Art und Weise nach einem genau festgelegten Bauplan "wachsen" lassen. Eine solche fortgeschrittene Technologie könnte herkömmliche Produktionsmethoden ersetzen. Probleme wie Materialvergeudung, Produktionsabfälle, Luft- und Wasserverschmutzung und Energieprobleme würden der Vergangenheit angehören.
Kurzweil ist überzeugt, dass die Gehirne der Menschen in nicht allzu ferner Zeit mittels implantierter Computerchips und Internet direkt untereinander verbunden sein werden und dass die ausgetauschten Informationen direkt auf die Netzhaut ihrer Augen projiziert werden. Die Kombination von Maschine und Mensch ist seiner Meinung nach die nächste Stufe der menschlichen Evolution. Gleichzeitig erwartet er, dass fundamentale Fortschritte in der Biotechnologie die menschliche Lebenserwartung um ein Vielfaches erhöhen werden.
Entgegen der weit verbreiteten Anschauung, dass es noch viele Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte dauern kann, bis diese Technologien marktreif sind, glauben Drexler und Kurzweil, dass die technologische Entwicklung sich nicht linear, sondern exponentiell vollzieht. Das würde bedeuten, dass die Menschheit nur noch ein bis zwei Jahrzehnte Zeit hat, um sich auf die "Ankunft" dieser fortgeschrittenen Technologien vorzubereiten. Deshalb plädierten die beiden Redner für einen breiten gesellschaftlichen Diskurs, der in entsprechende Sicherheitsvorkehrungen münden sollte.

Das größte Problem - schwindende Ressourcen.


Einig waren sich die Teilnehmer darin, dass schwindende Naturressourcen und die Gefahr einer dauerhaften Zerstörung bestehender Ökosysteme zu den drängendsten Problemen der Menschheit gehören. Die Fakten sind düster, wie Jerome Glenn, Direktor des Millennium Project, einer internationalen Denkfabrik in Washington D. C., berichtet:

  • Der Verbrauch von fossilen Brennstoffen in den kommenden 50 Jahren könnte sich im Vergleich zu den vergangenen 50 Jahren verdreifachen.
  • Das Jahrzehnt nach 1987 war das wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.
  • Die Menschheit hat seit dem Zweiten Weltkrieg mehr Naturressourcen verbraucht als in ihrer ganzen vorherigen Geschichte.
  • Die Hälfte der Wälder und ein Viertel der Korallenriffe der Welt gibt es nicht mehr und schätzungsweise die Hälfte aller Pflanzen- und Tierarten wird die nächsten 100 Jahre nicht überleben.

Eine weitere globale Aufgabe ist die Trinkwasserversorgung. Im Jahr 2000 hatten 1,2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und 2,4 Milliarden Menschen hatten keinen Zugang zu ausreichenden Abwasser- und Sanitärsystemen. Vier Fünftel aller Krankheiten in der Dritten Welt entstehen im Zusammenhang mit diesen Problemen. Schon heute werden 70 Prozent des Wassers von der Landwirtschaft verbraucht. Ausgehend von einem Bevölkerungszuwachs von etwa zwei Milliarden Menschen bis 2030 braucht die Landwirtschaft geschätzte 60 Prozent mehr Wasser, um diese mit Nahrung zu versorgen.
Ein weiterer Trend ist die zunehmende Aktivität von privaten Unternehmen im Bereich der Wasserversorgung, die aus der erwarteten Wasserknappheit Profit schlagen wollen und deshalb versuchen, Wasserquellen langfristig als Eigentum zu erwerben. Wird das Wasserproblem vernachlässigt, so Glenn, werden Massenwanderungen, Epidemien und Kriege die vorhersehbare Folge sein.
"Wir müssen mit weniger Wasser mehr Nahrungsmittel erzeugen", erklärte Glenn. "Ohne eine grundlegende Verbesserung der Süßwassersituation wird ein Fünftel der Entwicklungsländer innerhalb einer Generation mit Wasserknappheit leben müssen, was zu Massenwanderungen führen wird." Im Jahr 2015 könnten die Entwicklungsländer mehr Kohlenstoffemissionen verursachen als die Industrieländer. Alternative Energiequellen werden nicht schnell genug entwickelt, um den zukünftigen Bedarf zu decken oder gar fossile Brennstoffe zu ersetzen. Ein Atomkraftwerksunfall wie in Tschernobyl könnte jederzeit in Indien stattfinden.
Doch wie lassen sich diese Probleme bewältigen? Biotechnologie könnte, so die Meinung der Konferenzteilnehmer, die wachsende Weltbevölkerung mit Lebensmitteln versorgen und gleichzeitig die Wasserintensität der Landwirtschaft verringern, indem gegen Schädlinge und Trockenheit resistente, ertragreichere Pflanzenarten entwickelt werden und indem Fleisch aus tierischen Stammzellen produziert wird, anstatt Rinder, Schweine und Schafe zu halten. Vor allem China und Indien treiben die Biotechnologie voran, um mit weniger Geld mehr Nahrungsmittel herstellen zu können.
Politiker sollten "saubere Energie im Überfluss" zum globalen Ziel erklären und die entsprechenden Ressourcen für das Erreichen dieses Ziels zur Verfügung stellen. Während neue Verfahren zur Energiegewinnung entwickelt werden, sollten gleichzeitig Methoden zur "Kohlenstoff-Sequestration", das heißt zum Auffangen, Eliminieren, Lagern oder Recyceln von für die Erdatmosphäre schädlichen Kohlenstoffverbindungen entwickelt werden. Staatliche Zuschüsse, die den Status quo erhalten, wie zum Beispiel Subventionen für die Kohleförderung, sollten abgeschafft werden. Energiepreise müssten die Umweltfolgen der Energieproduktion einschließen.
Japanische Wissenschaftler erforschen Technologien, die Solarenergie im All oder auf dem Mond mittels Solarzellen auffangen, als Mikrowellen zur Erde "beamen" und in elektrische Versorgungsnetze einspeisen.

GapMinder - Zahlen sprechen in Bildern.


Von den vielen Beispielen für innovative technologische Lösungen, die auf der Arlington-Konferenz vorgestellt wurden, stellen wir in diesem Beitrag vier vor - die anderen stehen in der Langfassung des Z_papers zur Verfügung.
GapMinder, ein gemeinnütziges Projekt in Schweden, hat es sich zum Ziel gesetzt, die weltweit kostenlos verfügbaren Daten zu allen Bereichen der menschlichen Entwicklung für eine größere Zahl von Nutzern besser verständlich zu machen. Dazu hat das 1998 gegründete Projekt in Zusammenarbeit mit verschiedenen Organisationen der UNO, Universitäten, Behörden und gemeinnützigen Organisationen eine Reihe von Software-Tools entwickelt.
Anna Rosling, eine der sechs Softwarespezialisten des schwedischen Projekts zeigte, dass das Verständnis komplexer Zusammenhänge in hohem Maße davon abhängt, in welcher Art und Weise sie präsentiert werden. Aus einer typischen Tabelle mit statistischen Daten, wie sie aus jedem statistischen Jahrbuch bekannt sind, kann man nur mühevoll bestimmte Entwicklungen erkennen. Die heute typischen Diagramme aller Art helfen bei einfachen Sachverhalten, versagen aber oft bei komplexeren Betrachtungen.
Nach Roslings Meinung können solche Präsentationstechniken nur ein begrenztes Bild der Wirklichkeit wiedergeben. Als Lösung für dieses Problem demonstrierte sie am Beispiel von UNO-Statistiken GapMinders Vision von "bewegten Statistiken", mit deren Hilfe sich komplexe Sachverhalte in einen bewegten Film verwandeln. So erlaubt das "Trendalyzer"-Tool die Analyse von Trends in bewegten Datendiagrammen. Andere Sachverhalte werden mit Hilfe von Landkarten oder "Foto-Landschaften" dargestellt, wie zum Beispiel beim Projekt "Dollar Street".
"Dollar Street" ist eine Prototyp-Software, die die Welt als eine Straße mit unterschiedlichen Häusern darstellt und die gesamte Weltbevölkerung einschließt. Die Hausnummer ist das Familieneinkommen. Interessierte können jedes dieser Häuser - von der Villa bis zur Hütte - "betreten". Berührt man mit dem Kursor eins dieser Häuser, eröffnet sich ein Blick in dessen Inneres. An Stelle einer Zahlenreihe oder einer Reihe von Diagrammen, die zeigt, wie viel Prozent der Haushalte einen Fernseher, eine Mikrowelle oder ein Mobiltelefon besitzen, geht man durch die Räume des Hauses und kann sich ein Bild davon machen, wie dessen Bewohner leben. Wie sieht es in einem Haus aus, dessen Bewohner von einem Dollar pro Tag leben müssen? Gibt es Elektrizität und fließendes Wasser? Wie lebt eine Familie, die 100 Dollar pro Tag verdient? All dies kann in einem 360-Grad-Panoramabild hautnah erlebt werden, indem man durch die einzelnen Räume geht.
Seit 2003 arbeitet GapMinder mit dem statistischen Amt der UNO zusammen und bietet auf seiner Website ( www.gapminder.org) kostenlose Downloads an.
"Eine Reihe von Organisationen und Regierungen wird sie benutzen. Sie wird sich zu einem Standardformat für die bildliche Veranschaulichung von Daten entwickeln", erklärt Rosling. "Die Daten verschiedener Nutzer werden vergleichbar sein. Das Interesse für die Daten wird sich verbessern, da die Öffentlichkeit, wie auch Gesetzgeber und Politiker, sie besser verstehen können. Wir wollen, dass diese Daten in der gleichen Art genutzt werden wie beim Wetterbericht: Ein riesiger Berg von komplexen Daten wird mit Hilfe weniger Bilder erklärt, die jedermann verstehen kann."

Brennstoffzellen aus Kohlenstoff.


Auch für die Lösung der Energieprobleme gibt es vielversprechende Ansätze. Scientific Applications & Research Associates, Inc. (SARA), eine Technologiefirma in Kalifornien, hat eine patentierte Brennstoffzelle entwickelt, die auf Kohle basiert. Die Kohleressourcen der USA sind doppelt so groß wie die erschlossenen Vorkommen des Landes an Erdöl und Erdgas zusammen und reichen nach Schätzungen des US-Energieministeriums bei gleich bleibendem Verbrauchsvolumen für weitere 275 Jahre.
Derzeit werden etwa 52 Prozent der insgesamt in den USA generierten Elektrizität in solchen Kohlekraftwerken produziert. Eine große Zahl dieser Kraftwerke wird in den kommenden 30 Jahren aufgrund ihres Alters ersetzt werden müssen. Auf Kohleverbrennung beruhende Kraftwerke benötigen riesige Mengen von Wasser. Zuerst wird die Verbrennungshitze in Wasserdampf umgewandelt, der riesige Turbinen antreibt, die wiederum elektrische Energie erzeugen. Danach muss das Wasser durch einen Kühlwasserkreislauf wieder abgekühlt werden.
Im Gegensatz dazu benötigen SARAs Kohlenstoff-Brennstoffzellen kein Wasser. Sie basieren auf einem elektrochemischen Prozess, der die direkte Umwandlung von in Kohle enthaltener Energie in elektrische Energie ermöglicht. Im Vergleich zu konventionellen Kohlekraftwerken ist die neue Technologie fast doppelt so effizient und produziert weniger unerwünschte Nebenprodukte. So fallen keine Schwefeldioxid-, Stickstoffoxid- und Bleiemissionen an. Das in SARAs Prozess entstehende Kohlendioxid - etwa halb so viel wie in konventionellen Kohlekraftwerken - kann durch neue Technologien, an denen zurzeit noch gearbeitet wird, isoliert werden, was ein Entweichen in die Atmosphäre verhindert.
Bereits im Jahr 1973 - als Resultat des Ölpreisschocks - begann die US-Umweltbehörde, die Erforschung und Entwicklung von Kohlenstoff-Brennstoffzellen als alternative Technologie zur Elektroenergieerzeugung finanziell zu unterstützen. Ein Forschungsteam am Stanford Research Institute unter der Leitung von Dr. Robert Weaver bewies im kleinen Maßstab unter Laborbedingungen die Funktionsfähigkeit des Konzeptes. Als die finanzielle Unterstützung in den frühen 80er Jahren ausblieb, kam die Forschungsarbeit zum Erliegen.
Unter der Leitung von Forschungsdirektor Dr. Ned Patton griff SARA das Thema Kohlenstoff-Brennstoffzellen im Jahr 1995 wieder auf. SARAs patentiertes Verfahren basiert auf einer Oxidationsreaktion von Kohlenstoff mit Sauerstoff. Dr. Patton berichtete, dass SARA bereits vier Generationen von Kohlenstoff-Brennstoffzellen in unterschiedlichen Designs entwickelt hat. Allerdings muss das Verfahren noch den Bedingungen des Forschungslabors entwachsen. Vorausgesetzt, dass ausreichend Ressourcen in die Entwicklung der Technologie bis zu ihrer Reife investiert werden, glaubt Dr. Patton, dass wir von der ersten industriellen Anwendung nur etwa fünf Jahre entfernt sind, und dass es Kraftwerke mit einer Leistung von mehreren hundert Megawatt in 20 bis 25 Jahren geben könnte.
Dr. Patton sieht deutliche Vorteile seiner Methode gegenüber Solarstrom und Windkraft. "Was die erneuerbaren Energien anbelangt, gibt es zwei Probleme", meint er. "Erstens: Die Investitionskosten der meisten Formen erneuerbarer Energien sind viel zu hoch. Ein Beispiel dafür, welches die meisten Menschen nicht verstehen, ist, dass es mehr Energie kostet, um eine photovoltaische Solarzelle herzustellen, als diese Zelle dann während ihres gesamten Lebenszyklus produzieren wird. Ich würde das nicht als nachhaltig bezeichnen."
Auch was Wasserstoff-Brennstoffzellen angeht, ist er skeptisch: "Wenn Sie sich die generelle Energiebilanz der 'Wasserstoff-Ökonomie' ansehen, werden Sie feststellen, dass Wasserstoff zur Erzeugung der zur Grundversorgung notwendigen Energie keinen Sinn macht."
Eine Kohlenstoff-Brennstoffzelle dagegen schon. Eine Reihe von Entwicklungsländern, zum Beispiel China und Russland, haben riesige Kohlereserven. Die Nutzung von Kohlenstoff-Brennstoffzellen mit Kohlendioxid-Auffangmechanismen und Sequestration würde es diesen Ländern erlauben, für ihre Bevölkerung und Industrie Elektrizität ohne die ungünstigen Nebeneffekte der Kohleverbrennung zu produzieren. Zwei Fliegen werden mit einer Klappe geschlagen.

Recyclingbeton - elastische Gebäude und Bürgersteige.


Auch dafür, Rohstoffe effizienter als bisher zu nutzen, gab es auf der Arlington-Konferenz viele Lösungsansätze. Die Firma Sustainable Resources International (SRI) entwickelt Technologien zur Herstellung von Recyclingprodukten - hauptsächlich für die Bauindustrie - wie zum Beispiel Transportpaletten und Baumaterialien. SRIs Vizepräsident Richard Dash stellte verschiedene Modelle von stationären und mobilen Recyclinganlagen vor, die Bauschutt und andere Abfälle in Beton verwandeln.
Die Betonmischung besteht zu mehr als 70 Prozent aus Altmaterial. SRIs mobile Recyclinganlagen verarbeiten Bauschutt, der beim Abriss alter Häuser, Flughäfen oder Industrieanlagen anfällt, an Ort und Stelle zu Ready-Mix-Beton. Dieser wird sofort in einen Ready-Mix-Betonmischer gepumpt und kann auf der nächstgelegenen Baustelle verwendet werden. Die Technologie kam zum Beispiel in New York City zum Einsatz, als nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 enorme Mengen von Bauschutt anfielen.
Ein interessanter "Nebeneffekt", der aus der Verarbeitung von Altreifen resultiert, ist, dass der entstehende Beton elastische Eigenschaften aufweist, die zum Beispiel die Erdbebensicherheit von Gebäuden erhöht. Fußböden, die aus diesen Materialien hergestellt werden, sind "weicher" und absorbieren Erschütterungen besser. SRI arbeitet zum Beispiel mit einem Hersteller von Fertigbauteilen zusammen, für den die Firma Fußbodenmaterial für Küchen und Badezimmer liefert. Ein anderer Einsatzbereich sind Bürgersteige und Fußgängerzonen.
SRI hat ein ökonomisches Modell für globales Abfallmanagement entwickelt, wonach 97 Prozent aller Abfallstoffe recycelt werden. Dadurch würden nicht nur Wälder vor dem Abholzen geschützt und andere natürliche Rohstoffe eingespart, sondern auch die Baukosten wesentlich verringert. SRIs stationäre Recyclinganlagen, die nach dem "Null-Emissionen"-Prinzip arbeiten und weniger als sieben Millionen US-Dollar kosten, können bis zu 57.000 Tonnen Abfall pro Jahr verarbeiten. Auch der Inhalt alter Mülldeponien könnte recycelt werden.
"Deponien, die alte Reifen und Bauschutt enthalten, können schon jetzt genutzt werden", erklärt Dash. "So, wie wir weitere Prozesse für die Verarbeitung anderer Abfallstoffe entwickeln, werden wir die existierenden Ablagerungen nutzen können und einen Teil der verursachten Umweltschäden wieder gutmachen."

Ganzheitlich ausgebildete Ingenieure.


Doch nicht immer ist es nötig, auf neue Technologien zu setzen. Bernard Amadei, Professor für Bauwesen an der University of Colorado in Boulder, stellte das Konzept des "Earth Systems Engineering (ESE)" vor, welches in den vergangenen fünf Jahren im Zusammenhang mit dem Konzept der industriellen Ökologie von Allenby entwickelt wurde. Der Spezialist für Gesteinsmechanik und angewandte Geologie ist überzeugt, dass es zur Lösung brennender Probleme der Menschheit nicht komplizierter und teurer Technologien bedarf.
Vielmehr gehe es darum, bereits vorhandene, kostengünstige Technologien zu nutzen. Angemessene Technologien seien einfach, aber erzielten eine große Wirkung ("low-tech, high impact"). Sie seien in ihrer Größe und Komplexität den Bedürfnissen der Nutzer angepasst, energieeffizient, umweltfreundlich und einfach genug, um von den Nutzern selbst unterhalten beziehungsweise instand gehalten werden zu können.
Im 21. Jahrhundert müsse es einen weltweiten Übergang zu einer ganzheitlichen Ausbildung von Ingenieuren geben, die sich auf das Verständnis komplexer Systeme, auf die Kooperation mit der Natur und auf Prinzipien der Nachhaltigkeit konzentriert und gleichzeitig ökonomische, soziale, kulturelle, ethische und Umweltfragen im Zusammenhang mit Entwicklungsprojekten einschließt. Praktische Erfahrungen hätten gezeigt, dass diese Fragen bei der Umsetzung technischer Projekte oft eine ausschlaggebende Rolle spielten.
Ingenieuren komme die Aufgabe zu, das Leben von fünf Milliarden Menschen zu verbessern, die täglich um ihr nacktes Überleben kämpfen. Dies sei nicht länger eine Möglichkeit, sondern eine Notwendigkeit. Ohne dieses neue Selbstverständnis würde die heranwachsende Generation junger Ingenieure nicht in der Lage sein, die globalen Probleme der Welt zu lösen.
Um bei Studenten der Ingenieurwissenschaften ein solches Selbstverständnis zu wecken, gründete Amadei im Jahr 2001 die gemeinnützige Organisation "Engineers Without Borders - USA" (Ingenieure ohne Grenzen - USA). Inzwischen nehmen bereits über 900 Studenten der Ingenieurwissenschaften, Hochschullehrer sowie erfahrene Ingenieure aus den USA an dieser Initiative teil. Sie arbeiten an etwa 50 Projekten in 22 Entwicklungsländern.
Amadei stellte eine ganze Reihe von Beispielen vor, wie mit einfachen und billigen Technologien die Wasser- und Energieversorgung, Abwasserreinigung und Kommunikationsinfrastruktur ländlicher Gebiete in Entwicklungsländern gewährleistet werden kann. Dazu gehörten neue Prototypen von solarbetriebenen Turbinen und Wasserpumpen und Wasserfiltersystemen, die Nutzung von Solarenergie für den Betrieb von Haushaltsgeräten, die Produktion von Biodiesel, leichtgewichtige Dachziegel aus neuartigen Materialien ("thin-shell acrylic concrete roofing") und andere. Diese "low-tech"-Herangehensweise sei nicht allein für Entwicklungsprojekte interessant, sondern biete Unternehmen bisher ungenutzte Marktchancen.
Amadeis Ausbildungsprogramm "Engineering for Developing Communities (EDC)" vereint eine ganzheitliche theoretische Ausbildung mit Forschungs- und Entwicklungsprojekten, die am Ende des Ausbildungsprogramms in die Praxis umgesetzt werden. Der Ingenieur der Zukunft, so Amadei, nutze interdisziplinäre wissenschaftliche Analyse und ganzheitliche Synthese zur Entwicklung nachhaltiger Lösungen, die soziale, kulturelle, ökonomische und Umweltsysteme integriert.

Fazit: Einfachheit und Freundlichkeit.


Neue Technologien, an denen bereits heute intensiv gearbeitet wird, werden unser Leben schon in wenigen Jahren gravierend beeinflussen und verändern. Die technologische Entwicklung - geprägt von der Verschmelzung von Nano-, Bio-, Informations- und Robotertechnologie mit künstlicher Intelligenz - wird in den kommenden Jahren enorme Fortschritte machen.
Viele dieser Forschungsbemühungen laufen jedoch in privaten Labors hinter verschlossenen Türen ab, finanziert durch private Investoren, die sich von diesen Investitionen enorme Profite versprechen. Während das Potenzial dieser entstehenden Technologien vielversprechend ist, könnten die damit einhergehenden Risiken unvorhersehbare Schäden anrichten.
Die Befürworter eines ungezügelten Technologiewettlaufs begegnen der Warnung vor diesen Risiken mit dem Argument, dass eine strengere Regulierung der technologischen Forschung sie lediglich in den "illegalen Untergrund" treiben würde, wo sie noch schwerer zu kontrollieren sei, oder dass Konkurrenten in anderen Ländern ungenutzte Chancen ergreifen und sich Wettbewerbsvorteile verschaffen werden.
Technologien allein können die globalen Probleme, vor denen die Menschheit heute steht, nicht lösen. Der scheinbar zügellose und immer weniger beherrschbare technologische Fortschritt könne und müsse daher gesellschaftlich beeinflusst werden. Dazu sei eine breite gesellschaftliche Diskussion gesellschaftlicher Werte erforderlich, die das Fundament für die Bewertung innovativer Technologien bilden. Ein solcher Diskurs müsse ein Bewusstsein für die enormen Chancen ebenso wie für die möglicherweise unkalkulier- und -kontrollierbaren Risiken revolutionärer Technologien in weiten Teilen der Öffentlichkeit schaffen.
Eine der heute größten Herausforderungen bestehe darin, neue technologische Durchbrüche zur Verbesserung der Lage der gesamten Menschheit einzusetzen. Dies sei nur durch das Ersetzen des vorherrschenden Denkmodells "Wir gegen die anderen" durch die Zusammenarbeit verschiedener Interessengruppen erreichbar. Eine Schlüsselrolle komme in diesem Prozess der Stärkung der gesellschaftlichen Rolle der Frauen zu.
Am Ende der zweitägigen Diskussion über biologische, künstliche und mitfühlende Intelligenz, über elegante futuristische und einfache angemessene Technologien fasste ein Teilnehmer die Veranstaltung so zusammen: "Die höchstentwickelte Technologie ist elegant in ihrer Einfachheit. Es ist Freundlichkeit, die unser Überleben sichern wird. Nur Unfreundlichkeit tötet."

Evelyn Hauser beschäftigt sich seit 1997 als freie Autorin mit Zukunftsforschung in den USA und recherchiert Informationen über zukunftsrelevante gesellschaftliche, wirtschaftliche, und technologische Entwicklungen in den Vereinigten Staaten für deutsche und US-amerikanische Kunden.

Die Z_paper werden von der Z_punkt GmbH - The Foresight Company in Essen herausgegeben. Für den Inhalt ist Evelyn Hauser verantwortlich. Die Z_paper greifen Themen auf, von denen Impulse für die Zukunft zu erwarten sind. Sie liefern keine abgeschlossenen Resultate oder fertige Ergebnisse, sondern geben unseren Stand ("work in progress") der Beschäftigung mit dem jeweiligen Thema wieder. Durch den offenen Charakter der Arbeitspapiere möchten wir notwendige Zukunftsdiskurse anregen, fördern und weiterführen. Anregungen oder Vorschläge für zukünftige Themen (bitte an: daheim@z-punkt.de) sind willkommen. Um die Z_paper regelmäßig zu erhalten, abonnieren Sie bitte unseren Newsletter per E-Mail an subscribe@z-punkt.de.

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