Nie wieder Schaf
Everybody's Darling, everybody's Depp - das neue Buch von Irene Becker.
Von Nina Hesse
Wer es allen recht machen will, der hat ein Problem. Besonders Frauen haben nur allzu oft das Ideal des allzeit lieben, hilfsbereiten Wesens verinnerlicht und trauen sich nicht, Konflikte auszutragen und sich gegen Manipulation zur Wehr zu setzen. Doch es gibt Wege aus der Harmoniefalle.
Streit versuchen sie um jeden Preis zu vermeiden. Sie geben nach, statt sich durchzusetzen, und von ihrer Willenskraft und inneren Stärke machen sie keinen Gebrauch. Wo andere entweder kämpfen oder flüchten, haben sie dauerhaft ihr Fluchtprogramm aktiviert. Das Problem ist: Sanfte Schafe werden nicht respektiert, sondern mit Vorliebe ausgenutzt. Sie wehren sich ja nicht, wenn man ihnen zusätzliche Arbeit aufbürdet.
"Bei Frauen ist das Selbstvertrauen oft mit dem Grad der Beliebtheit verknüpft", erklärt sich Irene Becker, warum so viele Frauen Auseinandersetzungen scheuen. Vielleicht, so vermutet sie, ist es auch die Angst davor, "Zicke" genannt zu werden. Doch keine Sorge: Es gibt Wege aus der Harmoniefalle, dazu sind Ratgeber schließlich da. Bei den meisten Frauen liegen die Wurzeln in der Erziehung, die Skrupel stammen aus der Kindheit. Und was man einmal gelernt hat, kann auch wieder ent-lernen. Anschaulich und gut lesbar erklärt Irene Becker, wie man mit etwas Praxis zu einer goldenen Mitte findet zwischen dem Friede-Freude-Eierkuchen und Bloß-nichts-gefallen-Lassen. In einem fiktiven Fallbeispiel mit der allzu netten Monika und der tafferen Maja, das im Buch immer wieder aufgegriffen wird, demonstriert Becker, wozu allzu viel Harmonie führt und wo man ansetzen kann, um die Situation zu ändern. Aber auch gute Beispiele zeigt sie - der Mensch lernt schließlich an Vorbildern.

Verhaltensmuster erkennen.


Kern ihres Programms ist: Erstens wissen, was man will (also eine Vision entwickeln), zweitens wissen, was man fühlt, drittens wissen, was man kann, viertens wissen, wie es geht. Viel schreibt Becker über Gefühle - was sind die Ursachen und Funktionen von negativen Gefühlen, sind wir ihnen hilflos ausgeliefert? Durch ein "Glückstagebuch" lernt man, seine Reaktionen auf bestimmte Situationen zu beobachten und zu analysieren. So hat man die Chance, Verhaltensmuster zu "knacken" und das Gefühlskarussell zu stoppen. Beckers Übungen, wie man einen neuen Film in seinem Kopf ablaufen lässt, sind ganz klar von NLP beeinflusst - und sie dürften so wie gewünscht funktionieren.
Anschließend trainiert Becker ihre Leserinnen, wie sie selbstbewusster rüberkommen: Dazu gehört eine andere Körpersprache, sogar Sprechübungen, um selbstbewusster zu klingen und das Neinsagen zu lernen. Bloß nicht zu viele "Weichmacher" und Höflichkeitsfloskeln im Gespräch benutzen! "Gerade bei unwirschen Menschen ist es notwendig, von Anfang an deutlich zu sagen, was man will." Dann kommen die ersten richtigen Übungen, die Anwendungen des Gelernten im Ernstfall. Im Restaurant reklamieren, etwas Ungewöhnliches tun oder sich begriffsstutzig stellen, all das dient zum Abhärten.

Gegen Manipulation wappnen.


Da bei allzu sanften und netten Menschen immer die Gefahr besteht, dass sie ausgenutzt werden, ist ein wichtiger Teil des Buches, Ansprüche und Erwartungen, die an einen gestellt werden, kritisch unter die Lupe zu nehmen und gegebenenfalls zurückzuweisen. Becker gibt Tipps, wie man emotionale Erpressung und Manipulationsversuche abwehrt. "Leider gibt es viele Menschen, die versuchen, ihre Ziele durch Manipulation zu erreichen. Und etliche von ihnen sind echte Virtuosen, die einen mit rhetorischem und psychologischem Feuerwerk blenden - und schneller über den Tisch ziehen, als man Nein sagen kann." Wichtig ist dabei, den Auslöser herauszufinden, der einen regelmäßig umkippen lässt, und sich einen Gegenzauber dazu auszudenken. "Schützen Sie sich vor einem spontanen Ja durch Bedenkzeit", empfiehlt die Autorin. Das Gute ist - je öfter man sich traut, Nein zu unverschämten Forderungen zu sagen und sich stark zu zeigen, desto leichter fällt es. Denn man stellt fest, dass es gar nicht so schlimme Folgen hat, wie man es sich vielleicht unterbewusst vorgestellt hat.
Sehr nützlich sind auch die Tipps, wie man mit verschiedenen Typen von Gegenspielern klarkommt - mit Menschen, die auf verbale Einschüchterung setzen, mit der Mitleidsmasche kommen oder einen durch ihre arrogante Art unterbuttern wollen. "Todsünde: nachgeben", warnt Becker. "So konditionieren Sie Ihr Gegenüber nur darauf, die Strategie bei Ihnen wieder auszuprobieren, da sie so einfach und erfolgreich war. Das Einzige, was hilft, ist, Ihre eigene Stärke zu zeigen, um ihm Respekt abzunötigen."

Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.

Irene Becker:
Everybody's Darling, everybody's Depp.
Tappen Sie nicht in die Harmoniefalle,

Campus Verlag, Frankfurt/New York 2005,
216 Seiten, 14.90 Euro,
ISBN 3-593-37772-1
www.campus.de

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: Everybody's Darling, everybody's Depp. Tappen Sie nicht in die Harmoniefalle. Campus Verlag, Frankfurt am Main / New York 2005, 216 Seiten, ISBN 3-593-37772-1

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