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Die neue Redlichkeit. Werte für unsere Zukunft - das neue Buch von Rupert Lay und Ulf D. Posé.
Von Peter Felixberger
In der deutschen Wirtschaft ist Rupert Lay die oberste ethische Instanz. Viele Jahre waren seine Bücher Bestseller. Jetzt, im hohen Alter, hat der Jesuit zusammen mit seinem Alter ego Ulf D. Posé noch einmal ein tiefgründiges, analytisches Buch vorgelegt. Die Autoren reißen den unredlichen Zeitgenossen dabei die Maske vom Gesicht und benennen gleichzeitig die Grundregeln und Tugenden, die in Wirtschaft und Politik Einzug halten müssen, wenn wir nicht weiter im Sumpf der Unredlichkeit versinken wollen.
Eine der Grunderkenntnisse dieses Buches lautet: Der redliche Mensch unterscheidet sich vom Unredlichen dadurch, dass er sagen kann, worüber er spricht. Damit sind wir beim Thema: Viele Menschen sind unredlich. Sie können nicht sagen, worüber sie sprechen. Zu finden sind sie in Wirtschaft und Politik. Ein Beispiel: Politiker A wirft Politiker B vor, der Anstieg der Arbeitslosigkeit fördere den Rechtsradikalismus. Mit der Realität hat diese Aussage nichts zu tun. Egal, der Unredliche konstruiert eine Schein-Wirklichkeit, die von der Wirklichkeit ablenken soll. Warum macht das Politiker A? Nun, mit der Inszenierung eines neuen Konstrukts lenkt er geschickt von der möglichen eigenen Ignoranz oder Unfähigkeit ab, das Problem zu lösen. "Der Fehler, Konstrukte für Realität zu halten, ist sicher eine der Hauptursachen für die neue Unredlichkeit", schreiben die Autoren.
Redliche Menschen versuchen hingegen immer, von der Sache selbst zu sprechen. Sie halten sich an die drei Grundregeln der Redlichkeit aus der Antike.
Regel 1: Verwechsle nie Wahrheit mit Gewissheit. Sagt Sokrates. Gewissheit ist nie objektiv. Wahrheit ist objektiv. Deshalb ist es so wichtig, nicht in die Wahrheitsfalle zu tappen. Was wir aber fortgesetzt tun. Wenn eine Sache offenbar so gewiss ist, dass man nicht mehr daran zweifeln kann, halten die meisten Leute sie für wahr, obwohl sie genau wissen, dass sie bei genauerem Hinsehen nicht wahr sein kann. Der Fehler ist, sie halten Zweifelsfreiheit für Irrtumsfreiheit.
Die Autoren glauben deswegen: "Man sollte nie auf die Idee kommen, seine Gewissheiten für wahr zu halten. Wer nicht zwischen Wahrheit und Gewissheit zu unterscheiden vermag, ist nach Sokrates entweder dumm, intolerant oder wahnsinnig. Und genau das weiß der redliche Mensch. Seine Erkenntnisse sind nicht wahr, sie sind gewiss. Er mag zwar an seinen Ansichten nicht zweifeln, ist sich jedoch immer bewusst, dass er sich trotz aller Zweifelsfreiheit auch irren kann."
Regel 2: Der redliche Mensch kann sagen, worüber er spricht. Sagt Aristoteles. Das bedeutet, der redliche Mensch redet nicht nur von den Gefühlen, die er hat, wenn er an eine Sache denkt, sondern er redet von der Sache selbst. Er kann das Wesen der Sache angeben. Der redliche Mensch kann sagen, was Gerechtigkeit ist, er hat nicht nur eine Empfindung von Gerechtigkeit, er kann sagen, was unternehmerische Freiheit ist, er hat nicht nur eine Meinung dazu, er kann sagen, was Freiheit ist, er fühlt sie nicht nur.
Regel 3: Niemand lügt ohne Grund. Sagt wiederum Aristoteles. Nicht wenige Menschen neigen dazu, einen Sachverhalt im Sinne des eigenen Sachverhalts zu interpretieren. Doch merke: Nur dann, wenn ich dieselbe Information über zwei Quellen mit unterschiedlichen Interessenslagen bekommen habe, darf ich redlich annehmen, dass der Sachverhalt auch so ist, wie er berichtet wurde. Stehen in der FAZ und in der taz die gleichen Informationen über die Bundeskanzlerin, dann kann ich sie glauben, sonst nicht. Denn jede Erkenntnis ist interessengeleitet oder tendenziös. "Man sollte genau so wenig dem Kommentar eines Autoverkäufers glauben, der einem bei der Farbwahl des nächsten Wagens für seinen guten Geschmack beglückwünscht. Das entspricht nur seinem Interesse."

Hinreißend analytisch.


Dieses Buch hat einen großen Vorteil: Es ist hinreißend analytisch. Es seziert messerscharf die Logik von unredlichen Handlungs- und Kommunikationsmustern und entlarvt die Unredlichkeit des Denkens und Tuns (auch die der Gutmenschen). Vom Verlauf ist es vergleichbar mit Bauklötzchen spielen. Erst wird alles eingerissen und begutachtet. Dann wird es wieder aufgebaut. Am Ende steht ein neues Gedankengebäude. Ein gutes Beispiel für diese Dekonstruktion und Erneuerung sind die individuellen Tugenden als Basis für eine neue Redlichkeit. Auf acht Eckpfeilern fußt das neue Gebäude.
Aufrichtigkeit: Ich sage, was ich meine. Verlässlichkeit: Ich erhöhe das Vertrauen. Tapferkeit: Nie ein sinnvolles Ziel aus den Augen verlieren. Zivilcourage: Eigene Werte auch gegen eine vorherrschende Meinung vertreten. Epikie (Billigung, Nachsicht): Nicht buchstabengetreu, sondern nach dem Sinn einer Verordnung handeln. Kritische Gerechtigkeit: Selbstverständlichkeiten in Frage stellen. Besonnenheit: Nicht impulsiv sein. Realitätsnah urteilen: Den Blick für das Wesentliche schärfen.
Wer das liest, weiß, was in Sachen Unternehmenskultur und Mitarbeiterführung in deutschen Landen noch alles zu leisten ist. Deshalb erwirdert Posé völlig zu Recht: "Unternehmen sollten sich deshalb fragen, unter welchen Bedingungen Redlichkeit installiert werden kann. Die Voraussetzungen könnten dreierlei sein: Im Unternehmen entstehen erstens Freiheitsräume, in denen systemische Zwänge nicht wirksam werden. Gegenseitige Schnüffelei und Agententum sind zweitens verpönt. Die Führungskräfteauswahl geschieht drittens nach Fähigkeiten, welche die Bedingungen eins und zwei sicher stellen (nicht behindern)."
Es bleibt viel zu tun, lesen wir zunächst einfach dieses Buch!

Peter Felixberger ist Geschäftsführer von changeX.

Rupert Lay, Ulf D. Posé:
Die neue Redlichkeit. Werte für unsere Zukunft.
Campus Verlag,
Frankfurt/New York 2006,
254 Seiten, 24.90 Euro,
ISBN 3-593-37924-4
www.campus.de

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: Die neue Redlichkeit. . Werte für unsere Zukunft. . Campus Verlag, Frankfurt 1900, 254 Seiten, ISBN 3-593-37924-4

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Autor

Peter Felixberger

Peter Felixberger ist Publizist, Buchautor und Medienentwickler.

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