Ändere dich selber
Warum nur fällt es so schwer, andere zu lassen, wie sie sind? Und sie genau so anzunehmen? Andere ändern zu wollen, ist eine verbreitete Unart. Auch wenn wir es meistens gut meinen mit unseren Ratschlägen für ein "besseres" Verhalten anderer - es steht uns einfach nicht zu, an anderen Menschen herumzudoktern, sagt eine Coachin. Ihre Einsicht: Die einzige Person, die man ändern kann, ist man selber.
Nele Kreyßig ist Geschäftsführerin des HRperformance Instituts in Freiburg. In ihrem neuen Buch geißelt sie den verbreiteten Wunsch, andere ändern zu wollen: das sei "Bullshit".
Frau Kreyßig, sagen Sie - warum soll es Bullshit sein, andere ändern zu wollen?
Die Antwort ist recht einfach: Weil es nicht funktioniert! Und ehrlich gesagt wird es dem Menschen, den ich ändern möchte, nicht gerecht. Auch wenn wir es meistens gut meinen mit unseren Ratschlägen für ein "besseres" Verhalten anderer - es steht uns einfach nicht zu, an anderen Menschen herumzudoktern! Denn das, was in unseren Augen als korrekt, richtig und logisch erscheint, kann für andere totaler Mist und absolut nicht passend für sie sein. Genauso wenig möchten wir selbst von irgendjemandem direkt oder indirekt dazu aufgefordert werden, uns zu verändern. Vor allem, wenn wir selbst den Wunsch nach Veränderung nicht verspüren. Wenn ein Mensch sich verändern oder weiterentwickeln möchte, dann gelingt das nur, wenn er selbst das aus sich heraus möchte!
Das ändert aber nichts daran, dass andere nerven können.
Wichtig ist hier zu verstehen, dass ich selber entscheide, genervt zu sein. Da sind wir schnell beim Thema Eigenverantwortung. Jemand nervt mich? Nein, ich lasse mich nerven! Insofern lohnt es, sich selbst die Frage zu stellen, inwiefern ich mich tatsächlich ärgern muss. Auf der anderen Seite ist es natürlich sehr menschlich, dass wir uns über andere ärgern.
Und dann?
Dafür habe ich fünf Tipps zusammengestellt, meine "Erste Hilfe bei Ärger-Alarm" - ein kleines Set von Fragen und Interventionen: Am Anfang steht die Frage, ob ich mich wirklich von dieser Person nerven lassen will - meist ist das schon sehr wirkungsvoll: Ich entscheide, wer mich nerven darf! Zweitens lässt sich fragen: Wie seltsam bin ich eigentlich manchmal selbst? Oder umgekehrt als dritte Frage: Was ist denn gut an der Person, die mich gerade nervt? Sollte man dann feststellen, dass man wirklich verärgert ist, dann gilt viertens: Offenes Feedback ist besser als stiller Ärger. Und wenn das nichts hilft - fünftens: Schnell und gründlich ärgern. Und dann abhaken!
Woher kommt überhaupt dieser verbreitete Wunsch, andere ändern zu wollen?
Dieser Wunsch entsteht, wie gesagt, meistens aus den besten Beweggründen heraus: Weil ich wirklich glaube, zu wissen, was gut und richtig für die andere Person ist. Doch damit liege ich oftmals falsch, da sich unsere Welten und Bewertungsmaßstäbe stark voneinander unterscheiden können, auch wenn wir uns super verstehen.
Und warum fällt es so schwer, andere zu lassen, wie sie sind?
Das ist eine spannende Frage. Wahrscheinlich ist der Grund ein sehr menschlicher. Auch wenn wir kognitiv verstanden haben, dass Diversität toll ist und wir stark davon profitieren können, fühlen sich Unterschiede im ersten Moment seltsam und ungewohnt an. Das Gehirn muss Kraft aufwenden, um jemanden, der anders ist, einordnen zu können. Da ist es leider vermeintlich leichter, andere zu ändern, statt sie so zu akzeptieren, wie sie sind. Was de facto natürlich Quatsch ist.
Das Wichtigste ganz kurz: Der Wunsch, jemanden ändern zu wollen, richtet sich im Grunde an die falsche Person? Es sollte sich besser selbst ändern, wer andere ändern will?
Das ist schön formuliert, genauso sehe ich das! Da ich nur eine einzige Person auf diesem Planeten ändern kann, nämlich mich, kann ich genau hier ansetzen: Meine Reaktion auf das Verhalten anderer, das ist es, was ich beeinflussen kann! Meine Änderungsversuche, die kann ich unterbinden. Und ich kann kontrollieren, wie ich mit den - oftmals durchaus charmanten - Macken anderer umgehe.
Was heißt das für Unternehmen? Menschen passend zu machen, ist in Organisationen verbreitete Praxis, man schickt sie dann in ein Training. Kann man das so sehen?
Oftmals ist es leider gängige Praxis, dass es "Schablonen" gibt, in die die Mitarbeitenden reinpassen sollen oder dahin gehend geschult werden, dass sie passen. Verstehen Sie mich nicht falsch, Trainings und Kompetenzerwerb sind wichtig und sind - wenn in ein modernes Kompetenzmodell und daraus abgeleitete Schulungsmaßnahmen eingepasst - für Weiterentwicklung unerlässlich. Doch wie sieht es mit einer kulturellen Passung aus? Inwiefern wird im Thema Diversity respektive Vielfalt geschult? Das kann dann so aussehen, dass Menschen lernen, wie wunderbar Unterschiede sind.
Die Wendung von oben auf Organisationen übertragen: Sollten sich besser Führungskräfte ändern, statt Mitarbeiter ändern zu wollen?
In meinem persönlichen Führungsverständnis haben Führungskräfte die Aufgabe, den Mitarbeitenden die Rahmenbedingungen zu geben, die es diesen ermöglichen, mit Freude ihre Potenziale und Fähigkeiten einzusetzen, zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Und das beinhaltet oft, dass ich mich selbst - als Führungskraft - zurücknehmen muss, um Platz zu machen.
Das Interview haben wir schriftlich geführt.
Zitate
"Auch wenn wir es meistens gut meinen mit unseren Ratschlägen für ein "besseres" Verhalten anderer - es steht uns einfach nicht zu, an anderen Menschen herumzudoktern!" Nele Kreyßig: Ändere dich selber
"Wenn ein Mensch sich verändern oder weiterentwickeln möchte, dann gelingt das nur, wenn er selbst das aus sich heraus möchte!" Nele Kreyßig: Ändere dich selber
"Erstens: Ich entscheide, wer mich nerven darf! Zweitens lässt sich fragen: Wie seltsam bin ich eigentlich manchmal selbst?" Nele Kreyßig: Ändere dich selber
changeX 19.02.2021. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Zum Buch
Nele Kreyßig: Warum es Bullshit ist, andere ändern zu wollen. GABAL Verlag, Offenbach 2020, 200 Seiten, 17 Euro (D), ISBN 978-3-86936-970-9
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Winfried KretschmerWinfried Kretschmer ist Autor, Redakteur & Macher bei changeX.
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