Die Grünwäscher
Die Ökolüge. Wie Sie den grünen Etikettenschwindel durchschauen. Das neue Buch von Stefan Kreutzberger.
Von Sascha Hellmann
Zu schön, um wahr zu sein: Beinahe jeder ist auf dem grünen Trip der Nachhaltigkeit. Nicht nur Lebensmittel sind Bio, sondern auch Ölkonzerne, Atomkraftbetreiber, Stromkonzerne und die Autoindustrie. Etikettenschwindel!, konstatiert ein Journalist und lüftet in seinem Buch das grüne Mäntelchen. Das Ziel: Dem Verbraucher seine Mündigkeit zurückzugeben, den eigenen Konsum bewusst und verantwortlich zu gestalten. / 07.04.09
Stefan Kreutzberger CoverEs ist nicht alles grün, was blüht. Und so manche Imagekampagne treibt Blüten, dass es nur so zum Himmel stinkt: "Werfen Sie nichts weg. Weg ist nicht weg", lautete der Slogan der Ökooffensive des Ölgiganten Shell im Sommer 2007. Werbeplakate des Unternehmens zeigten unter diesem Satz eine Skyline von Raffinerien, aus deren Schornsteinen Blumen anstelle von Rauch qualmten. In der Kampagne behauptete Shell, dass man Kohlendioxid "zum Blumenwachstum" verwende und Schwefelabfälle benutze, um "extrastarken Beton" herzustellen. Empörung aufseiten der Umweltschützer. Eine englische Umweltorganisation sah in der Kampagne sogar ein Vergehen und erstattete Anzeige. Der Vorwurf an den Großkonzern: Was Shell großspurig als Standard darstellt, sei nur eine Nische. Denn lediglich 0,35 Prozent der jährlichen Kohlendioxid-Emissionen von 94 Millionen Tonnen werde in holländische Gewächshäuser geleitet, während es über die proklamierte Schwefelverwendung gar keine Informationen gebe. Hingegen litten jedoch Menschen unter den Folgen der Umweltverschmutzung durch Shells Raffinerien, beispielsweise in Nigeria, Südafrika, den USA und auf den Philippinen. Zudem fackele Shell in Nigeria illegal Gas ab und emittiere dabei massenhaft Schwefel, der sauren Regen verursacht. Und allein diese Abfackelungen erzeugten 60-mal mehr Treibhausgas-Emissionen als das Kohlendioxid, das von holländischen Bauern zur Blumenzüchtung wiederverwendet wird.

Überblick im Labeldschungel.


Ein klarer Fall von Greenwashing - und nicht der einzige, den der Autor, Journalist und Medienberater Stefan Kreutzberger in seinem neuen Buch Die Ökolüge. Wie Sie den grünen Etikettenschwindel durchschauen beschreibt. "Als Greenwash - auf Deutsch Grünwaschen oder Grünfärben - bezeichnet man Bemühungen von Unternehmen, Verbänden oder auch Regierungen, sich ein 'grünes' Image in der Öffentlichkeit zu verschaffen. Und das, ohne einen ernsthaften Wandel seines Umweltverhaltens einzuleiten", erklärt der Autor, der in seinem Buch hinter die Kulissen der Ökoindustrie blickt und enthüllt, wie und wo Verbraucher mit grünen Etiketten manipuliert und betrogen werden. Mit seinem überaus kenntnisreich und detailliert recherchierten Buch liefert er damit für Verbraucher eine profunde Basis, die die selbständige Beurteilung von grünen Produkten ermöglicht. Denn "in vielen Fällen ist nicht 'Fair' und 'Bio' drin, wo 'Fair' und 'Bio' draufsteht", stellt Kreutzberger bei seinen Recherchen fest. Vielmehr werde der Verbraucher förmlich zugeschüttet mit Nachhaltigkeitssiegeln, Zertifikaten, Labeln und Selbstverpflichtungen, deren grüner Gehalt für den Verbraucher nur schwerlich zu beurteilen ist. Um in diesem Labeldschungel den Überblick zu behalten, was nun wirklich nachhaltig oder ökologisch ist, fordert der Autor gesetzlich geregelte und öffentlich überprüfbare Standards für alle diese Selbstversprechen, Siegel und Labels. Denn der gegenwärtige Etikettenschwindel unterwandert das grüne Ideal: "Da werden Atomkraftwerke plötzlich zu grünen Oasen, Ölkonzerne zu innovativen Visionären, wird Autofahren immer sauberer und die Kohleindustrie zum Klimaschutzvorreiter." Und dies geschehe einzig und allein, um einen wirtschaftlichen Vorteil zu erlangen oder um einen Fehler zu verdecken und so Kritik oder Strafe zu entgehen.

Grünes Mäntelchen.


So grasen in der Werbung friedlich Schafe vor Atommeilern, weil diese angeblich kein Kohlendioxid erzeugen - was gar nicht stimme -, während das Problem der Endlagerung des strahlenden Mülls schön ausgeklammert wird. Und Stromkonzerne malten ein nicht existierendes Schreckgespenst einer Stromlücke an die Wand, um so den Bau klimabelastender Kohlekraftwerke durchzupauken. Auch die Bundesregierung sei unter den Grünwäschern, wenn sie den folgenschweren Irrtum der staatlichen Förderung des Geschäfts mit sogenanntem "Bio"-Sprit aus Palmöl und Soja nicht zuzugeben vermag. Denn das Big Business mit "Bio"-Sprit trieb Millionen Menschen in Entwicklungsländern in Hunger und Armut. Damit die grüne Hoffnung, wie sie in den vielen kleinen und großen Lügen und gezielter Desinformation hintergangen wird, letztlich nicht stirbt, hat Kreutzberger das grüne Mäntelchen gelüftet. Seine Leistung besteht darin, Falschspieler aufzudecken und damit auch dem Verbraucher wieder seine Mündigkeit zurückzugeben: Denn jeder einzelne trägt mit seinem bewussten Konsum zu einer Welt bei, in der wir leben wollen - oder auch nicht.

Sascha Hellmann ist freier Mitarbeiter bei changeX.

Stefan Kreutzberger:
Die Ökolüge.
Wie Sie den grünen Etikettenschwindel durchschauen.

Econ Verlag, Berlin 2009,
286 Seiten, 16.90 Euro.
ISBN 978-3-430-30045-2
www.ullsteinbuchverlage.de

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: Die Ökolüge. Wie Sie den grünen Etikettenschwindel durchschauen. Econ Verlag, Berlin 2009, 286 Seiten, ISBN 978-3-430-30045-2

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Sascha Hellmann ist freier Journalist in Heidelberg. Er arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.

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