"Rosy" und die Entdeckung der DNA
Rosalind Franklin, die neue Biografie von Brenda Maddox.
Ohne die brillanten Röntgenfotos der jungen Physikerin wäre es James Watson nicht geglückt, die Struktur der DNA zu enträtseln. Doch in die Geschichte ist Rosalind Franklin als diejenige eingegangen, die die Entdeckung erst einmal verhinderte. Ihre Biografin schildert die Ereignisse aus ihrer Sicht.
Ein Mädchen boxt sich durch.
Rosalind wuchs in England auf, sie
war der Spross einer wohlhabenden jüdischen Familie. Schon mit
sechs Jahren löste sie zum Spaß komplizierte Rechenaufgaben - und
zwar richtig. Den Franklins war es fast peinlich, dass nicht
einer ihrer drei Jungen, sondern das kleine Mädchen der
gescheiteste ihrer Sprösslinge war. Mit neun Jahren wurde
Rosalind ins Internat verfrachtet. Mit Ehrgeiz und Wissensdurst
schaffte es das hübsche, sportliche Mädchen dort zur
Klassenbesten, besonders in den Naturwissenschaften. In weiser
Voraussicht schickte ihr Vater sie auf eine Schule, die Mädchen
auf einen Beruf vorbereitete - was damals längst nicht
selbstverständlich war.
Rosalind hatte sich in den Kopf gesetzt, in Cambridge
Physik zu studieren. Damals wurden Frauen nicht als
Universitätsangehörige und vollwertige Studenten akzeptiert; sie
durften zwar studieren, bekamen aber bei ihrem Abschluss keinen
akademischen Grad dafür. Es gab eine Frauenquote - aber die legte
fest, dass der Anteil der weiblichen Studenten zehn Prozent nicht
überschreiten durfte! Zu den traditionellen Festessen der
Fakultät waren Frauen nicht zugelassen. In Amerika war es damals
nicht besser. So musste eine Physikerin, die eingeladen worden
war, den Beschleuniger der Uni Princeton zu benutzen, das
Experimentiergebäude im Schutze der Nacht betreten, weil Frauen
dort keinen Zutritt hatten (angeblich stellten sie eine Ablenkung
dar).
Rosalind scherte sich nicht darum. Auch nicht darum, dass
der Krieg begonnen hatte und ständige Alarme und die Flucht in
den Luftschutzkeller zum Alltag gehörten. "Die schlechtesten
Kriegsnachrichten fielen mitten in die Vorbereitungen für den
wichtigen ersten Teil ihres Examens", berichtet Brenda Maddox.
Rosalinds Spezialgebiet wurde die Röntgenkristallographie - den
Aufbau von Molekülen mit Hilfe von Röntgenstrahlen zu
untersuchen.
Das schlechteste Team der Wissenschaftsgeschichte.
Ehrlich, hartnäckig, aber auch
temperamentvoll und rechthaberisch, so blieb Rosalind ihren
Kommilitonen im Gedächtnis. Sie erwies sich als brillante
Experimentatorin. Romantik interessierte sie dagegen nicht
besonders, ihre Ansichten waren eher puritanisch. "Sie hatte
nicht die leiseste Ahnung, wie man mit Männern umgeht und wie man
es anfängt", seufzte eine ihrer Freundinnen. Das wurde anders,
als sie eine Stelle an einem Laboratorium in Paris annahm (wo es
ihr ausgesprochen gut gefiel). Sie verliebte sich hoffnungslos in
ihren Chef Jacques Mering und war lange mit ihm befreundet. Zudem
wurden Frauen nun, im Jahr 1948, von der Universität Cambridge
endlich als Universitätsangehörige anerkannt, ehemalige
Studentinnen wie Rosalind bekamen rückwirkend ihren akademischen
Grad verliehen. Es war eine gute Zeit für Rosalind.
Die Wende kam, als sie mit einem Stipendium nach England
zurückkehrte. Sie hatte inzwischen eine Abneigung gegen alles
Englische entwickelt, haderte mit ihren Kollegen und fühlte sich
am King's College überhaupt nicht wohl. Sie wurde von ihrem Chef
dem Forschungsgebiet Biophysik und der aufregenden Arbeit an den
Erbgutmolekülen zugewiesen. Doch dieser Chef beging auch den
großen Fehler, sie mit dem auf dem gleichen Gebiet forschenden,
stillen und zurückhaltenden Maurice Wilkins zusammenzuspannen.
Die Atmosphäre zwischen den beiden verschlechterte sich schnell -
sie konnten sich schlicht nicht ausstehen. Schließlich kam es
über Zuständigkeitsfragen zum offenen Zerwürfnis, es gab keine
Kommunikation mehr zwischen den beiden. Die Idee der Doppel-Helix
lag förmlich in der Luft, doch die Forscher am King's College
waren zu sehr damit beschäftigt, sich untereinander zu bekämpfen.
Anfang 1953 kündigte Rosalind endlich. Genau in dem Jahr, in dem
das Rennen um die DNA in die heiße Phase ging. Wilkins schrieb
hochgestimmt an einen Kollegen: "... die
dark lady verlässt uns nächste Woche und ich plane eine
Generaloffensive auf die geheimen Festungen der Natur ... endlich
können wir mit voller Kraft loslegen!" Doch es war schon zu spät.
Goodbye Nobelpreis!
Keine Chance ohne ihre Fotos.
Rosalind fertigte in aufwendiger
Arbeit die Röntgenfotos an, die zur Grundlage der berühmten
Entdeckung wurden. Erbgutmoleküle zu fotografieren erforderte
einen komplizierten Versuchsaufbau und Belichtungszeiten bis zu
100 Stunden. Watson und Crick, denen es schließlich gelang, die
Struktur der DNA zu entschlüsseln, experimentierten nicht selbst,
sondern profitierten von den Anregungen aus dem King's College
und tüftelten an Modellen herum. Ohne Rosalinds Wissen bekam
James Watson eines ihrer Fotos zu sehen, das bei ihm die zündende
Idee auslöste. Sie selbst glaubte nicht an eine Helixstruktur und
mochte Spekulationen nicht. Während sie noch nach handfesten
Beweisen suchte, erkannten Watson und Crick intuitiv das
Geheimnis der Doppelspirale.
Watson kommt nicht sehr gut weg bei Maddox. Sie porträtiert
ihn als linkisch und schlampig, ein Typ, der trotz seiner
Versuche keinen Erfolg bei Frauen hat. Einer, der die Forscher am
King's College nervt, weil er dort oft neugierig herumhängt. Über
Rosalind stellte er so manche Vermutung an und lag jedes Mal
daneben. Ein interessanter Kontrapunkt zu Watsons eigenem, sehr
persönlichen Bericht.
Rosalind erfuhr nicht, welche Rolle ihre Fotos bei der
Entdeckung der DNA-Struktur gespielt hatten, und auch die
Öffentlichkeit bekam davon so gut wie nichts mit. Die junge
Physikerin war glücklich in ihrem neuen Job, ihr Team war ihr
ganzer Stolz und ihre Ersatzfamilie. Sie hatte Erfolg als
Forscherin. Doch dann kam der Krebs, 1956 wurden bei ihr zwei
große Tumore diagnostiziert. Sicher auch, weil sie bei ihrer
Arbeit mit der Röntgenstrahlung viele Sicherheitsvorkehrungen
missachtet hatte. Sie lebte noch zwei Jahre, ließ sich die
Krankheit lange nicht anmerken. Sie starb mit nur 38 Jahren und
erlebte es nicht mehr mit, dass Watson und Crick der Nobelpreis
verliehen wurde. Immerhin: Heute ist nicht nur ihr Beitrag zur
Verhinderung dieser Leistung bekannt, sondern auch ihr
wissenschaftlicher Anteil an der Entdeckung.
Brenda Maddox:
Rosalind Franklin.
Die Entdeckung der DNA oder der Kampf
einer Frau um wissenschaftliche Anerkennung,
Campus Verlag, Frankfurt/New York 2003,
308 Seiten, 25,60 Euro,
ISBN 3-593-37192-8
www.campus.de
Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.
© changeX Partnerforum [08.05.2003] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Zum Buch
Brenda Maddox: Rosalind Franklin. . Die Entdeckung der DNA oder der Kampf einer Frau um wissenschaftliche Anerkennung. . Campus Verlag, Frankfurt/New York 1900, 308 Seiten, ISBN 3-593-37192-8
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