Im Zeichen der Doppelhelix
Das neue Z_paper ist erschienen, diesmal liegt der Schwerpunkt auf der Biotechnologie und ihren Zukunftsperspektiven.
Die Forschung im Bereich Life Sciences birgt große Chancen, sie wirft aber auch viele ethische Fragen auf. Für Interessierte, die mehr Klarheit über diese Zukunftstechnologie wollen, haben die Zukunftsforscher von Z_punkt eine exzellente Einführung erarbeitet.
Lebenswissenschaften und Biotech werden vielfach als das
zentrale Technologiefeld des 21. Jahrhunderts gewertet, das der
Medizin, der Landwirtschaft und industriellen Fertigungsprozessen
lang ersehnte Basisinnovationen bescheren soll. Spätestens mit der
endgültigen Kartierung des menschlichen Genoms im Jahr 2003 ist der
Öffentlichkeit vor Augen geführt worden, mit welch ungeheurer
Dynamik sich diese Technologien entwickeln. In den Augen vieler
scheinen daher auch keinerlei Zweifel daran zu bestehen, dass das
21. Jahrhundert zum Jahrhundert der neuen "Life Sciences" werden
wird: Wissenschaftler und Forscher wollen den innersten
Zusammenhängen des Lebens auf die Spur kommen, Mediziner träumen
von einer krankheitsfreien Gesellschaft, Agrarwissenschaftler
wollen die Ernährungsprobleme der immer noch wachsenden
Erdbevölkerung durch genmodifizierte Tierrassen und Pflanzensorten
lösen (nach dem Motto: vom Farmer zum Pharmer), Ingenieure sehen
große Chancen in einer "Biologisierung" von Produktionsverfahren,
und Manager hoffen auf Milliardengewinne aus bio- und
gentechnischen Innovationen.
Doch neben aller Euphorie sind auch kritische Stimmen zu
vernehmen. Nicht nur, dass viele im heutigen Boom der
Lebenswissenschaften einen neuerlichen Technikhype sehen, eine
Blase, die zerplatzen wird, wenn sich die hochgesteckten Hoffnungen
nicht erfüllen. Auch stünden mit vielen der Entwicklungen
grundlegende Werte zur Disposition: Forscher, so heißt es,
manipulierten am Code des Lebens und berühren damit das Wesen des
Menschen; der Mensch selbst werde zu einer Ressource und einem fast
beliebig formbaren Produkt der entfesselten Biotech-Wirtschaft,
seine Entwicklung würde den über Jahrmillionen vorgezeichneten
evolutionären Linien entrissen. Der Politik fällt es angesichts der
überschwänglichen Euphorie einerseits und der düsteren Mahnungen
andererseits schwer, sich ein ausgewogenes Urteil über die
möglichen Chancen und Risiken zu bilden. Sie steht in dem
Zwiespalt, entweder die Entwicklung zu verschlafen und damit den
Wirtschaftsstandort Deutschland zu gefährden oder aber auf das
falsche Pferd zu setzen und falsche Signale für die Wissenschaft
und die Gesellschaft zu geben.
Durchblick und Orientierung.
Schon seit Jahren werden diese
Themen hitzig diskutiert. Für den Laien wird es immer schwerer,
den Überblick zu behalten. Worum ging es nochmal bei der
Stammzellforschung, was sind DNA-Sonden, was genau versteht man
unter "Grüner", "Roter" oder gar "Grauer" Biotechnologie? Was
kann man alles mit transgenen Pflanzen anstellen? Das gerade
erschienene
Z_paper 08/2003, geschrieben von den Z_
punkt-Zukunftsforschern Karlheinz Steinmüller, Andreas
Neef, Beate Schulz-Montag, und Klaus Burmeister, bietet einen
systematischen Überblick über die verschiedenen
biotechnologischen Anwendungsfelder und einen Einstieg in die
Diskussion um Marktchancen und ethische Implikationen der Life
Sciences. Wer eine knappe, kompetente Einführung ohne Fachjargon
sucht, der ist damit exzellent bedient.
Was auch voll und ganz im Sinne der Autoren ist: Ihrer
Meinung nach scheint die Gesellschaft insgesamt für den Aufbruch
ins Biotech-Zeitalter noch schlecht vorbereitet zu sein. Zu
unübersichtlich sind die Forschungsfelder und die sich aus ihnen
möglicherweise ergebenden Konsequenzen, zu lückenhaft ist das
allgemeine Wissen über die Entwicklungen in den modernen
Naturwissenschaften und zu viele populäre Mythen verschleiern die
Wahrnehmung der tatsächlichen Chancen und Risiken. Das
Z_paper will dazu beitragen, diese Lücke zu schließen.
Zunächst wird das Konzept der Lebenswissenschaften vorgestellt
und werden die Konturen der zentralen Einsatzfelder Medizin und
Landwirtschaft gezeichnet. Darauf aufbauend werden Gegenwart und
Zukunft der biotechnologischen Industrie in Deutschland umrissen
und Einschätzungen zu ihrem Marktpotenzial gegeben, sowie eine
mögliche chronologische Abfolge biotechnologischer Fortschritte
bis 2020.
Optimistische Visionen.
Obwohl ihr Ton im gesamten Dossier
nüchtern und neutral ist, zeigt sich hier, dass die Autoren -
trotz bissiger Kommentare über Gentherapie und Warnungen vor den
langfristigen Folgen von transgenen Pflanzen - an das Potenzial
der Biotechnologie glauben. 2007 sehen sie auf Genanalysen
basierende Methoden zur Vorhersage des individuellen
Krankheitsrisikos bei genetisch (mit)bedingten Krankheiten wie
Krebs, Bluthochdruck und Diabetes. 2013 ist, so sagen sie vorher,
die Wirkungsweise des menschlichen Immunsystems so gut
verstanden, dass Immunkrankheiten und Allergien geheilt werden
könnten. 2017 ersetzen mit Hilfe von bio- und gentechnischen
Verfahren hergestellte Therapeutika mehr als die Hälfte der
chemischen Medikamente. 2018 wird eine wirksame Therapie gegen
Alzheimer entwickelt, ein Jahr später kommt der Impfstoff gegen
den Aids-Virus. Bis dahin ist es mit gentechnisch veränderten
Kulturpflanzen auch möglich geworden, in Wüstengebieten und am
Polarkreis Ackerbau zu betreiben, für Schädlings- und
Krankheitsschutz wird keine Chemie mehr gespritzt und auf 20
Prozent der Ackerfläche wachsen gentechnisch optimierte
nachwachsende Rohstoffe. Schön wär's, warten wir's ab!
Auch wirtschaftlich trauen die Zukunftsforscher der
Biotechnologie einiges zu: "Die ökonomische Performanz der
Biotechnologie ist beeindruckend und bestätigt die Hoffnungen,
die in diese Zukunftsbranche gesetzt werden." Europaweit gibt es
zur Zeit mittlerweile 1.900 Biotech-Firmen, nach dem regelrechten
Gründungsboom der letzten Jahre (dank einer Novellierung des
Gentechnikgesetzes) sind es in Deutschland 360 Firmen mit 13.400
Mitarbeitern. Nicht schlecht - allerdings sind die
Mitarbeiterzahlen und vor allem Umsätze in den USA zehnmal so
hoch.
Viele offene Fragen.
Zum Abschluss erörtern die Autoren
offene Fragen für die Life Sciences - besonders in den Bereichen
geistiges Eigentum, Ethik, soziale Probleme und Datenschutz
steckt noch viel Zündstoff für Debatten. Welche Interessen die
"Stakeholder", die einzelnen Interessengruppen, verfolgen, hat
der Leser aus dem Dossier ja schon erfahren.
Den Anspruch, auf diese Fragen eine Antwort zu finden,
haben die Essener Zukunftsforscher nicht, wie sie schon in der
Vorbemerkung des Dossiers betonen: "Die Z_paper greifen Themen
auf, von denen Impulse für die Zukunft zu erwarten sind. Sie
liefern keine abgeschlossenen Resultate oder fertige Ergebnisse,
sondern geben unseren Stand der Beschäftigung mit dem jeweiligen
Thema wieder. Durch den offenen Charakter der Arbeitspapiere
möchten wir notwendige Zukunftsdiskurse anregen, fördern und
weiterführen."
Bleibt zu hoffen, dass mit Hilfe ihrer Einführung in
Zukunft informierter diskutiert wird.
Z_punkt GmbH Büro für Zukunftsgestaltung (Hg.):
Z_paper 08/ 2003: Im Zeichen der Doppelhelix.
Die Zukunftsperspektiven der neuen Life Sciences,
Essen 2003,
57 Seiten, 10 Euro,
ISBN 1617-7789
Bestellung online unter:
http://www.z-punkt.de/zpunkt/z-paper08.html
Oder direkt bei:
Z_
punkt GmbH
Büro für Zukunftsgestaltung
Zeche Zollverein Schacht
�
Bullmannaue 11
45327 Essen
Tel.: + 49 (0)201 74727 0
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E-Mail:
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