Kenne deine Rolle wie dich selbst
Ein Essay über die Vorbedingung für den Erfolg.
Persönlichkeitstraining? Was versteht man denn darunter genau - und was ist "Persönlichkeit" überhaupt? Der Berater, Autor und Querdenker Peter Grimm stellt unbequeme Fragen. Seine These: Menschen lassen sich grundlegend und ganz bestimmt nicht gern "verbiegen". Bewusst beeinflussen und verändern kann man im Geschäfts- und anderen "Normal"-Leben seine Rolle, am wenigsten seine Persönlichkeit. Aber das bedeutet nicht, dass man sein Verhalten nicht ändern könnte. Man muss nur die Spielregeln kennen. Gerade im Verkauf.
Warum sind manche Menschen erfolgreicher als andere? Eine Frage, der es sich nachzugehen lohnt. Besonders im Verkauf, der doch ein unmittelbar erfolgsbezogenes Tätigkeitsfeld ist. Doch bei der Sichtung vieler Quellen, die sich mit dem Thema beschäftigen, bin ich immer wieder nur auf die lapidare Erklärung gestoßen, "Persönlichkeit" sei die Antwort auf die Frage, warum Erfolgreiche erfolgreicher sind. Wohl deshalb versuchen viele Unternehmen, ihre Verkäufer mit Persönlichkeitstrainings auf Topleistung zu trimmen.
Was ist Persönlichkeit, was Rolle?
Aber bitte schön: Was ist
Persönlichkeit? Genau kann es niemand erklären. Weder die
Soziologen noch die Psychologen noch Gehirn- oder
Verhaltensforschung. Alle habe zwar eine mehr oder weniger
brauchbare Umschreibung, aber keine präzise Definition. Also
formuliere ich hier erst einmal präzise Begriffsbestimmungen, die
für unsere Betrachtung hilfreich sein werden:
Persönlichkeit ist das Erleben hinter allen unseren Rollen
und der (Intim-)Bereich der Individualität.
Rollen dagegen sind die mit einem Verhaltenskonzept
ausgestatteten Ausdrucksformen der Persönlichkeit. Mit unserer
jeweiligen Rolle machen wir unsere Erfahrungen - in Umwelt und
Gesellschaft; zu diesen Erfahrungen sagt die Persönlichkeit
"annehmen" oder "ablehnen", "ja" oder "nein".
Zur Rolle zählen unsere mit unterschiedlichen
Verhaltenskonzepten ausgestatteten Berufe (Schreiner und
Verkäufer haben ganz unterschiedliche Verhaltenskonzepte), aber
auch andere Tätigkeiten. Wenn wir zum Beispiel mit dem Intercity
fahren oder im Flugzeug sitzen, sind wir in der Rolle des
Fahrgasts und unterliegen den Erwartungen dieser Rolle. Jede
Tätigkeit erfolgt rollenbezogen, mit bewussten oder unbewussten
Erwartungen an die Rolle, Regieanweisungen (Was geht, was wird
nicht akzeptiert?) und Sanktionen bei "Rollen-Verstößen". Der
katholische Gemeindegeistliche, der in der gleichen Pfarrei, in
der er tätig ist, eine Spielhölle aufmacht, wird in allererster
Linie wegen der damit verbundenen Rollenunverträglichkeit von
seinem Kardinal abgelöst und erst ganz weit hinten auch wegen
seiner "Persönlichkeit" - dann aber garantiert wegen
"Charakterschwäche" (Was ist denn dies nun wieder?) abgelöst.
Der Begriff Rolle übrigens stammt aus der
Theaterwissenschaft. Die Schauspieler bekamen im frühen
Mittelalter ihre Texte in Form aufgerollter Pergamente, eben in
"Rollen". Nach und nach wurde das Wort in die Alltagssprache
übernommen, und so formulieren wir zum Beispiel: "Das (oder der)
spielt doch keine Rolle."
Wo lernt man seine Rollen?
Wie bildet man eigentlich die
Rollen heraus, die man im Leben spielt? Warum und wodurch ein
Mensch "Vorlieben" entwickelt, die letztlich sein Verhalten
steuern, liegt neben seinen Talenten an der Erziehung, am
Elternhaus, an der gesamten Sozialisation, aber eben auch und
ganz speziell an der "Rolle", die ein Mensch primär zu "spielen"
gelernt hat.
Ebenso erzeugen auch Unternehmen ganz bestimmte
rollensoziologische Verhaltensweisen. Das sind jene
Verhaltensfelder, die sich einerseits aus den bewussten oder
unbewussten Werthaltungen der Unternehmen und andererseits aus
den betonten Positionen der Erwartungen an eine jeweilige Rolle
(Verkäufer, Führungskräfte, Manager et cetera) ergeben.
Ergänzend prägen allgemeine Normen, Erwartungen und Rituale
die Verhaltensfelder, und so ist es durchaus erklärlich, dass die
berufliche "Rolle" anders gelebt wird als die private. Je größer
aber die Übereinstimmung zwischen beiden, desto größer ist auch
die Wirkung, und zwar unabhängig davon, in welchen
Verhaltensfeldern sie dominiert.
Nur Rollen kann man verändern.
Ganz grundlegend ist: In Rollen ist
uns gestattet, variabel zu sein. Nicht aber in unserer
Persönlichkeit. Aus Erfahrung wissen wir, dass niemand gern an
seiner Persönlichkeit etwas verändern lassen will. Aber wenn
Persönlichkeit auch das "Erleben hinter der Rolle" ist, warum
dann nicht gleich den direkteren Weg gehen? Zumal uns die damit
verbundenen Erkenntnisse wesentlich mehr helfen, unsere Fragen
nach dem Erfolg im Verkauf zu beantworten.
Meine These ist: Über das Rollenverständnis auch
Rollenkompetenz zu lernen, erfolgreich(er) zu sein/werden, ist
motivierender, als sich an seiner Persönlichkeit herumdoktern zu
lassen. Zu lernen, mit unterschiedlichen Rollen bewusst
umzugehen, ist weit spannender und darüber hinaus auch klüger,
als Persönlichkeitsveränderung zu praktizieren. (Dies sollten wir
- wie schon gesagt - wirklich den Psychotherapeuten überlassen.)
Das bedeutet auch, dass es
niemals darum gehen kann, jemanden zu "ändern" oder gar zu
"verbiegen". Denn wenn jemand sein Verhalten angeblich
"grundlegend" änderte, dann hat er möglicherweise nur besser zu
sich selbst (zurück)gefunden, ist also wieder "stimmiger", mehr
in Harmonie mit sich selbst. Oder er hat in Übereinstimmung mit
sich selbst gelernt, unterschiedliche Rollen zu verstehen und
diejenigen zu fördern und auszuformen, die eben (wieder) zu ihm
passen.
Wichtig ist, zu bedenken: Unsere Vorstellungen und
Sichtweisen bestimmen unser Verhalten, auch in der Rolle. Alles,
was wir tun, ist ein Rollenspiel. Egal, ob uns dies bewusst ist
oder nicht. Wenn wir uns mit der Rolle, die von uns verlangt
wird, nicht identifizieren können, sind damit enorme
Leistungsblockierungen verbunden. Über ein klares
Rollenverständnis können wir annehmen und lernen, ohne die
Persönlichkeit zu "verbiegen" und ohne das Schwert "du musst dich
ändern" zücken zu müssen.
Aber Achtung: Wenn weder "das Stück" (das MarktSpiel) noch
die Rolle klar definiert sind - was bitte soll dann ein im
"luftleeren Raum" angesetztes Training bewirken? "Unecht,
praxisfern, gekünstelt" verurteilten dann folgerichtig viele
Teilnehmer dieses Training. Recht haben sie. Also gehen wir erst
einmal daran, am Beispiel des Verkaufs die vier primär
vorherrschenden Rollen zu definieren.
Die vier Basis-Rollen im Verkauf.
In Verkauf und Führung finden sich vier grundlegende Rollen-Energien:
- Der Verwalter. Er ist ein angepasster, rationaler Typ, zuverlässig in von ihm akzeptierten Strukturen, sicherheitsmotiviert und risikomeidend, nicht unbedingt sehr ehrgeizig, oft ohne klare, eigene Ziele. Seine Hauptschwäche sind mangelnde Kreativität und Probleme mit Neuem. Er wird leicht zum "Abfrager" für vorhandenen Bedarf. Am erfolgreichsten ist der Verwalter, wenn ihn das System trägt und fast alles vorgedacht wird. Hat er sich an ein System gewöhnt, ist er sehr loyal. Bis man etwas ändern will ...
- Der Kontakter. Der Kontakter orientiert sich an seinen persönlichen Beziehungen. Er ist ausgewogen und initiativ. Seine Stärke ist die Flexibilität, seine Schwäche die Oberflächlichkeit. Der gute Kontakt zu "seinen" Kunden ist für ihn lebenswichtig, und genau deshalb wird er alles daransetzen, diese guten Kontakte nicht durch allzu unbequeme verkäuferische Verhaltensweisen in Frage zu stellen. Liebesentzug durch seine Kunden ist - neben seiner Abneigung zur Neukundenwerbung - sein wundester Punkt.
- Der Entwickler. Er ist stark fachorientiert und strukturiert ordnend. Seine Stärke liegt in seiner Gründlichkeit, die auch pedantisch sein kann. Den Entwickler drängt es im Verkauf - wie den Bären zum Honig - zur Beratung. Er ist der "Logiker" unter den Verkäufern und prädestiniert für fundiertes Fachwissen, das er gerne und reichlich über seinen Kunden ausbreitet. Er läuft dabei Gefahr, dass er berät und berät und berät, seine Kunden also "schlau" macht, und diese dann bestens beraten dazu neigen, bei seinem Wettbewerber - preislich etwas günstiger - zu kaufen. Er weiß nicht, dass er in seiner Rolle als Entwickler halt eine ausgeprägte Abneigung für den Abschluss hat. Seine zeitliche Dimension ist die Zukunft, doch nicht das "Hier und Jetzt". Er ist Berater.
- Der Jäger. Er ist zielorientiert, sein Handeln ist dynamisch auf ein konkretes Ergebnis ausgerichtet. Oft ist er ein fähiger Ermittler für Chancen, denn ein Jäger muss Spuren lesen können. Seine Stärke liegt in seiner Durchsetzungskraft, seine Schwäche in der Aggressivität. Oft charismatisch kann er Menschen mitreißen und zu einer Entscheidung führen - aber er kann auch egozentrisch und unbequem sein (... und willst du nicht mein Kunde sein ...).
Diese Rollen kommen vor allem in Mischformen vor, "reinrassig" sind sie selten. Aber eine Rolle hat nahezu immer Prioritätscharakter.
Wer seine Rollenverteilung kennt, hat schon fast gewonnen.
Um es jedem einzelnen Verkäufer,
aber auch Führungskräften zu ermöglichen, individuell die eigene,
meist unbewusste Rollensicht zu erleben, haben wir unsere
rollenbezogenen "Verhaltens-Tendenz-Profile" entwickelt. Sie
zeigen präzise, zu welcher Rollenverteilung jeder Einzelne neigt,
welche rollengekoppelten Sichtweisen ihn hindern, seine
Potenziale auch in die Umsetzung zu führen (was
fehlt ihm und nicht, welche Fehler macht er), und machen
deutlich, was er im Hinblick auf das zu leistende MarktSpiel an
Möglichkeiten erwerben (hinzufügen!) sollte. Dabei geht es darum,
genau die Themen oder das Know-how dem Teilnehmer zu vermitteln
und mit ihm zu trainieren, das ihm fehlt, seinen Erfolg noch
bewusster steuern zu können. Kurz: den Erfolg vom Zufall zu
befreien.
So ist auch konsequent Schluss mit jedem Training nach
Gießkannenprinzip. Jeder wird am Punkt seiner größten
Effizienz-Chancen gefördert. Dies auch deshalb, weil auch der
Sollwertgeber - ein präzise definiertes MarktSpiel - zeigt,
welche rollenbezogenen Energien unverzichtbar sind. Customing
�
ist halt das wohl durchgängigste System für die vertriebsbezogene
Unternehmensentwicklung in unserer Zeit.
Peter Grimm ist seit 25 Jahren selbstständiger Unternehmer und geschäftsführender Gesellschafter der Peter Grimm Customing � GmbH.
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