Potenziale auf den Prüfstand!
Ein Essay darüber, was Basel II verspricht und unternehmerische Eigenverantwortung leisten muss.
Der Handlungsspielraum für mittelständische Unternehmen wird enger. Viele fühlen sich durch uneinsichtige Banken und Sparkassen, überzogene Sicherungserwartungen, hohe Zinsen enorm unter Druck gesetzt. Erwartet wird Liquidität im Tagesgeschäft, vor allem aber Investitionsbedarf. Basel II werden die neuen Eigenkapitalrichtlinien kurz und griffig genannt, nach denen in Zukunft Kredite vergeben werden. Auch wenn vielen noch unklar ist, was sich dahinter wirklich verbirgt, breitet sich bereits die Angst vor einem Desaster ohne Perspektive für die Unternehmer aus.
Neue Technologien,
Kundenanforderungen, permanenter Wettbewerbsdruck und
Mitarbeitererwartungen - die mittelständischen Unternehmen fühlen
sich getrieben von Veränderungszwängen. Nun diktiert auch die
Finanzwelt neue Regeln: Mit Basel II drohen neue
Bewertungsverfahren und -kriterien. Kreditlinien, Finanzmittel
für Investitionen und die Unternehmensbewertung selbst sind heute
bereits für viele unerreichbar, in den nächsten Jahren aber
scheinen sie in unerreichbare Ferne zu rücken.
Verständlich, dass bei vielen erst mal die Einstellung
dominiert, dass jetzt der Mittelstand dafür bluten muss, was
große Unternehmen und Konzerne in der Vergangenheit verbrochen
haben. Finanzskandale an jeder Ecke der großen Wirtschaft, im
gesamten Bankenumfeld. Die Folge: Es herrscht ein Zustand
höchster Sensibilisierung und Anspannung. Scheinbar übertriebener
Bürokratismus, theoretische Konstrukte - so funktionieren halt
mittelständische Unternehmen nicht. Oder doch?
"Laissez-faire" war gestern.
Betrachtet man wertfrei die
Hiobsbotschaften der regionalen Medien, so sprechen die Zahlen
hier eine eindeutige Sprache. Nie zuvor gab es so viele
Unternehmensschließungen im Mittelstand. Dies trifft sowohl
Neugründungen als auch eingesessene Unternehmen.
Kapitalvernichtung, die in der heutigen Zeit niemand mehr bereit
ist, hinzunehmen. Selbstverständlich haben auch die
Großunternehmen ihren Teil dazu beigetragen, dass die Finanzwelt
nicht mehr die Philosophie vom
"Laissez-faire" lebt.
Ob Banken oder Investoren - finanziert wird nur dann, wenn
der Erfolg überzeugend dargestellt werden kann. Fundierte
Planungen, klare Zukunftsperspektiven, reale Einschätzungen der
Potenziale eines Unternehmens sind hier unabdingbar. Kein
Finanzier leistet Anschubfinanzierung oder
Investitionsunterstützung, wenn die Planung nicht tragfähig ist.
Das Wirtschaftsroulette gehört der Vergangenheit an.
Öffentliche Fördergelder sind gleichfalls versiegt, obwohl
die Politik und die öffentlichen Einrichtungen immer noch den
Eindruck erwecken möchten, dass es mehr als nur gute Ratschläge
zu holen gibt. Darauf zu hoffen ist heute allerdings
unternehmerischer Leichtsinn.
Maximale Transparenz.
Mittelständische Unternehmen müssen
sich auf die veränderten Bedingungen einstellen. Auch wenn es
ihnen schon in der Vergangenheit schwer gefallen sein dürfte,
sich Beratern und Coachs anzuvertrauen, so dürfte die Übung
künftig bei der heimischen Bank oder bei Investoren noch viel
schmerzhafter sein. Maximale Transparenz der Finanzlage des
Unternehmens, meist auch der persönlichen Situation der
Gesellschafter, ist angesagt. Das bedeutet auch eine
rücksichtslose Bewertung der unternehmerischen Fähigkeiten durch
Außenstehende, die schonungslose Einschätzung der Marktchancen
und der Potenziale im Unternehmen - der gläserne Mittelstand!
Da gilt es viel Versäumtes der Vergangenheit nachzuholen,
vor allem versäumte Selbstreflexion. Welcher Unternehmer ist und
war so ehrlich und offen, seine Schwächen und die des
Unternehmens einmal unternehmerisch zu bewerten? Und welcher
Unternehmer hat dann auch konsequent gegengesteuert?
Unternehmertum setzt dies voraus. Unternehmertum, vor allem
in mittelständischen Unternehmen, ist und war zu jeder Zeit
geprägt von drei wesentlichen Handlungen:
- den Markt zu beobachten, rechtzeitig auf Veränderungen zu reagieren, etwas zu unternehmen,
- die eigenen Fähigkeiten, dazu gehören auch die Finanzkraft, die Führungskompetenz und das Potenzial des Unternehmens, insgesamt zu betrachten und in die Zukunft hineinzuplanen,
- Mut und Bereitschaft, konsequent Strategien auf Grundlage realer Potenziale zu entwickeln und vor allem umzusetzen.
Drei Themen, die viele vernachlässigen. Wo also bleibt eine tragfähige Perspektive, die reale Einschätzung der Zukunft eines Unternehmens. Nicht der Markt - ob nun Konjunkturflaute oder Hype - bestimmt den Unternehmenserfolg und die Stabilität, sondern das Unternehmertum.
Unternehmen unter der Lupe.
Hier nun greift Basel II. Mit neuen
Verfahren und Systematiken prüft die Finanzwelt künftig, welche
Potenziale ein Unternehmen tatsächlich besitzt, ob es die
Fähigkeit besitzt, eben diese Potenziale geplant und gesteuert
erfolgreich freizusetzen.
Die meisten Unternehmen sind daher gezwungen, denn jetzt
ist nicht mehr die unternehmerische Freiheit entscheidend, sich
mit den bisher vernachlässigten, unliebsamen
Unternehmensdisziplinen auseinander zu setzen. Dazu
gehören:
- Planungs- und Bewertungssystematiken,
- Kennzahlenmanagement,
- Leistungssteuerung in Bezug auf Produktivität und Qualität,
- Marktbeobachtung und Chancenbewertung,
- Führung und Motivation im Unternehmen,
- Sozialbilanz und Ethik im Unternehmen,
- Mitarbeiterentwicklung,
- Tragfähige Ziele und Strategien.
Einige werden den Standpunkt
vertreten, dass dies alles viel zu mächtig und komplex und nur
für große Unternehmen und Konzerne geeignet sei. Eine klare
Fehleinschätzung! Nicht die Größe ist ausschlaggebend, sondern
vielmehr die Konsequenz und die Qualität, mit der sich
Unternehmen mit diesen Themen auseinander setzen.
Sicher ist die Strategie eines Großunternehmens wesentlich
umfangreicher, als dies für ein mittelständisches Unternehmen
erforderlich ist. Dennoch haben beide mit der gleichen Sorgfalt
und Verantwortung daran zu arbeiten. Es ist egal, ob eine
positive Sozialbilanz im Unternehmen durch tausende Mitarbeiter
oder lediglich fünf Mitarbeiter geprägt ist. In der Wirkung im
Unternehmen und in der Außenwirkung hin zum Kunden ist das Thema
gleich wertvoll. Die Aufgabe für Unternehmer ist und bleibt
gleich.
Vielleicht schafft Basel II tatsächlich, was Ignoranz und
Bequemlichkeit in der Vergangenheit behinderten - nämlich
Unternehmertum.
Albert Weber ist einer der beiden Gründer und Geschäftsführer des atunis Instituts. atunis hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit ihren Netzlogik -Methoden Unternehmer und Führungskräfte im Aufbau der Beziehungskompetenz als Managementdisziplin zu unterstützen und ihre Auswirkung in konkreten Kundensituationen zu verifizieren.
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