Emotional zugänglich

Living at Work-Serie | Folge17 | - Andrej Kupetz über die Wettbewerbsvorteile von Design im Unternehmen.

Ein Produkt zu entwerfen ist die eine Sache. Ein durchgehendes Corporate Design zu schaffen eine andere. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Design nie Selbstzweck sein sollte, sondern dazu dient, sich von der Konkurrenz abzusetzen und gleichzeitig für die Mitarbeiter eine Atmosphäre zu schaffen, in der sie sich frei entfalten können.

Design kann für Unternehmen sehr hilfreich sein. Die Beschäftigung mit Design kann einen Differenzierungsfaktor und einen Mehrwert gegenüber der Konkurrenz bedeuten. Zumindest, wenn man es umfassend einsetzt - zum Beispiel, wenn es darum geht, wie ein Unternehmen kommunizieren möchte oder was seine Strategie ist. Corporate Identity und Design hängen eng zusammen und müssen ganzheitlich angegangen werden. Manche Unternehmen sagen: "Wir machen ein tolles Produkt, und wenn es fertig entwickelt ist, setzen wir einen Designer dran." In diesem Fall kann der Erfolg höchstens kurzfristig sein und wird schnell verpuffen. Ganz im Gegensatz zu Unternehmen, die nach dem Motto agieren: "Ich habe diese und jene Haltung - sie wird deutlich in allem, was ich tue."
Welche Leistung kann man von Designern erwarten? Ein Industriedesigner entwirft beispielsweise ein Produkt. Nicht aus dem Bauch heraus, sondern nach einem sehr detaillierten Briefing. Er wird Ihnen sehr wahrscheinlich neben dem eigentlichen Produkt auch eine Markt- und Gestaltanalyse anbieten, zudem kann er Ideen entwickeln, wie man das Produkt technisch umsetzen oder ökologisch vermarkten könnte. Doch Produktdesign ist nur ein kleiner Teil der heutigen Dienstleistungspalette für Gestaltung. Es gibt für alle Designdisziplinen Ansprechpartner - vom Kommunikationsdesign oder der maßgeschneiderten Zusammenstellung von Tönen oder Gerüchen bis hin zur Firmenarchitektur.
Sehr gefragt sind zurzeit Gestalter, die sich mit dem Themenkomplex Marke beschäftigen. Wie kann, so lautet die Kernfrage, mit einem Design ein Markenwert aufgebaut, erhöht oder gepflegt werden? Viele Unternehmen haben erkannt, dass sie über ihre Marke kommunizieren müssen. In den vergangenen Jahren hatten wir eine ruinöse Preisdiskussion, eine Verramschung von Werten. Momentan erleben wir, dass stärker darüber nachgedacht wird, wie Marken lebendig gehalten werden können - denn sie sind es, die den Mehrwert erzeugen und tragen.

Durchgehendes Corporate Design.


Geschichtlich betrachtet hat es im Design immer wieder Schnittstellen zur Unternehmenskultur und -führung gegeben. Beispielsweise Anfang des 20. Jahrhunderts bei AEG. Peter Behrens, seines Zeichens Architekt, hatte den Auftrag bekommen, nicht nur die Produktgestaltung, sondern die gesamte Architektur und Innenarchitektur des Unternehmens zu gestalten, um ein durchgehendes Corporate Design zu erzeugen.
Das hat bei AEG hervorragend funktioniert und in der Folge auch bei anderen Unternehmen; übertragen lässt sich dieses Beispiel jedoch nicht immer und schon gar nicht leicht. Allein schon deshalb, weil die meisten Unternehmen kein eigenes Gebäude bauen, sondern Mieter sind. Heutige Büroimmobilien werden meist standardisiert geplant und entwickelt. Darüber hinaus werden Büromöbel durchschnittlich erst nach 20 Jahren ersetzt. In demselben Zeitraum stehen heutzutage sechs bis acht neue Generationen von PCs auf dem Schreibtisch. Investitionen in neues Mobiliar oder neue Kommunikationsräume hinken meist hinterher. Umso stärker ist die Industrie gefordert - sie muss wesentlich intensiver als bisher über den Wandel von Wirtschaft und Arbeitsprozessen nachdenken, um neue adäquate Lösungen anbieten zu können.

Leben und Arbeiten.


Zwischen der "Arbeit" und dem "Rest des Lebens" zu trennen funktioniert immer seltener, weil sich die Anforderungen - beispielsweise durch die Globalisierung - in den vergangenen Jahren grundlegend geändert haben. Viele so genannte "Wissensarbeiter" arbeiten häufig mit Menschen in allen Teilen und verschiedenen Zeitzonen der Welt zusammen. Dadurch verschieben sich unter anderem die herkömmlichen Bürozeiten. Unternehmen haben es jedoch durch ihre Strukturen, ihre Größe und auch durch ihre Einbindung in gewerkschaftliche Zusammenhänge nicht leicht, auf diese Strukturveränderungen schnell und angemessen zu reagieren. Dennoch lohnt es sich, darüber nachzudenken und Arbeit als Teil des Lebens zu begreifen.
Das kann etwa heißen, dass zur Entspannung ein Kickertisch oder eine Tischtennisplatte im Büro steht. Wir reden immer über die Notwendigkeit, den Menschen mehr Freiraum zu geben, damit sie sich besser einbringen können. Aber in der Praxis hört man dann in Unternehmen oft den Satz: "Wir haben hier soundso viel Quadratmeter zur Verfügung, da müssen soundso viel Leute ihren Arbeitsplatz bekommen." Das alles muss zusätzlich DIN-Normen, arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen und den Anforderungen des Unternehmens entsprechen. Ein Raumkonzept, das es dagegen ermöglicht, dass man sich schnell mit anderen trifft oder sich ein paar Minuten ausruhen kann - Stichwort: power napping -, gibt es in der Realität noch nicht. Obwohl mittlerweile belegt ist, dass diese Dinge neue Potenziale eröffnen.

Emotional zugänglich und einfach.


Ein weiterer Aspekt ist die Integration von immer mehr Technik in die Möbel. Wir müssen darauf achten, dass diese Möbel trotzdem emotional zugänglich bleiben und nicht erklärungsbedürftig werden. Bei vielen Geräten wie dem Handy nutzt man nie alle Funktionen. Bei Möbeln wäre es ähnlich. Es macht keinen Sinn, ein sehr kompliziertes Möbelstück zu bauen, das technisch und ergonomisch zwar hochgerüstet ist, die Features aber von den Benutzern nicht angenommen werden. Man muss mit und an dem Möbelstück gesundheitsgerecht arbeiten können, es muss flexibel einsetzbar sein und es sollte, wenn es ein technisches Interface hat, sehr einfach zu bedienen sein.
Es gibt im Bereich Design ohnehin einen sehr starken Trend zur Einfachheit. Was nichts mit Minimalismus zu tun hat - den hatten wir in den 90ern. Heute zählen Überschaubarkeit und eine wertige, klare Formensprache. Gleichzeitig sind aber auch volumengeprägte Formen wieder ein Thema. Das Wichtige dabei ist, dass die Produkte ihre Qualität über die verwendeten Materialien und durch hochwertige Oberflächen gewinnen: Welche Hölzer hat der Designer verwendet, welche Laminate, welche Eigenschaften haben Glas und Metall? Material ist ein unglaublicher Träger der Erlebnisqualität geworden. Beispiel: Sie können heute Mineralwasser nur verkaufen, wenn Ihnen die Flasche ein Gefühl von Wertigkeit vermittelt.
Auch Dekor und Ornament sind wieder aktuell, weil man versucht, den Dingen ihre emotionale Qualität zurückzugeben. Was in der Moderne überhaupt nicht denkbar war - da war das Ornament tabu, gefordert waren sehr klare, glatte Oberflächen. Heute sieht man dies nicht mehr ganz so streng, denn Dekor und Ornament können entscheidend zur ästhetischen Haltbarkeit eines Gebäudes beitragen. Gerade Bürogebäuden sieht man nach zehn bis 20 Jahren genau an, wann sie gebaut wurden, wenn sie keine dauerhafte ästhetische Qualität aufweisen. Hier in Frankfurt etwa könne Sie die architektonische Entwicklung genau beobachten. Es wird wieder sehr viel Wert auf die Fassadengestaltung und die Innenraumgestaltung gelegt. Es geht last, but not least immer auch um die Lebensqualität und das Wohlbefinden der Angestellten. Aus diesem Grund müssen Büros attraktiv gestaltet werden, damit sie zum Lebensraum werden und man seine Zeit gerne dort verbringt.

Übersicht aller bereits erschienenen Beiträge der "Living at Work-Serie".

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Andrej Kupetz ist Geschäftsführer des Rats für Formgebung in Frankfurt. Er studierte Industriedesign, Philosophie und Produktmarketing in Berlin, London und Paris. Er war Design-Manager bei der Deutschen Bahn Medien GmbH und lehrte als Gastprofessor an der UdK Berlin.

www.german-design-council.de

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Vom 19. bis 23. Oktober 2004

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