Ganz schön saftig
Wie viel Sex passt in ein Einmachglas? - Das neue Buch von Clio Cresswell.
Von Nina Hesse
Für Mathematik interessiert sich nur eine Minderheit der Bevölkerung - Sex dagegen zählt nicht ohne Grund zu Googles beliebtesten Suchbegriffen. Mathedozentin Clio Cresswell entschied sich (wenn auch nicht als Erste), beides zu verbinden, damit ihre Studenten besser bei der Sache blieben. Sie behauptet: "Sex ist im höchsten Maße mathematisch." Diese These, die zunächst aberwitzig anmutet, beweist sie in ihrem Buch mit Humor und vielen interessanten Fakten.
Clio Cresswell hat sich auf die Suche gemacht nach Gesetzmäßigkeiten in dem, was wir "Leben" nennen. Herausgekommen ist ein Werk, das eher in den Bereich Biologie gehört als in die Mathematik. Man erfährt eine Menge Faszinierendes über Beziehungen und Fortpflanzung - zum Beispiel über Muster und Zyklen in Partnerschaften, die Chancen einer Ehe, Theorien über Sex nach der Hochzeit und die Schwankungen des Testosteronspiegels. Gemeinsam mit Psychologen, Medizinern und Wissenschaftlern anderer Disziplinen packen Mathematiker solche Forschungsthemen an, die nur auf den ersten Blick schwammig und schwer fassbar wirken.
Mit erstaunlichem Erfolg: Zum Beispiel half die Bio-Mathematik, die Liebessonette Petrarcas zu datieren. Der Dichter hatte sich in eine unerreichbare Schöne verliebt und erlebte dabei immer wieder Phasen von Überschwang, aber auch von tiefster Verzweiflung. Und das immer wieder von Neuem - wie man herausfand, wiederholten sich seine (unerwiderten) Gefühle in einem Zyklus von etwa vier Jahren. Diese Erkenntnis (und die dazugehörigen mathematischen Algorithmen) gaben den Forschern die nötigen Anhaltspunkte, um den einst unlösbaren Fall zu einem Puzzlespiel für Fortgeschrittene zu machen.

Beziehungstipps vom Mathematiker.


Leser, die sich mehr für ihre eigene Beziehung interessieren als die von chronisch verknallten Dichtern, werden sich mehr für das Kapitel über Beziehungschancen interessieren. Ein erfahrener Psychologe kann nach einem 15-minütigen Gespräch die Chancen von Frischvermählten ziemlich gut einschätzen. Ob die beiden die goldene Hochzeit feiern oder vor dem Richter landen, lässt sich aber auch objektiv mathematisch analysieren. Jetzt hat die Wissenschaft endlich festgestellt: In Ehen, bei denen sich die Partner nur wenig Fehlverhalten durchgehen ließen, sondern sich sofort darauf ansprachen, waren die stabilsten. So lange wie möglich ein Friede-Freude-Eierkuchen-Gefühl bewahren zu wollen bringt die Harmonie nachhaltig in Schieflage.
Auch Polarisierungen in Beziehungen hat Cresswell unter die Lupe genommen. Hat sich auch bei Ihnen der Groll aufgestaut, dass ständig Sie den Müll runterbringen müssen und Ihr Partner als Ausgleich auf seinen höheren Beitrag zum Familieneinkommen pocht? "Partner neigen dazu, den Wert ihrer Leistungen zu maximieren, was unweigerlich zu einer Polarisierung führt", erklärt Cresswell nüchtern. "Schon der kleinste Meinungs- und Bewertungsunterschied führt im Laufe der Zeit zu einer großen Differenz." Doch keine Angst, eine Beziehung kann auch unterschiedliche Meinungen überleben. "Sie müssen sich nur bewusst machen, dass Sie auf eine abschüssige Bahn geraten sind - und die Notbremse ziehen."

Formeln nur als Deko.


Cresswells Buch ist eine vergnügliche Lektüre - doch wer als Laie seine Kenntnisse in Mathematik spielerisch erweitern will, der sucht sich besser ein anderes Buch. Die komplizierten Formeln, die Cresswell abbildet, werden nicht erklärt, sie dienen, wie die Autorin auch im Vorwort erwähnt, als Dekoration. Nur der Fachmann wüsste etwas mit ihnen anzufangen. Allerdings machen sie (zum Beispiel) deutlich, wie komplex "die Beziehungen zwischen Hirn und Schwanz eines Mannes gestrickt sind" - die erwähnte Testosterongleichung geht über eine halbe Seite und sieht ausgesprochen hübsch aus. Im Vergleich dazu ist die Formel e = mc2 zwar trügerisch simpel, doch die Konzepte dahinter zu begreifen ist fast eine Lebensaufgabe.
Zwar lernt der Laie nicht viel über Gleichungen, doch Cresswell demonstriert überzeugend, dass an der Schnittstelle von Bio und Mathematik Aspekte von Liebe und Sexualität deutlich werden, die sonst verborgen geblieben wären. Wer hätte gedacht, dass mathematische Prognosen in einem so unwissenschaftlichen Bereich wie Liebe besser sein können als Astrologie oder Lebenshilfekolumnen? Zum Beispiel gibt eine Formel die Antwort auf die alte Frage, wie viele Liebhaber man ausprobieren sollte, bevor man sich mit dem Gefühl, eine gute Wahl getroffen zu haben und nichts verpasst zu haben, zufrieden geben kann? Die Antwort: ein Dutzend. Das bietet eine genau berechnete Erfolgsgarantie von 75 %.

Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.

Clio Cresswell:
Wie viel Sex passt in ein Einmachglas?
Was die Mathematik über unser Liebesleben verrät,

Campus Verlag, Frankfurt/New York 2005,
191 Seiten, 19.90 Euro,
ISBN 3-593-37549-4
www.campus.de

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: Wie viel Sex passt in ein Einmachglas? . Was die Mathematik über unser Liebesleben verrät. . Campus Verlag, Frankfurt/New York 1900, 191 Seiten, ISBN 3-593-37549-4

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