Rum ist schon im 19. Jahrhundert sehr beliebt, er gehört als Stimmungsaufheller der Mannschaft zur Grundausstattung der Royal Navy. Auf großen, mit Hilfe von Sklaven bewirtschafteten Plantagen wird der für die Rumherstellung nötige Zucker angebaut. Doch selbst auf der "Zuckerinsel" Kuba wird nur ein arg kratziges Gesöff hergestellt. Der ehrgeizige Facundo hat das Ziel, die auf der Insel gängige Qualität zu verbessern - und schafft das auch, weil er seiner Vision hartnäckig folgt. Einer der Meilensteine der frühen Gründerjahre ist ein Dankschreiben des spanischen Königshauses, nachdem der kleine Alfonso XII. sich durch den Genuss von Bacardí-Rum von einem schweren Fieber erholt hatte. Über die Jahre hinweg wird der Rum mit dem Fledermaus-Logo immer bekannter und beliebter, bis heute boomt dank cleverer strategischer Entscheidungen das Geschäft.
Politisch turbulent.
Doch auch heftige politische
Umwälzungen muss die Familie überstehen. Ihr Schicksal ist eng
verwoben mit dem ihrer Heimatinsel, und die Biografie der
Bacardís ist gleichzeitig eine Geschichte Kubas - vom
Unabhängigkeitskrieg bis zur kommunistischen Revolution, vom
Kalten Krieg bis in unsere Tage hinein. Immer wieder wird der
Clan politisch aktiv: Der älteste Sohn des Gründers, Emilio,
verbringt viele Jahre in Gefängnissen, weil er sich für die
Unabhängigkeit Kubas von Spanien einsetzt. Währenddessen hält
sein Bruder - besessen von der Idee, guten Rum zu produzieren -
die Fabrik am Laufen. Nach dem Spanisch-Amerikanischen Krieg ist
Kuba unabhängig, Emilio Bacardí y Moreau wird Bürgermeister von
Santiago und die Besatzungstruppen erfinden den neuen Drink "Cuba
Libre". Das goldene Cocktailzeitalter bricht an, und während der
Prohibition in den 20er Jahren fallen Scharen von durstigen
Amerikanern in Kuba ein.
Doch schon bald gibt es wieder Probleme, als der Diktator
Machado an die Macht kommt - Bacardí baut sicherheitshalber einen
Zweig in Mexiko auf. Als nach Machado Batista mit Unterstützung
der USA die Insel regiert, arrangiert sich Bacardí zunächst mit
den Verhältnissen, verlagert aber auch einen Teil der Produktion
nach Puerto Rico. Das dient zwar erst einmal nur dazu,
Schutzzölle in den USA zu umgehen, erweist sich jedoch später als
segensreich. Denn das Verhältnis der Familie zu Politmafia rund
um Batista verschlechtert sich stetig bis hin zur Feindschaft.
Und nach der kubanischen Revolution enteignet Fidel Castro
sämtliche Unternehmen auf Kuba - auch Bacardí. Die Familie muss
ins Exil gehen, produziert wird forthin in Puerto Rico, und setzt
dort die Erfolgsstory fort.
Doch auch heute noch betrachten die Bacardís Kuba als ihre
eigentliche Heimat, und auf das kommunistische Regime sind sie
nicht gut zu sprechen. Allein sechs Bacardí-Familienmitglieder
waren an der gescheiterten Kuba-Invasion in der Schweinebucht
beteiligt, die für Kennedy zum politischen Debakel wurde. Der
Hass reicht so weit, dass aus der Familie sogar Geld für
terroristische Aktionen gegen Castro floss. Biografin Ursula Voss
verheimlicht ihr Entsetzen darüber nicht.
Unten anfangen und aufsteigen.
Familiensinn und Patriotismus, das
sind die beiden roten Fäden, an denen sich der Werdegang der
Bacardís und damit auch das Buch orientiert. Ein Teil des
Bacardí-Erfolgsrezepts war sicher auch, dass ein dermaßen großer
Clan auch einen großen Talentpool darstellt - der Senior war nie
gezwungen, sich auf einen einzelnen Erben zu stützen, sondern
konnte wählen. Der Firma standen zur rechten Zeit immer
geschäftstüchtige Familienmitglieder oder Schwiegersöhne zur
Verfügung. Zum Beispiel Pepín Bosch - eigenwillig, kompromisslos
und ein genialer Geschäftsmann. Er versprach der Familie, sie
reich zu machen, wenn sie ihm freie Hand lasse, und er hielt sein
Versprechen.
Aber Familiensinn heißt nicht, dass es dem
Bacardí-Nachwuchs leicht gemacht wird in der Firma - nach dem
Motto "Im Leben wird dir nichts geschenkt, du musst dir alles
selbst erarbeiten" muss jeder, der einsteigen will, im Lager oder
in der Abfüllanlage anfangen. Und wer versagt, der darf nicht auf
Mitleid hoffen: "Wer in der Familie dem Geschäft schadet, gehört
nicht mehr ins Geschäft", so lautet die klare Botschaft.
Erst in den letzten Jahren hat der enge Zusammenhalt in der
Familie etwas gelitten. Versuche, die Firma zu diversifizieren,
waren ein Flop, und von einem heftigen, schmutzigen Streit um die
Frage, ob Anteile verkauft werden sollten, profitierten vor allem
die Anwälte.
Ursula Voss hat es nicht leicht gehabt bei der Recherche -
nicht nur, dass es nicht ganz leicht gewesen sein kann, sich im
verzweigten Stammbaum des Clans zu orientieren, es gibt auch
wenig Material über die berühmte Familie. Angestellten ist streng
verboten, über Interna zu sprechen. Und Voss' Versuche, vor Ort
in Kuba mehr über die Bacardís herauszufinden und mit ihnen
persönlich zu sprechen, waren erst spät von Erfolg gekrönt. Doch
Voss hat aus der Not eine Tugend gemacht, immer wieder berichtet
sie im Reportagestil von ihren Erlebnissen bei der Recherche in
Kuba, in Puerto Rico und Miami - dadurch werden die Orte und die
Menschen, von denen sie erzählt, lebendig, der Leser kann sich in
Atmosphäre und Lebensgefühl der Zuckerinsel hineinfühlen.
Düstere Geheimnisse.
Wer befürchtet, dass es den Diktator menschlicher machen könnte, mehr über seine Beziehungen zu seiner Familie zu erfahren, der braucht sich keine Sorgen zu machen. Obwohl der Mensch Adolf Hitler in Zdrals Buch an Konturen gewinnt, fassbarer wird, obwohl klar wird, dass er durchaus zu Gefühlen fähig war, ist dieser Mensch alles andere als sympathisch. Im Umgang mit seinen Angehörigen zeigt er sich egoistisch, berechnend und kalt. Vieles spricht dafür, dass er in seine Nichte Geli verliebt war - sehr wahrscheinlich kam es zu einer Affäre. Besonders gut getan hat Geli das allerdings nicht, sie beging schon in jungen Jahren Selbstmord, möglicherweise nach einem Streit mit Hitler.
Basierend auf teils unbekannten Quellen und Interviews mit Zeitzeugen und Nachfahren rekonstruiert Zdral die Chronik einer zerrissenen und gestörten Familie: Da sind die zerrütteten Familienverhältnisse, die dubiose Herkunft, das pathologische Verhältnis zur Mutter. Hitler weist seine Verwandten ab, zwingt seine Schwester zur Namensänderung und wird vom Neffen erpresst. Zdrals spannend geschriebene Biografie beantwortet viele Fragen: Wie lebte Hitlers Familie während der Nazi-Herrschaft und danach? Welche Angehörigen Adolf Hitlers leben heute noch? Wie gehen sie damit um, dass sie mit einem "Jahrhundertverbrecher" verwandt sind? Reizvoll ist, dass in Die Hitlers neuste Forschungsergebnisse eingeflossen sind, darunter unveröffentlichte Dokumente aus den Archiven des FBI und des US-Geheimdiensts OSS, aus Privatsammlungen und aus deutschen und österreichischen Archiven.
Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.
Ursula L. Voss:
Die Bacardis. Der Kuba-Clan zwischen Rum und Revolution,
Campus Verlag, Frankfurt/New York 2005,
236 Seiten, 24.90 Euro,
ISBN 3-593-37318-1
Wolfgang Zdral:
Die Hitlers. Die unbekannte Familie des Führers,
Campus Verlag, Frankfurt/New York,
257 Seiten, 24.90 Euro,
ISBN 3-593-37457-9
© changeX Partnerforum [19.07.2005] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Zu den Büchern
Ursula L. Voss: Die Bacardis. Der Kuba-Clan zwischen Rum und Revolution. Campus Verlag, Frankfurt am Main / New York 2005, 236 Seiten, ISBN 3-593-37318-1
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Wolfgang Zdral: Die Hitlers. Die unbekannte Familie des Führers. Campus Verlag, Frankfurt am Main / New York 2005, 257 Seiten, ISBN 3-593-37457-9
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