Es ist eine spannende Geschichte, die Rüdiger Jungbluth über den Gründer Ingvar Kamprad und sein Lebenswerk IKEA zu erzählen hat. Die erste Hälfte des Buches zeichnet die Entwicklung von Kamprad und seinem Werk nach, die zweite Hälfte widmet sich den Wurzeln des IKEA-Erfolgs, ist ein Lehrstück für allzu nüchtern denkende Manager - denn genau wie der kauzige, eigenwillige und widersprüchliche Kamprad selbst hat IKEA eine unverwechselbare, zuweilen schräge Identität und Kultur, die nichts mit vielen anderen gesichtslosen, stromlinienförmigen Konzernen zu tun hat.
Erfolg von Anfang an.
Seine Kindheit verbrachte Ingvar
Kamprad in einer idyllischen Bullerbü-Welt, auf einem Hof im
ländlichen Schweden. Schon als Fünfjähriger erwies er sich als
äußerst geschäftstüchtig: Er handelte mit praktisch allem, was er
in die Finger bekam, und der Kaufmannsladen seines Großvaters
faszinierte ihn. Geld zu verdienen spielte in Ingvars Leben früh
eine große Rolle, denn die Familie hatte finanziell zu kämpfen.
Dadurch, dass der Hof der Familie so abgelegen war, stieg Kamprad
schon früh in den Versandhandel ein, der später auch eine der
Wurzeln des Möbelgeschäfts bilden würde.
Ausführlich schildert Jungbluth, was erst spät an die
Öffentlichkeit gedrungen ist - dass Ingvar ein Anhänger der Nazis
war und es lange blieb. Seine resolute Großmutter Fanny, einer
der wichtigsten Menschen in Kamprads Leben, wurde nach Anschluss
ihres geliebten Sudentenlands an Deutschland begeisterte
Nazi-Verehrerin, und auch sein Vater war Hitler wohlgesonnen.
Sicher auch deshalb schloss sich Ingvar schon als Junge der
"nordischen Jugend" an, einem Äquivalent der Hitlerjugend, und
genoss das Gemeinschaftsgefühl dort. Noch lange blieb er der
Ideologie der Nazis verbunden, auch wenn davon glücklicherweise
in seinen geschäftlichen Aktivitäten nichts zu spüren war.
Zu Anfang ist IKEA ein reiner Familienbetrieb, die Zentrale
ist der elterliche Hof und die Mitarbeiter gehören fast alle zur
Familie. Zunächst gibt es bei IKEA alles Mögliche zu kaufen, vom
Füllfederhalter bis zur Brieftasche. Als das erste Möbelstück,
ein Sessel, auf große Nachfrage stößt, baut der junge Ingvar das
Geschäft zügig aus und konzentriert sich nur noch aufs Geschäft
mit Einrichtungsgegenständen. Da er sich keine Artikelnummern
merken kann, gibt er seinen Produkten Namen - die eigenwilligen
Bezeichnungen sind heute Kult.
Schlag auf Schlag geht es nun mit dem Erfolg. Der Verkauf
boomt, weil Kamprad auf Niedrigpreise setzt. Viele Schweden
ziehen in diesen Jahren in die Stadt, und sie brauchen günstige
Möbel, um ihre kleinen Wohnungen einzurichten. 1953 eröffnet
Ingvar die erste Möbelausstellung, 1958 das erste richtige
Möbelhaus, der Andrang ist gewaltig. Nur die anderen Player der
Branche hassen Kamprad, wegen seiner Niedrigpreispolitik gilt er
als Schmuddelkind. Seine Lieferanten bekommen Druck, IKEA zu
boykottieren. Raffiniert kontert Kamprad mit immer neuen
Firmengründungen, so dass nicht mehr zu erkennen ist, dass IKEA
der Besteller ist. Schließlich lässt er notgedrungen in Polen
produzieren. Auch die extrem hohen Steuern in Schweden machen
Kamprad zu schaffen.
Prägende Jahre.
Ein katastrophaler Exkurs ins
Fernsehgeschäft zeigt Kamprad, dass er sich besser weiterhin auf
das Kerngeschäft mit Möbeln konzentrieren sollte. Schon früh
stellt er die Weichen für die spätere IKEA-Kultur und Strategie,
setzt auf günstige, frisch-moderne Möbel guter Qualität. Mit
witzigen Aktionen wie kostenlosen Haarschnitten oder einem
"Junggesellen-Tag" mit Sockenwasch-Service begeistert er seine
Kunden und verärgert er die Konkurrenz. Als das Einrichtungshaus
abbrennt, überarbeiten er und sein Team das Einkaufskonzept und
führen die Selbstbedienung ein, für die IKEA heute bekannt ist.
Außerdem eröffnet im neuen Geschäft erstmalig ein Restaurant. Die
Weichen für die Expansion sind gestellt, IKEA erobert Deutschland
im Sturm und fasst sogar erfolgreich in China und Russland Fuß.
Eisern setzt das Möbelhaus auch dort auf Artikel mit
skandinavischem Flair, einziges Zugeständnis an den einheimischen
Markt sind in Asien Ess-Stäbchen im Programm.
IKEA gehört zu den wenigen erfolgreichen Konzernen, die bis
heute stark von ihrem Gründer geprägt sind. Da Kamprad selbst
legere Kleidung bevorzugt, erlaubt er sie auch seinen
Angestellten, er führt ein, dass sich alle duzen sollen. Da er
selbst ein Workaholic ohne größere Ansprüche ist (bis auf kurze
Porsche-und-zu-viel-Alkohol-Entgleistungen), wird auch eine
Kultur der Bescheidenheit und Einfachheit Teil von IKEA - dazu
gehört allerdings auch eine ziemlich magere Entlohnung der
Angestellten.
Auch seine drei Söhne hält Ingvar eher kurz. Er will sie
nicht zu verwöhnten Reichensprösslingen heranziehen und vor allem
sicher sein, dass niemand sein Lebenswerk in die Finger bekommt
und im Erbstreit zerschlägt. Also macht er aus IKEA zur
Verblüffung aller eine Stiftung und gibt die Führung zunehmend an
junge, fähige Manager ab, die schon ihr ganzes Arbeitsleben bei
IKEA verbracht und dessen Kultur quasi mit der Muttermilch
eingesogen haben. Für die Söhne baut er andere lukrative
Geschäfte auf, damit sie im Erbfall trotzdem nicht am Hungertuch
nagen müssen. Um der Steuer zu entgehen, zieht er erst nach
Dänemark und dann in die Schweiz.
Nicht sehr geheimnisvoll.
Nach diesem spannenden Bericht über die Aufbaujahre ist der zweite Teil des Buches, der sich der Analyse widmet, für jeden, der schon mal beim blau-gelben Möbelhaus gekauft hat, wenig überraschend. Niedrige Preise, große Mengen und Einsparungen beim Service durch Do-it-yourself des Kunden; ein prägender, lifestylig-junger Design-Stil; eine unverwechselbare Firmenkultur und klare nationale Identität mit hohem Sympathiefaktor und unverwüstlich positivem Image. Dazu die erfolgreichen Restaurants. Daran lässt sich eigentlich kaum noch etwas verbessern - und ob es etwas bringt, diesem Erfolgsrezept nachzueifern, muss die Zukunft zeigen.
Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.
Rüdiger Jungbluth:
Die 11 Geheimnisse des IKEA-Erfolgs,
Campus Verlag, Frankfurt/New York 2006,
287 Seiten, 24.90 Euro,
ISBN 3-593-37776-4
www.campus.de
© changeX Partnerforum [21.02.2006] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
changeX 21.02.2006. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
Artikeltags
Campus Verlag
Weitere Artikel dieses Partners
Mit harten Bandagen. Die Autobiografie - das neue Buch von Carly Fiorina. zur Rezension
Der Unternehmer als Chef, Manager, Privatperson - das neue Buch von Peter May. zur Rezension
Der gewinnorientierte Manager - das neue Buch von Hermann Simon, Frank F. Bilstein und Frank Luby. zur Rezension
Zum Buch
Rüdiger Jungbluth: Die 11 Geheimnisse des IKEA-Erfolgs. . Campus Verlag, Frankfurt/New York 1900, 287 Seiten, ISBN 3-593-37776-4
Buch bestellen bei
Osiander
genialokal
Amazon