Olaf Preuß, Buchautor und Wirtschaftsjournalist, hat sich darauf besonnen, dass Deutschland nicht in seiner ersten internationalen Konkurrenzkrise steckt. Damals, auf dem Höhepunkt der ersten industriellen Revolution, lag das Land weit abgeschlagen hinter den führenden Industrienationen zurück. "Billig und schlecht" war das Image seiner Produkte, doch gelang es, das Blatt zu wenden. "Made in Germany", das Label, das deutsche Produkte tragen mussten, wenn sie auf dem englischen Markt angeboten wurden, entwickelte sich vom Stigma zum Qualitätszeichen - und das gelang nicht zuletzt durch die Mobilisierung von Wissen, Ingenieurwissen. Insofern ist "Made in Germany" eine Erfolgsgeschichte, an die es sich zu erinnern lohnt, wenn es um die aktuellen wirtschaftlichen Probleme des Landes geht, das sich heute von den Emporkömmlingen der Globalisierung bedroht sieht.
Kopf hoch, Deutschland.
Damit ist auch klar, wo Olaf Preuß
mit seinem Buch steht, nämlich auf der Hymnen-Seite des Grabens,
der Buchpublikationen über das Land teilt. Es ist ein
Kopf-hoch-Deutschland-Buch, eines auch, das sich nicht vielleicht
auf die alten Werte, wohl aber auf die alte Wertarbeit
zurückbesinnt. Es klingt dann auch ein wenig trotzig, wenn Preuß
dem Glauben widerspricht, "Made in Germany" habe seinen Glanz
verloren. Denn die deutsche Wirtschaft sei nicht nur weit besser
als ihr Ruf, sondern fördere auch die Globalisierung und
profitiere von ihr, betont der Autor zu Recht.
Wie schon Hajo Schumacher ein Jahr zuvor (
Kopf hoch, Deutschland) lokalisiert auch Preuß den Quell
der miesen Stimmung in den "allgegenwärtigen Talk-Shows", in
denen das Schlechtreden zum Volkssport geworden sei. Präzise
analysiert der Autor die Schieflagen in der deutschen
Befindlichkeit: die tief sitzende Angst, Wandel bedeute
Verschlechterung, die Mär von der bösen Globalisierung, die Angst
vor der chinesischen Bedrohung. Wir leben, so Preuß, mit einem
Zerrbild, das uns vorgaukelt, wie schlecht doch alles sei. Sein
Streifzug durch die deutsche Wirtschaft zeichnet indes ein
anderes Bild: Er porträtiert erfreulich vitale Unternehmen, die
sich mit Erfolg auf internationalen Märkten behaupten, und bietet
so der "täglichen medialen Standortschelte" Paroli.
Preuß sagt auch, wie die Wirtschaft "Made in Germany"
wieder zu einem Qualitätssiegel machen kann: Beim internationalen
Wettlauf um die niedrigsten Löhne und Steuern mitrennen zu wollen
sei der falsche Weg. "Im wachsenden internationalen Wettbewerb
kann Deutschland nur mithalten, wenn das Land seinen Status als
eine 'Premiumwirtschaft' bewahrt und ausbaut." Und das bedeutet,
auf die Stärken der deutschen Wirtschaft zu setzen, zu denen eben
gerade auch das ausbalancierte Modell des Kapitalismus gehört, in
dem die Shareholder nicht die einzige und schon gar nicht die
allein tonangebende Interessengruppe sind.
Europa ausbauen, den Staat modernisieren, Arbeitskraft
mobilisieren und nicht zuletzt eine breite Bildungsoffensive sind
die Rezepte, um das Land wieder nach vorne zu bringen. Dabei ist
in erster Linie die Politik am Zug - und hier liegt die Crux:
Auch wenn der Autor eine klare Schuldzuweisung vermeidet, so legt
sein Buch doch nahe, dass die deutsche Misere in erster Linie
eine politische ist, nicht so sehr eine wirtschaftliche.
Die Vorzeichen haben sich verändert.
Bei so viel Wirtschaftsoptimismus fällt es schwer, zu widersprechen. Nur macht es vielleicht Sinn, sich die Regeln des globalen Spiels vor Augen zu halten: Wirtschaft bleibt nicht stehen; ständig werden Fähigkeiten und Fertigkeiten weiterentwickelt, treten neue Länder und Regionen als neue Konkurrenten auf den Plan. Damals Deutschland, heute Indien, China und andere Schwellenländer. Doch die Vorzeichen haben sich verändert. Damals war Deutschland mit seinem "Made in Germany" der Angreifer, heute ist es "Made in China". Heute sind andere die Hungrigen, die an die Töpfe des globalen Kapitalismus wollen. Bei allem Optimismus sollte man nicht vergessen, wo man steht im Spiel. Sich auf die eigenen Stärken zu besinnen ist nur der erste Schritt. Daraus eine Spielposition zu gewinnen, die das Match prägt und ein Stück weit seine Regeln ändert, ist die eigentliche Herausforderung.
Olaf Preuß:
Made in Germany.
Die starken Seiten der deutschen Wirtschaft,
Econ Verlag, Berlin 2006,
213 Seiten, 18 Euro,
ISBN 3-430-17434-1
www.econ.de
Winfried Kretschmer, Journalist und Autor, arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.
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Olaf Preuß: Made in Germany. . Die starken Seiten der deutschen Wirtschaft. . Econ Verlag, Berlin 1900, 213 Seiten, ISBN 3-430-17434-1
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Winfried KretschmerWinfried Kretschmer ist Autor, Redakteur & Macher bei changeX.