Ohne sie läuft nichts

Der Begriff "Mikrochip" ist inzwischen fast jedem geläufig. Doch was verbirgt sich dahinter?

Von Matthias Poth

Niemand hätte geglaubt, dass ein winziges Bauteil, das im Wesentlichen auf Sand basiert und so viel wiegt wie eine Briefmarke, in nur einer Menschengeneration so unentbehrlich werden könnte. Würde man auf einen Schlag alle Mikrochips wegzaubern, stünde die Welt still. Das Porträt einer revolutionären Erfindung.

Jeder weiß, was gemeint ist, wenn er das Wort "Mikrochip" hört. Aber es lohnt sich, genauer hinzuschauen. "Mikrochip" ist nur ein Oberbegriff, in Wirklichkeit gibt es unterschiedliche Varianten der kleinen Halbleiter-Bausteine: Speicherchips, Signalverarbeiter, Controller und Prozessoren. Ohne die so genannten "Signalverarbeiter" und "Mikrocontroller" - intelligente Mikrochips - funktioniert heute kaum noch ein elektrisches Gerät. In jedem Telephon, jeder Waschmaschine, jedem Auto, auch in der industriellen Fertigungsmaschine finden wir diese Kategorie Mikrochips, die die Funktionsfähigkeit und die Funktionen selber steuern. Mikroprozessoren wiederum sind das Herzstück eines jeden Computers - also nicht nur eines PCs oder Laptops, sondern auch eines Servers oder eines jener extrem leistungsfähigen Großrechner, die Wettervorhersagen machen, Atomversuche simulieren, in dem Bereich des dynamischen Molekulardesigns in der pharmazeutischen Industrie neue Medikamente entwickeln oder in der Gentechnologie unentbehrlich sind. In einem normalen PC arbeitet ein Prozessor als Kernstück - in Superrechnern sind es dagegen bis zu 64.000 Stück.

Ein kaum vorhersehbarer Erfolg.


Der Mikrochip ist also sicherlich die wichtigste technische Erfindung des 20. Jahrhunderts. Der Mikrochip beeinflusst heute nahezu alles und ist die Basis für die Informations- und Kommunikationstechnologien und die Biotechnologie. Auch die Nanotechnologie, von der heute so viel gesprochen wird, baut auf den Kenntnissen der Mikrotechnologie und den Erfolgen der Mikrochips auf. Vor 50 Jahren, als bei Siemens mit der Gründung des Halbleiterwerks in Karlsruhe die industrielle Produktion von Transistoren, den Bausteinen der Mikrochips, begann, wäre eine solche Aussage wahrscheinlich mit Skepsis aufgenommen worden - und in der Hoffnung, dass es so kommen möge.
Doch jedes Jahr dringen intelligente Mikrochips tiefer in unser Leben ein. Sie erobern die Steuerung eines Gerätes nach dem anderen. Kaum eine technologische Entwicklung hat so grundlegend die Gesellschaft verändert und wird sie auch noch weiter verändern. Mikrochips integrieren Informationen und Intelligenz in Produkte. Die wachsende Möglichkeit zur Informationsgewinnung beschleunigt alle Prozesse und Innovationszyklen. Durch die Mikroelektronik können wir neue Netzwerke zur Teilung von Wissen aufbauen und Daten in Sekundenschnelle um die Welt schicken. Sie ermöglicht flexible Strukturen und erlaubt uns, zu arbeiten, wann und an welchem Ort wir wollen. So können sich über eine neuen hochleistungsfähigen technischen Infrastruktur über die ganze Welt verteilt immer wieder neue Teams von Menschen bilden. Und das heißt wiederum, dass Entwicklungen vorankommen.
Billionen von Mikrochips sind heute im täglichen Gebrauch. Statistisch betrachtet hätte jeder einzelne Mensch auf der Welt, jede Frau, jeder Mann, jedes Kind mehrere leistungsfähige Computer zur eigenen Verfügung. Doch die meisten Menschen haben nur eine diffuse Idee von der Existenz dieser Billionen von kleinen Siliziumchips in den Gegenständen, die sie benutzen. Wir realisieren selten, was sie eigentlich in unserem Leben bewirken. Wissen Sie, dass wir vom Aufstehen bis zum Mittagessen durchschnittlich 70 Mikrochips benutzen?

Ohne Mikrochips steht die Welt still.


Würden wir heute die Mikrochips aus allen Geräten und Produkten entfernen, in denen sie zu finden sind, würde die Welt buchstäblich stillstehen. Würden wir nur die Infineon Mikrochips aus den PCs, den Desktops und Laptops entfernen, wäre jeder dritte PC weltweit nicht mehr funktionsfähig. Ohne Mikrochips ließen sich Milliarden von Computern nicht mehr bedienen. Ohne Mikrochips könnten wir keine Küche mehr vollständig nutzen, denn der Herd, die Mikrowelle, die Spülmaschine und die meisten anderen Küchengeräte würden die Arbeit verweigern. Der elektrische Wecker würde versagen und Menschen würden verschlafen. Fernseher und Videorekorder zeigten einen schwarzen Bildschirm. Die Stereoanlage gäbe keinen Ton von sich. Das Telefon wäre tot. Die Straßenlampen blieben dunkel. Die Heizungen würden nicht anspringen. Das Auto würde nicht fahren. Die Flugzeuge könnten nicht mehr vom Boden abheben.
Doch die Auswirkungen wären noch viel tiefer gehend. Die gesamte industrielle Produktion käme zum Stillstand. Der Börsenhandel würde zusammenbrechen. Die umfassende elektrische Versorgung wäre nicht mehr gewährleistet. Der weltweite Kapitalfluss in Echtzeit würde von einer Sekunde auf die andere versiegen. Herzschrittmacher blieben stehen. Beatmungsgeräte oder medizinische Überwachungsgeräte fielen aus. Und das alles nur, weil mit einem Mal ein winziges Teilchen ausfällt, das im Wesentlichen auf Sand basiert, die Größe eines Nagelkopfes hat und kaum mehr als eine Briefmarke wiegt.

Aus Sand gemacht.


Dieses winzige Teilchen wird in Fabriken hergestellt, in denen eine einzelne Staubflocke zur Unbrauchbarkeit des hergestellten Produktes führen kann. Deshalb sind die Räume, in denen Mikrochips verarbeitet werden, sauberer als jeder andere Ort der Welt. Selbst das Wasser, das zur Oberflächenreinigung eines fertigen Chips verwendet wird, ist steriler als jedes Wasser, das ein Operateur bei einer Operation am offenen Herzen benutzen darf. 300 einzelne Schritte benötigt man, bis ein Mikrochip fertig ist; der Prozess dauert zehn Wochen.
Mehr als eine Billion Mikrochips werden heute jährlich produziert. Ein einziger von ihnen - beispielsweise ein Mikroprozessor -, entspricht in der Komplexität seiner Struktur einer Metropole mit ihren Straßen, Gebäuden, Nahverkehrssystemen und Telekommunikationsnetzen. Stellen Sie sich vor, in dieser Stadt bewegen sich Millionen von Menschen in Lichtgeschwindigkeit in genau abgestimmten Zeiten nach einer genauen Choreographie. Dann können Sie sich in etwa vorstellen, was auf einem Chip geschieht.

Schwindelerregende Leistungssteigerungen.


Kaum ein anderes Produkt verändert sich so schnell wie der Mikrochip. Die Produktzyklen - und damit auch die Leistungssteigerung - sind beispiellos kurz. Alleine in den letzten 25 Jahren hat sich die Leistungsfähigkeit eines Mikroprozessors um den Faktor 10.000 verbessert. Trotzdem sind wir erst am Beginn dieser Entwicklung. Sie ist relativ gut prognostizierbar, denn nach dem Moore'schen Gesetz verdoppeln sich die Rechengeschwindigkeit und die Speicherkapazität eines Mikroprozessors etwa alle 18 Monate - bei in etwa konstanten Preisen. Gordon Moore definierte dieses Gesetz im Jahr 1965. Damals prognostizierte er, dass dieser Trend bis 1975 andauern würde. Weit gefehlt. Heute rechnet man damit, dass die Computer des Jahres 2015 tausendmal so leistungsfähig sein werden wie heutige Rechner - und das mit Chips, die nur ein Zehntel so groß sind. Das bedeutet, dass die Informationstechnologie schon bald in beliebige Geräte, in Wände, Kleidungen oder Verpackungen integriert sein wird. Schon heute hat die Erfindung der Mikrochips Tausende neuer Produkte ermöglicht.
Innerhalb nur einer Menschengeneration haben sich die Mikrochips von einer technischen Neuheit zu einem alltäglichen Massenprodukt entwickelt - kein Ort, an dem sie nicht zu finden sind. Das Ende dieser Entwicklung ist nicht absehbar.

Matthias Poth ist Senior Vice President der Unternehmenskommunikation der Infineon Technologies AG.

www.infineon.de

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