Controlling mit System

Einführung in das systemische Controlling - das neue Buch von Günther Bauer
Rezension: Katharina Lehmann

Controlling, der eherne Kern des kontrollierenden, steuernden Managements. In einem systemischen Verständnis aber stellt sich die Sache anders dar: Hier kommt Controlling die Aufgabe zu, ein möglichst brauchbares Bild der Organisation und ihrer Umwelt zu liefern, um so Hypothesenbildung und Steuerungsinterventionen zu verbessern. Eine Einführung umreißt die Grundlagen.

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Im Umgang mit komplexen, sozialen Systemen braucht es die luhmannsche Systemtheorie - vor allem im Controlling, findet Günther Bauer, Soziologe und Berater aus Linz. In seinem neuen Buch erklärt er, wie durch das Bewusstmachen systemischer Praxis und die Assistenz eines systemisch verstandenen Controllings Management erfolgreich gestaltet werden kann. Denn ein systemisches Verständnis hilft, vielschichtigere Wirklichkeitskonstruktionen zu etablieren, mit denen Hypothesenbildung und Steuerungsinterventionen verbessert werden können.  

"Es ist verwunderlich, dass die Controllingliteratur bisher ohne systemtheoretische Fundierung ausgekommen ist", begründet Günther Bauer sein Werk Einführung in das systemische Controlling, das Ende 2015 im Carl-Auer Verlag erschienen ist. Denn wenn Controlling als Assistenz der Führung die Aufgabe habe, relevante Steuerungsinformationen aufzubereiten - also ein möglichst brauchbares Bild einer gegebenen Situation einer Organisation oder ihrer Umwelt zu liefern -, so gehe es in jedem Fall auch um den Umgang mit Komplexität. "Aus der Fülle möglicher Informationen sollen diejenigen herausgefiltert werden, welche für das Management und seine Steuerungsaufgabe einen wesentlichen Unterschied machen", fordert Bauer.


Controlling als strategische Steuerungsaufgabe


Für die Steuerung einer Organisation seien nicht nur brauchbare Abbildungen der jeweiligen Situation, sondern auch zeitnahe Rückmeldungen über Veränderungen innerhalb des Systems erforderlich, damit gegebenenfalls notwendige Steuerungsinterventionen rasch gesetzt und laufend nachjustiert werden könnten.  

"Controlling als Form der Selbst- und Umweltbeobachtung einer Organisation ist eine wesentliche Steuerungsvoraussetzung", erklärt Bauer weiter und gibt zugleich einen Überblick über die verschiedenen Handlungsfelder des Controllings: Kosten- und Leistungscontrolling stehen hier Investitions- und Produktionscontrolling gegenüber. Ebenso ist für die Bereiche Risiko, Marketing und Personal ein systemisches Controlling sinnvoll. Und auch die gesamte Organisationsentwicklung als zentrale Managementaufgabe benötigt Unterstützung durch Controlling.  

"Dies können einerseits Informationen zur Diagnose einer gegenwärtigen Problemlage in der Organisation und zur Entscheidungsvorbereitung für die Initiierung eines Veränderungsprozesses sein oder andererseits Maßnahmen des Prozesscontrollings, durch welche Prozesse der Organisationsentwicklung abgebildet, beurteilt und gegebenenfalls verbessert werden können", erklärt Soziologe Bauer. So könne Controlling mit Organisationsentwicklung auch Informationen über den Grad der Umsetzung von Entwicklungsvorhaben liefern.


Kritik an klassischen Controllingkonzepten


Und eben das unterscheidet das systemische Controlling von den bisherigen Ansätzen des klassischen Controllings oder der Balanced Scorecard. "Als generelle Kritik an klassischen Controllingkonzepten wäre anzusprechen, dass sie nicht auf einer generellen Organisationstheorie aufbauen oder in den Rahmen eines führungstheoretischen Ansatzes eingebunden sind", meint Bauer.  

Auch bemängelt der Autor, dass die klassischen Controllingkonzeptionen davon ausgehen, dass es eine äußere, vom Betrachter unabhängige Realität gebe. Sobald jedoch Controlling den Bereich der harten Fakten verlasse, werde schnell klar, dass Menschen eine unterschiedliche Sicht auf die gleiche Wirklichkeit haben. Und selbst harte Fakten ließen einen erheblichen Gestaltungsspielraum beim Controller, weil die errechneten Ergebnisse oft erheblich variieren, je nachdem, welche Annahmen den Berechnungen zugrunde liegen.


Ein neues Denken etablieren


Doch Bauer will nicht kritisieren, er will vor allem ein neues Denken etablieren - und das im luhmannschen Sinne. Denn die auf Kommunikation fokussierte Theorie, die ihren autopoietischen Systemen eine gewisse Autonomie zuspricht, ohne aber relevante Veränderungen in ihrer Umwelt zu ignorieren, scheint ihm am geeignetsten, das Controlling auf eine neue Stufe zu heben, auf der es sich von einer - in der Praxis nicht umsetzbaren - Rationalität abhebt. Dabei sind zwar erste Berührungspunkte mit Niklas Luhmanns Systemtheorie vorteilhaft, aber keine Voraussetzung. Denn Bauer versteht es, die komplexe Theorie in einfachen Worten zu erläutern - und gibt am Ende seiner Einführung seinen Lesern auch noch einige Erfolgsrezepte mit. Eines davon: Entspannen Sie sich!  

Kernaussage: Bei aller Kompaktheit gelingt es Günther Bauer in dieser Einführung, Controlling, Organisationsentwicklung und lernende Organisation in ein umfassendes Konzept von systemischem Management zu integrieren.  


Zitate


"Aufgrund der in den letzten Jahrzehnten immer weiter steigenden Geschwindigkeit von Veränderungen in der Umwelt ist es für Organisationen nicht nur erforderlich, sondern zunehmend erfolgskritisch, möglichst rasch mit internen Anpassungsprozessen zu reagieren. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer sehr kurz getakteten Kooperation zwischen Controlling und Führung." Günther Bauer: Einführung in das systemische Controlling

"In die Controllingkonzeption müsste die Erkenntnis einfließen, dass Systeme von außen grundsätzlich unsteuerbar sind, sich aber in Reaktion auf ihre Umwelt adaptiv verhalten müssen, um ihr Überleben zu sichern." Günther Bauer: Einführung in das systemische Controlling

"Systemische Controllingansätze müssten zugestehen, dass uns ein Zugang zu einer objektiven Realität nicht möglich ist." Günther Bauer: Einführung in das systemische Controlling

"Systemisches Controlling fügt sich in eine Konzeption des systemischen Managements, welches sein Handeln nach den Grundlagen des systemischen Paradigmas ausrichtet. Dabei spielen Beobachtung, Kommunikation, Reflexion, organisationales Lernen, Personal- und Organisationsentwicklung, Ergebnisorientierung und zirkuläre Steuerungsprozesse eine wesentliche Rolle." Günther Bauer: Einführung in das systemische Controlling

 

changeX 15.01.2016. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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Zum Buch

: Einführung in das systemische Controlling. Carl-Auer Verlag, Heidelberg 2015, 127 Seiten, 13.95 Euro, ISBN 978-3-8497-0076-8

Einführung in das systemische Controlling

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Autorin

Katharina Lehmann
Lehmann

Katharina Lehmann ist freie Journalistin in Berlin. Sie schreibt als freie Autorin für changeX.

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