Gründen – wieso?
Wussten Sie, dass Ableser, Ausbeiner, Besamungstechniker, Lohnschlächter und Zerleger sich nicht selbständig machen können? Wenn Ihnen das kaum weiterhilft – im hinteren Teil dieses Buches findet sich durchaus Anregendes zur Verfeinerung einer Geschäftsidee.
Gründen oder nicht? Wer noch Zeifel hegt und dieses Buch zur Hand nimmt, wird es höchstwahrscheinlich bleiben lassen. Denn was Michael Opoczynski, Redaktionsleiter des ZDF-Wiso-Magazins, und der Existenzgründungsberater Stefan Horn auf den ersten Seiten ihres Buches zusammengeschrieben haben, trägt eher den Charakter eines Abratgebers. Dabei ist doch nur gut gemeint, wenn die Autoren angehenden Gründern einen Schluss Realismus einflößen wollen. Doch im Ergebnis ist es fatal. Denn flugs stellen sie eine Liste der in der Tat oftmals wolkigen Vorstellungen, die junge Gründer mit ihre selbständigen Existenz verbinden, zusammen, um auf der nächsten Seite dann jeden einzelnen Punkt mit der harten Gründerrealität zu konfrontieren. Was im Einzelnen durchaus bedenkenswert ist – „dass man auch Misserfolge und Rückschläge hinnehmen muss“ zum Beispiel – verdichtet sich so aber zu einem Zerrbild der Selbständigkeit, das in der Summe einfach nur falsch ist.
Sicher, viele Gründer scheitern in den ersten Jahren, vielleicht auch deshalb, weil sie sich ein zu rosiges Bild ihrer selbständigen Existenz ausgemalt hatten. Ein Rat, Risiken und Schwierigkeiten beseite zu wischen, wäre da unverantwortlich. Aber Abschreckung ist so falsch wie Euphorisierung. Man sollte diese Seiten also als Crashkurs in Sachen Realismus nehmen – nicht als realistisches Bild der Selbständigkeit.
Eher abschreckend wirkt auch die geqälte Abhandlung über Berufstypen und die Möglichkeit, sich in den jeweiligen Bereichen selbständig zu machen. Auf die Information, dass Ableser, Ausbeiner, Besamungstechniker, Lohnschlächter und Zerleger grundsätzlich abhängig beschäftigt sind, hat das Gros der Gründungsinteressierten sicher schon sehnsüchtig gewartet. Gehen die Autoren im Ernst davon aus, jemand entscheide sich für eine Existenzgründung, um sich im nächsten Schritt dann den passenden Beruf auszusuchen? Diesen Eindruck vermittelt nicht nur dieses Buch. Diese komische Vorstellung findet sich auch in manch anderem Ratgeber.
Wirklich zur Lektüre empfehlen kann man dieses Buch ab Seite 99. Nach einem kurzen Interview mit dem Entrepreneurship-Papst Günter Faltin geht es dort um Geschäftsideen und wie man sie sucht, kopiert, variiert, differenziert, optimiert und sich mit ihnen spezialisiert. Genau dieses Arbeiten an der Geschäftsidee kommt in vielen Gründungsratgebern zu kurz oder wird instrumentell in eine Anleitung zum Verfassen eines Businessplans verpackt. Dieses Kapitel und die Abhandlung über Faktoren für den Erfolg oder Misserfolg von Unterenhmensgründungen machen manche Langweilerei im ersten Teil des Buches wieder wett.
Fazit: Eher durchwachsen. Das Label „... ein WISO-Ratgeber!“ mag den Verkauf ankurbeln, als Qualitätsgarantie taugt es nicht.
changeX 11.05.2010. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Zum Buch
Michael Opoczynski, Stefan Horn: WISO Existenzgründung. Campus Verlag, Frankfurt am Main / New York 2009, 208 Seiten, ISBN 978-3-593-38813-7
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Autor
Winfried KretschmerWinfried Kretschmer ist Autor, Redakteur & Macher bei changeX.