Vom Glück des Arbeitens
Living at Work-Serie | Folge 33 | - Johannes Busmann über die Frage, wie Spaß am Arbeiten und Büroimmobilien zusammenhängen.
Nach jahrzehntelangen funktionalen Diskussionen um das Thema Büro ist es nun Zeit, das Thema Lebensqualität und Arbeit in die Debatte einfließen zu lassen. Damit einher geht eine Wiederentdeckung der Innenstadt als Unternehmensstandort - die öden, standardisierten Büroviertel haben längst an Attraktivität verloren.
Seit vielen Jahren erlebe ich Diskussionen zum Thema Büro und Bürobauten mit - und ich halte diese Debatte für extrem funktional und technisch. Es ist zwar sinnvoll und richtig, dass man sich über funktionale Aspekte und deren Optimierung Gedanken macht - über Flexibilisierung, bestimmte Formen des Büros, der Grundrisse und so weiter. Aber ich habe den Eindruck, dass wir an diesen Punkten nicht mehr viel weiterkommen. Was in dieser ganzen Diskussion fehlt oder was wir neu entdecken müssen, ist die lebendige Qualität der Arbeit. Wie rückt sie wieder ins Bewusstsein? Ich glaube, wir gewinnen in Zukunft viel mehr, wenn wir darüber nachdenken, was uns Arbeit in unserem Alltag und in unserem Leben bedeutet. Es wächst allmählich die Einsicht, dass etwas anderes mit auf die Tagesordnung muss - dafür spricht schon das Thema der Orgatec, "Living at Work". Sie könnte der Beginn einer Debatte zum Thema Arbeiten sein, die wir in den nächsten Jahren wahrscheinlich häufiger führen werden und für die wir offen sein sollten. Doch bis zu einem echten Wandel muss noch einiges geschehen, denn wir haben in Deutschland auch das Arbeiten sehr lange funktionsorientiert betrachtet.
Viel zu funktionsorientiert.
Sicherlich spielt die fast
100-jährige Tradition der Moderne hier eine wesentliche Rolle.
Zur Moderne gehören Begriffe wie "Funktion" oder Haltungen wie
"form follows function" - das ist unser Konsens. Wir ordnen
unsere gesamte Lebenswelt funktional. Wir betrachten die Welt in
Funktionsordnungen, teilen sie ein in Verkehrsräume, Ladenraum,
Wohn- und Büroraum. Auch das Thema Büro wird in dieser Tradition
seit langem funktionsorientiert diskutiert. Wir sprechen von
Großraum-, Einzel- und Kombibüros und ständig neuen
Differenzierungen.
Doch das reicht nicht mehr aus, schon lange nicht mehr. Wir
arbeiten 40, 50 oder sogar 60 Stunden die Woche - und sollten
allmählich auch darüber nachdenken, was Arbeit für unser Leben
bedeutet. Wenn wir begreifen, dass das Arbeiten nicht ein
Verkaufen von Zeit bedeutet, sondern dass es um die
Verwirklichung unseres eigenen Lebens geht, gelangt eine andere
Fragestellung in diese Thematik.
Natürlich haben viele Menschen das bisher auch an den
Arbeitgeber delegiert. Nach dem Motto: "Sorgt ihr mal dafür, dass
die Büroräume in Ordnung sind, dass die Quadratmeter richtig
organisiert sind, dass wir auf richtigen Stühlen sitzen" und,
und, und. Das ist unsere Denkweise. Ist es aber nicht viel
wesentlicher, darüber nachzudenken, ob unser Arbeiten in ein
lebendiges Umfeld integriert ist? Rausgehen zu können, um kurz
einkaufen zu können oder einen kleinen Spaziergang durch die
Stadt zu machen. Sich ein Eis zu holen oder mit den
Arbeitskollegen mittags zum Spanier gehen zu können. Leider haben
wir auch den Stadtraum streng funktional organisiert:
Industriegebiete und Büroviertel auf der einen Seite, Stadt auf
der anderen Seite. Diese Büroviertel sind so entworfen, dass sie
funktional und monoton sind. Jetzt merken wir allmählich, wie
spannend und anregend es ist, Stadt, Arbeit und Leben zu
verbinden.
Arbeiten + Stadt = Zukunft.
In den 80er Jahren war es für die
Immobilienwirtschaft sehr bequem und einfach, neue Standorte zu
erschließen. Ihr Rezept war, auf der Fläche und an der Peripherie
ein klar umrissenes Format als Büroraum zu realisieren. Solche
standardisierten Immobilien wurden in den vergangenen Jahren in
Überfülle realisiert - und stehen heute oft leer. Die
Reaktivierung von Objekten in der Innenstadt ist im Vergleich
dazu lästig, weil man an solche Vorhaben differenzierter
herangehen muss. Aber es mag auch interessanter sein, sich ein
Objekt aus den 20er Jahren mit vier Meter Raumhöhe vorzunehmen,
denn daraus lassen sich ganz andere Raumqualitäten entwickeln.
Combi- oder Großraumbüros entstehen so ganz von selbst.
Das deutet schon an, dass wir uns von der Formatierung der
Büroimmobilien wegbewegen und uns Bestände vornehmen müssen. Wenn
wir uns mehr in Richtung Stadtraum bewegen, wenn wir
Reaktivierung als Potenzial wieder annehmen und uns zusätzlich
fragen, was das für das Arbeiten an sich bedeuten kann, rutschen
wir fast von selbst in eine andere, vielversprechende Diskussion.
Ich glaube, dass wir ohnehin vor einer Renaissance der
Innenstadt stehen, denn die Gravitation der Innenstadt ist
größer, als wir in den 80er Jahren gedacht haben. Damals, als der
Handel auf die "grüne Wiese" gegangen ist, sah man das Ende der
europäischen Stadt nah: "O Gott, die Städte zentrifugieren, sie
reißen auseinander." Doch zurzeit lernen wir den Erlebnisreichtum
der Innenstädte wieder schätzen. Er ist im positiven Sinne
chaotisch, weil er durch zahlreiche Zufälle geprägt ist. Der
Zufall aber ist bereichernd. Er bereichert das Leben, und die
Arbeit. In der Stadt kann einem hinter jeder Ecke ein vertrautes
Gesicht begegnen oder ein überraschendes Ereignis passieren.
Natürlich sucht die Immobilienwirtschaft verlässliche
Lagen. In den 90er Jahren konnte sie sich auf die peripheren
Lagen konzentrieren und in großer Zahl Neubauten realisieren. Die
gegenwärtige wirtschaftliche Situation setzt zahlreiche Nutzer
stark unter Druck und es fehlen für solche Objekte die
Nachmieter. Deshalb entsteht eine Gegenbewegung, sich wieder auf
beständige, werthafte Lagen zu konzentrieren - und das heißt
Innenstädte. Die Innenstadt Köln wird immer Innenstadt bleiben,
auch in 50 Jahren noch. Was die "gute Adresse" und die
Verkehrsanbindung angeht, ist die Innenstadt einfach optimal -
von dieser Standortbewegung wird auch das Arbeiten in Zukunft
profitieren.
Neu diskutieren über Qualität der Arbeit.
Jeder Arbeitgeber, ob nur Nutzer oder auch Investor, überlegt sich wohlweislich, wo er sein Investment "Büroimmobilie" künftig platzieren wird. Die Innenstadt bietet hier die attraktivsten Standorte und wird von der Immobilienwirtschaft in den letzten Jahren zunehmend nachgefragt. Die Arbeit wird durch diese Bewegung wieder in andere Zusammenhänge gestellt. Sie ist nicht mehr Ausdruck einer monofunktionalen Optimierung, sondern integriert sich wieder in die vielgestaltigen Abläufe des städtischen Lebens. Die einfachen Ordnungen der "modernen Stadt" weichen wieder den komplexen chaotischen Strukturen unserer "alten Innenstädte", die Grundlage aller Kreativität und Vitalität sind.
Übersicht aller bereits erschienenen Beiträge der "Living at Work-Serie".
English version: PDF-File.
Dr. Johannes Busmann ist Verleger und geschäftsführender Gesellschafter des Verlages Müller + Busmann KG. Er ist unter anderem Herausgeber der Zeitschriften "build - Das Architekten-Magazin" und "polis - Zeitschrift für Stadt und Baukultur".
Zum changeX-Partnerportrait: Koelnmesse GmbH.
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Vom 19. bis 23. Oktober 2004 |
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