Einander verstehen
Überzeugen ohne zu argumentieren - das neue Buch von Marion Recknagel.
Von Nina Hesse
Überzeugen ohne Argumente, das klingt auf den ersten Blick so sinnvoll wie fliegen ohne Flügel. Doch wer lernt, sich in den anderen hineinzudenken und durch Fragen seine Motivationen zu ergründen, der merkt schnell, dass er die Argumente eigentlich nicht mehr braucht - und der Gesprächspartner sich quasi selbst überzeugt. Dann geht es nur noch darum, gemeinsam möglichst kreativ nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen ... Ein praktischer Ratgeber jenseits von platten Rhetoriktipps.
Zwei Menschen. Zwei Standpunkte. Beide fahren gute Gründe auf, warum sie Recht haben. Die Diskussion dauert schon eine ganze Weile, aber eine Einigung ist nicht in Sicht. Kein Wunder, so Marion Recknagel. Allein mit Argumenten kann man niemanden überzeugen - so ihre These. Es bringt viel mehr, sich voll auf seinen Gesprächspartner einzustellen, seine Motive und Interessen ausführlich zu ergründen. Seine Einstellungen und Werte zu erforschen. Denn: "Das Geheimnis erfolgreicher Kommunikation liegt nicht in der Wahl der richtigen Worte, sondern in der Bereitschaft und dem wechselseitigen Bemühen, einander zu verstehen." Erst wenn man genau weiß, was der andere will, kann man eine gemeinsame Zielvereinbarung verhandeln, bei der (Ehresache) eine Win-Win-Situation herauskommt.
Das Problem beim klassischen Dialog: "Argumente erzeugen oft Gegenwehr und Gegenargumente statt Einsicht und Überzeugung", erklärt Recknagel. Wer schon einmal mit einem sehr von seiner Weltsicht überzeugten Menschen diskutiert hat, weiß sehr gut, was gemeint ist. Natürlich heißt das nicht, dass man komplett auf Argumente verzichten sollte. Wenn man Informationen hat, die der Gesprächspartner nicht kennt, sollte man sie ihm geben, so Recknagel.
Um den skeptischen Leser zu überzeugen, hat sie sich einen guten Trick einfallen lassen: Dialoge zwischen zwei fiktiven Figuren, die sowohl den Text des Buchs kommentieren und besprechen als auch die Methoden des Buchs gleich ausprobieren. Das ist lebendiger, als einfach nur Beispiele zu bringen. Nur die Namen "Franz" und "Emil" wirken arg altmodisch, und auch die Dialoge wirken gelegentlich etwas bieder.

Motivationen ergründen.


Das Gute an Recknagels Methode (die sie etwas sperrig "Individuelle Betrachtung im Dialog" getauft hat und die sich am berühmten Harvard-Konzept orientiert) ist, dass sie dann greift, wenn der Gesprächspartner Nein gesagt hat. Eine Chance gibt es jetzt noch, wenn der andere gesprächsbereit ist. Schaltet er komplett auf stur, läuft nichts. Wenn er jedoch überhaupt überzeugbar ist, dann überzeugt er sich am besten selbst. Die beste Taktik ist daher, Fragen zu stellen, die sich auf die Einwände des Gesprächspartners beziehen. Weil es so wichtig ist, aktiv zuzuhören und Fragen zu stellen, liefert Recknagel dafür ausführliche Anleitungen, Tipps und Checklisten für die Gesprächsvorbereitung.
Bei der ausführlichen "Erkundung" des Gegenübers stellen sich oft Aha-Effekte ein - denn viele Vermutungen stellen sich als falsch heraus, und oft fördert das Überprüfen und Fragen Überraschendes zu Tage. Also immer erst mal nach dem Warum fragen, bevor man ein Urteil fällt. Herausfinden, was die Beweggründe des Gesprächspartners sind.
Beispiel: Ein Vorgesetzter ärgert sich über die Unpünktlichkeit eines Mitarbeiters, weil er sie als Provokation empfindet. Schließlich spricht er mit seinem Mitarbeiter über das Thema - und es stellt sich heraus, dass der Mitarbeiter seine Tochter morgens zum Kindergarten bringen muss - und der macht erst um acht Uhr auf, was eigentlich auch Arbeitsbeginn des Mitarbeiters ist. Manchmal ist eine der Kindergärtnerinnen aber auch schon früher da, dann kann der Mitarbeiter pünktlich kommen. Was natürlich keine Lösung ist. Aber eine Lösung kann man finden, wenn man gemeinsam brainstormt ... je kreativer man ist, je mehr Möglichkeiten man sich einfallen lässt, desto leichter ist es, in dieser Phase zu einer Einigung zu kommen.

Richtig Ziele definieren.


Ein anderer wichtiger Punkt ist, Ziele zu definieren und einen Verhandlungsspielraum vorzugeben. Wenn Sie zum Beispiel einen Kollegen regelmäßig vertreten müssen, Ihnen das aber vom Chaos auf seinem Schreibtisch zum Alptraum gemacht wird, dann könnten Sie Ihr Ziel natürlich definieren als: "Ich will, dass mein Kollege Ordnung auf seinem Schreibtisch hält." Aber vielleicht hat er bereits eine (für ihn leicht, für Sie schwer durchschaubare) Ordnung? Viel besser ist, ganz konkret zu werden: "Mein Ziel ist es, mit Ihnen eine Vereinbarung zu treffen, wie sichergestellt werden kann, dass ich die erforderlichen Unterlagen finde, wenn ich Sie vertreten muss!" Der Vorwurf entfällt, es wird viel deutlicher, worum es geht, und sofort öffnet sich ein breiter Verhandlungsspielraum, den man für kreative Lösungsmöglichkeiten nutzen kann.
Wem das alles zu theoretisch vorkommt, der kann es gleich ausprobieren und auf diese Art einüben: Recknagels Buch hat wie die anderen Book@web-Bücher Internetanbindung: Auf der Book@web-Seite von GABAL können sich die Leser mit einem speziellen Passwort in einen interaktiven Workshop einloggen und ausprobieren, was sie gerade erfahren haben. Dort kann man unterschiedliche Kommunikationssituationen praktisch trainieren, seinen persönlichen Gesprächsstil testen, sich Gesprächsbeispiele als Audiotracks anhören, via Foren und Mail kommunizieren und Kontakt zur Autorin aufnehmen. Spätestens dann ist man bereit, die Methode in der "freien Wildbahn" auszuprobieren - daheim, im Büro, beim Kunden.

Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.

Marion Recknagel:
Überzeugen ohne zu argumentieren,
Reihe Book@web - inklusive Internetworkshop,
GABAL Verlag, Offenbach 2005,
109 Seiten, 17'90 Euro
ISBN 3-89749-511-2
www.gabal-verlag.de

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Zum Buch

: Überzeugen ohne zu argumentieren.. GABAL Verlag, Offenbach 1900, 109 Seiten, ISBN 3-89749-511-2

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