Die Sache mit dem X

Neugier auf ungewöhnliche Formate - ein Interview mit Jan Bathel

Aus dem MZW wurde mz-X, aus den X-Organisationen die x mess. Und da sind dann noch x treats. Klarheit über Ziele und Hintergründe dieses "x"-change bringt ein Interview mit dem Kurator des Management Zentrum X.

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Jan Bathel ist Kurator der Stiftung Management Zentrum X. Sein Ziel: Fragen nach neuen Formen von Organisation und (postheroischem) Management in neue Stiftungsformate, Kontexte und Träume zu übersetzen.
 

Herr Bathel, aus dem MZW wurde das mz-X, das Management Zentrum X, aus den X-Organisationen wird die x mess. Wie ist das zu verstehen? 

Nun, die schönste Verbeugung vor der langjährigen Tradition des MZW ist die bewusste Erneuerung dieses Projektes. Die ursprüngliche Idee war ja, Austauschplattform und Heimathafen für die systemische Beraterszene zu schaffen. Diesem Gedanken bleiben wir treu, erweitern ihn lediglich um zwei Aspekte: Zum einen signalisieren wir mit der Umbenennung, dass das Management Zentrum sich weniger über eine Universitätsanbindung definiert - in dem Fall also an die Privatuniversität Witten-Herdecke -, sondern sich stärker thematisch ausrichtet: Steht doch das "X" für die Beschäftigung mit einer unbekannten Zukunft, die sich unserer Überzeugung nach vor allem mit den Möglichkeiten des Mediums Computer auseinandersetzen muss. Und wir möchten deutlich machen, dass unsere Arbeit nicht an einen bestimmten Ort gebunden ist. Unsere Wurzeln sind in Berlin, aber wer sagt, dass wir unsere Zelte nicht auch mal in Beijing oder Vancouver aufschlagen könnten?
Zum Zweiten ist uns aufgefallen, dass ein Heimathafen durchaus an Attraktivität gewinnt, wenn dort Schiffe aus unterschiedlichen Ländern Anker werfen. Warum also nicht die Plattform für die systemische Beraterszene erweitern um Begegnungen mit anderen Communitys, mit anderen Knowledge Domains? Aktuell verfolgen wir etwa mit großer Neugier die Aktivitäten in der Design-Szene, haben Experten eingeladen, mit uns und unseren Beraterkollegen und -kolleginnen in unterschiedlichen Formaten das Potenzial dieser Ansätze auszuloten und nach Möglichkeiten zu suchen, wie man - mit Blick auf die strategische Ausrichtung des mz-X auf das Thema einer Next Society - gemeinsam ins Arbeiten kommt. Und das ist erst der Anfang ...
Parallel zum Umbau der Organisation haben wir neue Formate entwickelt, die als Gefäße für die unterschiedlichen inhaltlichen Themen dienen. So loten etwa die x treats das Spannungsfeld zwischen Design und Systemtheorie aus und haben dabei das Thema Innovation im Blick. In Kooperation mit dem Merve Verlag haben wir Lesungen mit unterschiedlichen Autoren angedacht, eine theorielastige "Summer School" in Zusammenarbeit mit der Zeppelin University in Friedrichshafen durchgeführt, die Revue für Postheroisches Management neu aufgemischt, und, bitte nicht vergessen: Wir sind mitten in den Vorbereitungen für die x mess, die als rundum erneuerte Biennale die Tradition der X-Organisationen weiterführt. Den aktuellen Stand des Programms, auf das wir wirklich stolz sind, finden Sie übrigens unter www.xmess.net im Internet ...
 

Und wie ist die Resonanz auf diese strategische Erneuerung? 

Ausgezeichnet! Wir waren selbst zunächst etwas skeptisch, ob wir uns da nicht zu viel vorgenommen haben, und ob all diese Änderungen auch auf Akzeptanz bei den vielen Wegbegleitern des MZW stoßen werden. Aber dank der vollen Unterstützung der ursprünglichen Gründer des MZW, der Professoren Rudi Wimmer, Fritz B. Simon und Dirk Baecker, sind diese Bedenken rasch zerstreut worden. Mittlerweile haben wir viel Zuspruch und Unterstützung von allen möglichen Seiten, sind im intensiven Austausch mit spannenden Menschen, haben viele neue Kooperationspartner gewonnen und freuen uns sehr, dass dieser neue Kurs mehr und mehr an Attraktivität gewinnt. Wir sehen, dass sich tatsächlich lebendige Communitys um die einzelnen Themenschwerpunkte finden, die den Austausch zu den zukünftigen Entwicklungen von Organisationen und ihrem Management sehr bereichern. Das ist schon ein geiles Gefühl.
 

Welches waren die Beweggründe für diesen "x"-change? 

Uns schien die Erweiterung der bestehenden systemischen Community eine sinnvolle Sache zu sein. Die Suche nach anregenden Impulsen, mit denen die Neugier jedes systemischen Beraters, jeder Beraterin gestillt werden kann, der Blick über den eigenen Tellerrand als Grundhaltung für innovative Formate und Begegnungen, die Ergänzung des Labels "systemisch" durch einen inhaltlichen Themenfokus und die eigene Verwunderung über all die Risiken und Nebenwirkungen dieser nächsten Gesellschaft, die noch auf keinem Beipackzettel zu finden sind, aber Organisationen und ihre Manager doch mächtig auf Trab bringen - all das waren Gründe für diesen Neuanfang. Nach zehn Jahren erfolgreicher Arbeit über die eigene Selbsterneuerung nachzudenken, und dabei den einen oder anderen Schwerpunkt neu auszurichten - wenn Sie mich fragen: Das war fast schon überfällig.
 

Sie hatten bereits die x mess erwähnt, den Nachfolger der X-Organisationen. x mess, das klingt ein bisschen nach Weihnachten, der Termin im November ist dafür aber noch zu früh. Was können wir uns unter dem neuen Veranstaltungsformat vorstellen? Was wird anders werden? Und was bleibt gleich? 

Gleich bleibt auf jeden Fall die Neugier auf ungewöhnliche Formate, interessante Begegnungen und gehaltvolle Inhalte. Der Titel selbst ist in einem Brainstorming entstanden, bei dem wir über das Durcheinander in Organisationen gestolpert sind. Irgendjemand erzählte von einem Beratungsprojekt, und wie "messy" die Zustände in Großorganisationen sind: Viel geht durcheinander, ständige Umstrukturierungen, die Leute sind auf der Suche nach Orientierung - und plötzlich stand der Titel der Biennale im Raum: x mess. Und natürlich sind die Unordnung in Organisationen, der Verlust der "großen Erzählungen", die überraschenden Nachbarschaften, die jenseits definierter Schnittstellen zwischen Funktionsbereichen, Systemlogiken et cetera für große Augen bei den Beteiligten sorgen, ein Kennzeichen der nächsten Gesellschaft, die ganz ohne Mitte auskommen muss, die Sinn stiftet und somit für Ordnung sorgt.
Nicht zuletzt steckt im Wort dann auch noch die Messe, die man feiert. Fragt sich nur, welche? Und wer schaut zu, wer macht mit? Unsere Idee ist schon, diese beiden Aspekte während der x mess erlebbar zu machen: die überraschenden Nachbarschaften ebenso wie das Feiern, die Zusammenschau von Denkansätzen und "Communities of Practice" ebenso wie das Durcheinander einer Feldforschung, die sich nicht mehr auf sicherem Terrain weiß. Ich bin sehr gespannt, wie dieses Konzept aufgehen wird. Bei all dem Aufwand, den wir bislang mit dem gesamten Team in die Vorbereitungen gesteckt haben, sollte das eigentlich klappen. Aber sicher weiß man das natürlich erst, wenn die Tage vorbei sein werden. Und dann wird es wahrscheinlich tatsächlich schon Weihnachten sein ...
 

Dann gibt es ja noch die x treat, im September schon zum dritten Mal. Was läuft da?  

Im Rahmen der dritten x treat mit dem schönen Titel "Open Innovation Design" möchten wir die vielen Fragen nach den Gestaltungsmöglichkeiten von "Innovation Ecologies" in den Mittelpunkt unserer Überlegungen stellen. Uns ist nämlich aufgefallen, dass in Unternehmen zwar viel über Open Innovation gesprochen wird - das heißt die Öffnung des gesamten Innovationsprozesses, der über die eigenen Organisationsgrenzen hinaus mit anderen Unternehmen gestaltet wird -, dass es dabei aber wenig Erfahrungen mit der Steuerung, oder besser dem Design solcher Innovationscluster, gibt. Zumindest kam es uns so vor in den Gesprächen, die wir zu diesem Thema geführt haben. Wenn Unternehmen sich mit der Idee der Erneuerung in solchen Netzwerken bewegen, dann wäre es ja klug, die Spielregeln zu kennen, mit denen eine sicher nicht immer einfache Zusammenarbeit gefördert und gelenkt werden kann. Wir haben dazu Experten aus unterschiedlichen Kontexten eingeladen - etwa der Großindustrie, aber auch der sogenannten Kreativwirtschaft, mit denen wir uns zu diesen Aspekten austauschen wollen.
Und wir freuen uns besonders, dass es uns gelungen ist, einen Film über das Leben und die Arbeit von Gregory Bateson an Land zu ziehen. Bateson darf ja durchaus als Übervater der Idee ökologischer Zusammenhänge gelten, dem ungeordneten, und doch notwendigen Zusammenspiel einzelner Einheiten, die aufeinander Rücksicht nehmen (müssen), ohne sich im Einzelnen zu verstehen. Wenn das übrigens keine gute Beschreibung der Herausforderungen einer Next Society ist, dann weiß ich nicht ...
 

Noch ein Wort zu Ihnen, Herr Bathel. Sie nennen sich Kurator. Was kuratieren Sie? 

Letzten Endes geht es um den Aufbau einer Community um das "X" des mz-X. Eine Community, die sich der eigenen systemtheoretischen Ressourcen vergewissert und gleichzeitig keine Probleme damit hat, sich neuen Domains und Denktraditionen zu öffnen. Diese Kirchenbildung um bestimmte Schulen und Denkansätze ist doch ziemlich nervig - vor allem wenn man sich die Inhalte anschaut, die immer respektvoll und neugierig auf benachbarte Theorieressourcen schielen und diese auch in das eigene Denken einbeziehen. Was wäre Luhmann ohne Kybernetik, ohne Konstruktivismus, ohne Evolutionstheorien, Hirnphysiologie - um nur ein Beispiel zu nennen.
Wie man so eine gezielte Öffnung organisiert, ohne dabei in ein babylonisches Sprachgewirr zu verfallen, das interessiert mich. Wie müssen entsprechende Formate gestrickt werden, mit denen solche Interfaces ihr Potenzial entfalten können? Sich einfach nur gemeinsam an einen Tisch zu setzen, und auf wechselseitiges Interesse zu bauen, ist hilfreich, aber vielleicht auch etwas naiv ... In der ersten Jahreshälfte habe ich mich jedoch schwerpunktmäßig und gemeinsam mit Bernhard Krusche um die entsprechenden organisatorischen Leitplanken des mz-X gekümmert. Stiftungsgründung, inhaltliche Programmatik und Teamaufbau standen hier im Vordergrund. Mit der x mess stehen nun erste Formatfragen an, die kuratiert werden wollen. Wie viel "Konferenz" verträgt das Format? Welche Arbeitssettings müssen aus dem Hut gezaubert werden, damit solche überraschenden Begegnungen nichts von ihrer Frische und Neugier verlieren, ohne jedoch belanglos zu werden? Welche künstlerischen, aber auch gesellschaftspolitischen Fragestellungen sind im Blick zu behalten, damit bei der Arbeit an den Fragen nach neuen Organisationsformen und einem Management 2.0 genug Fantasie, aber natürlich auch genug Bodenhaftung entsteht, um sowohl anschlussfähig als auch ausreichend innovativ zu werden? Ich glaube, dass hier eine Menge wirklich spannender Arbeit auf uns wartet. Das Team jedenfalls ist gut infiziert mit all diesen Überlegungen - wir werden ja sehen, welche dieser Funken dann letztendlich auf die unterschiedlichen Communitys überspringen werden. Und was das dann wiederum auslösen wird.
 


changeX 09.09.2011. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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