Gesucht: eine neue Form von Wohlstand
Nach uns die Zukunft, das neue Buch von Wolfgang Sachs.
Ein nachhaltiger Umgang mit den natürlichen Ressourcen ist noch immer eher ein schöner Traum als gelebte Praxis. Jetzt, wo Amerika sich aus vielen internationalen Abkommen ausklinkt, sollte Europa mutig die ökologische Führerschaft übernehmen, fordert der Ökologe und Soziologe Sachs. Er macht unmissverständlich klar: Wenn Gerechtigkeit und Ökologie auf der Strecke bleiben, hat die Weltgesellschaft von morgen keine Zukunft.
Zehn Jahre Rio-Konferenz und ein neuer Umweltgipfel in Johannesburg - das war im letzten Jahr eine hervorragende Gelegenheit, Bilanz zu ziehen. Eine Flut von Literatur zum Thema Nachhaltigkeit überschwemmte den Buchmarkt. Doch manche Titel ragten aus der Masse heraus: Vor kurzem wurde Nach uns die Zukunft von Wolfgang Sachs von der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen in Salzburg unter die "Top Ten der Zukunftsliteratur 2002" eingeordnet. Sachs ist Soziologe und Ökologe, seit 1993 Wissenschaftler am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie und seit 1994 Aufsichtsratsvorsitzender von Greenpeace Deutschland. Noch dazu kann er exzellent schreiben. Nach uns die Zukunft ist eine elegant geschriebene Analyse über die Zukunftsfähigkeit der globalen Gesellschaft, man kann es sowohl Kennern der Materie als auch zum Einlesen ins Thema empfehlen. Sachs bringt die Themen gekonnt auf den Punkt und spart nicht mit deutlichen Worten. Gerechtigkeit und Ökologie sind die beiden Eckpunkte, um die es ihm geht - für ihn sind die beiden Bereiche eng verknüpft. Seine These: Ohne Beachtung der Ökologie gibt es keine Gerechtigkeit und umgekehrt.
Die Schattenseiten von Entwicklung, Wachstum, Globalisierung.
Kritisch und fundiert stellt Sachs
die Leitkonzepte von Rio - Nachhaltigkeit und Entwicklung - auf
den Prüfstand. Zum Optimismus besteht für ihn kein Anlass, seinem
Eindruck nach ist es nach Rio stetig abwärts gegangen mit der
Nachhaltigkeit. Und das trotz all des Agenda-21-Trubels, fragt
der interessierte Leser enttäuscht. Sachs gehört nicht zu denen,
die blind auf die Globalisierung eindreschen, er macht nur darauf
aufmerksam, dass dieser Gegentrend viel zunichte gemacht hat, was
durch Rio in Bewegung geraten war. Denn die Gleichung Wachstum =
Gerechtigkeit hat sich als allzu naiv herausgestellt.
Entwicklung? Ein Mythos, stellt Sachs fest, und oft geradezu
schädlich: "Sie verwandelte bescheiden lebende Menschen in
verelendete Arme, während sich eine Minderheit besser stellte."
Effizienzeffekte gesteht er der Globalisierung gerne zu, nur
wurden, wie er hinweist, Effizienzgewinne in der Geschichte der
Industriegesellschaft mit schöner Regelmäßigkeit in neue
Expansion umgewandelt. Das Wachstum zehrte den Effizienzgewinn
auf, von einer nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen
kann nicht die Rede sein.
Und doch setzt die Wirtschaft noch immer auf Wachstum und
vertraut darauf, dass er alles wieder ins Lot bringt.
"Mittlerweile nimmt der Wachstumsoptimismus pathologische Züge
an", kritisiert Sachs. Politik, Wissenschaft und Technik dienen
immer weniger der Wohlstandsvermehrung, sondern zunehmend der
Krisenvermeidung. Und lassen sich dafür hemmungslos feiern.
Nettes Beispiel: Gentech-Konzerne präsentieren sich als Retter,
versprechen globale Probleme wie Hunger und Mangelernährung zu
lösen. "Krise und Katastrophe, Risiko und Knappheit werden zur
Quelle von Prestige, Profit und Macht von eben jeden
Institutionen - Wissenschaft, Wirtschaft und Staat - die sie zu
einem guten Teil hervorgebracht haben und immer noch
hervorbringen", ist Sachs' bitteres Fazit.
Fairness zwischen Nord und Süd.
Unter diesen Bedingungen ist der
Ausgleich zwischen Nord und Süd, ist Gerechtigkeit für die
ärmeren Länder natürlich noch längst nicht in Sicht. Auch wenn
Pharmakonzerne im Streit um Patentrechte für uralte Heilmethoden
und -pflanzen in den letzten Jahren immer häufiger gezwungen
werden, ihren Profit mit den Naturvölkern zu teilen. Beim Kampf
um den knappen Umweltraum ziehen besagte Völker immer noch
regelmäßig den Kürzeren. Denn überall dort, wo Menschen in Armut
leben und um ihr Überleben kämpfen, sind sie gezwungen, ihren
Lebensraum gnadenlos auszubeuten und die Ressourcen an reichere
Länder zu verkaufen. Das betrifft die lebenden Ressourcen weit
mehr als die fossilen. Auch Abkommen, die wirtschaftlich und
ökologisch gerechtere Verhältnisse schaffen könnten, sind bisher
kaum zustande gekommen. Mit gutem Grund, so Sachs: "Was der
Norden vorschlägt, ist eine gespaltene Globalisierung: Er
verlangt freien Zugang von Gütern und Kapital zu den südlichen
Märkten, beschränkt jedoch den Zugang der südlichen Güter und
Menschen zu den nördlichen Märkten. Mit anderen Worten: Der
Norden heuchelt."
Wenn es nicht gelingt, zu Vereinbarungen zu kommen, die der
Süden als fair empfindet, bleibt die Nachhaltigkeit auf der
Strecke. Doch seit sich Amerika aus fast allen globalen Abkommen
ausgeklinkt hat, sieht es schlechter aus denn je. Man wird sich,
so Sachs, von der Hoffnung auf globale Lösungen verabschieden
müssen. Stattdessen könnte Europa sich mit ausgewählten
Südländern einigen. Europa könnte eine mutige ökologische
Führerschaft übernehmen. Es muss sich nur trauen. Vielleicht
liegt gerade in der Abkopplung von Amerika die Chance, stärker zu
den eigenen Werten zu stehen und sich dafür einzusetzen?
Für die südlichen Länder ist, so Sachs, die
Herausforderung, auf umwelt- und armenfreundliche Wachstumsmuster
zu setzen und dabei wenn möglich die industrielle Revolution
auszulassen, durch die sich die nördlichen Länder kämpfen
mussten. Ein Vorschlag, der ein klein wenig utopisch klingt - und
positive Beispiele, dass so etwas machbar ist, bleibt Sachs
schuldig. Verständlich. Aus den Fehlern der Vergangenheit zu
lernen scheint nicht leicht zu sein,
quick & dirty zum Erstwelt-Wohlstand ist zur Zeit noch
die bevorzugte Variante.
Ausweg: bessere Lebensmodelle.
Im dritten Teil des Buches zeichnet Wolfgang Sachs die Umrisse eines neuen Wohlstandsmodells, das auf internationale Gerechtigkeit und klugen Umgang mit der Natur setzt. Wer die Prinzipien und Thesen des Wuppertal Instituts kennt, dem wird Sachs' Lösungsweg aus dem Dilemma bekannt vorkommen. Er schlägt alternative Lebensmodelle vor, durch die bei gleicher Lebensqualität weniger Ressourcen verbraucht werden. Langsamkeit und Mäßigung als neue Ideale, einen Abschied von der Geschwindigkeitsutopie. Das sind sympathische Ziele, und gerade zur Zeit werden sie auf offene Ohren stoßen. Denn das Bedürfnis nach Einfachheit ist groß und die Krise macht den Schritt zu einem bescheideneren Leben fast schon zu einer Notwendigkeit. Aber wird das für eine wirkliche Wende reichen, wenn die Wirtschaft gleichzeitig mit der geballten Macht der Werbung immer noch Luxus, Coolness, immer neue und immer überflüssigere Produkte pusht?
Wolfgang Sachs:
Nach uns die Zukunft.
Der globale Konflikt um Gerechtigkeit und Ökologie,
2. Auflage, Brandes & Apsel, Frankfurt 2003,
215 Seiten, 19 Euro,
ISBN 3-86099-234-1
www.brandes-apsel-verlag.de
Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.
© changeX Partnerforum [26.05.2003] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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