Zuhören, Chef!

Coaching als Führungsinstrument - das neue Buch von Ulrich und Renate Dehner.

Von Nina Hesse

Führen durch Fragen - das ist das Prinzip des Coachings. Dem Mitarbeiter zu helfen, selbst auf die Lösung zu kommen, und ihn dabei zu begleiten. Doch die psychologischen Fallstricke bei dieser Führungsmethode sind zahlreich, und die Voraussetzungen dafür hoch.

Gelesen hat jeder schon mal etwas über coachende Führung. Sogar Manager, die bei ihren Mitarbeitern als Tyrannen gefürchtet sind, können fließend darüber parlieren, wenn sie gerade mit ihrer Selbstdarstellung beschäftigt sind. Das Problem ist wie üblich: Wissen ist nicht gleich umsetzen. Selbst wenn der gute Wille da ist. Schon wenn man fragt, was Coaching in der Praxis bedeutet, wie man es genau anpackt, bekommt man vermutlich bei vielen ein "Tjaaaa ..." oder ein gekonntes Ausweichmanöver zu hören. Hier kommt der Psychologe Ulrich Dehner ins Spiel, Lesern schon bekannt durch seinen hervorragenden und zudem sehr unterhaltsamen Ratgeber Die alltäglichen Spielchen im Büro. Auch diesmal geht es um Rollenmuster und wie man sie zum beiderseitigen Vorteil verändert - denn das ist der Wesenskern des Mitarbeitercoachings. "Coaching ist die effektivste Form, wie Sie als Führungskraft Ihre Mitarbeiter weiterentwickeln können", sind Ulrich und Renate Dehner überzeugt. Man muss zwar zunächst Zeit investieren, aber letztlich wirkt sich das positiv auf den Unternehmenserfolg aus. Zumindest, wenn die Führungskraft weiß, was sie tut, denn "selbst gestricktes Coaching kann Schaden anrichten!", so die Autoren. In ihrem neuen Buch findet sich das nötige Instrumentarium, um die Sache gleich richtig anzupacken.

An den Herausforderungen wachsen.


Um zu begreifen, was Coaching eigentlich bedeutet, ziehen sie das Bild eins Sporttrainers heran: Ein guter Coach gibt nicht nur Tipps, sondern analysiert die Schwachstellen, erarbeitet ein Trainingsprogramm, übt mit dem Schutzbefohlenen und lässt ihn mit dem Gelernten Erfahrungen machen. Das, so geben die Dehners zu bedenken, sollte aber nicht zum Dauerhändchenhalten ausarten. Aber wenn es darum geht, ein eng umrissenes Problem zu bearbeiten oder eine schwierige Situation zu bewältigen, ist es optimal. Denn in schwierigen Situationen hat der Mitarbeiter die Chance, an der Herausforderung zu wachsen. So funktioniert es konkret: Erst einmal sollte die Führungskraft viele Fragen stellen, um das Problem genau zu erfassen. Dann leitet man den Mitarbeiter an, eine Bewältigungsstrategie zu entwickeln. Anschließend gilt es, "Maßnahmencontrolling" zu betreiben - hat der Mitarbeiter es geschafft, das Problem in den Griff zu bekommen.
Wichtig ist, dass der Chef der Versuchung widersteht, sich selbst aufs Spielfeld zu begeben und die Sache in die Hand zu nehmen. Er muss - auch wenn's schwer fällt - den Mitarbeiter seine Aufgabe alleine machen lassen. Sonst lernt derjenige nämlich nichts. Im Gegenteil, er büßt an Selbstvertrauen ein. Bewältigt er jedoch durch die gezielte Förderung durch den Boss das Problem selbst, entwickelt er sich weiter und wird nach und nach immer anspruchsvollere Aufgaben übernehmen können. Das Prinzip ist also: "Die Führungskraft wendet ihre Zeit nicht mehr auf, um überall, wo es brennt, selbst einzugreifen, sondern investiert kurzfristig möglicherweise mehr Zeit, um in Zukunft Mitarbeiter zu haben, die Probleme eigenverantwortlich lösen." Eigentlich eine tolle Sache. Der Chef arbeitet daran, sich überflüssig zu machen, und alle sind glücklich. Nicht zuletzt die Familie des Managers, weil ihr armer, gestresster Brötchenverdiener vielleicht nicht mehr ganz so gestresst ist. Schon nach wenigen Wochen zahlt sich, so die Dehners, das neue Führungsprinzip aus. Auch die Ursachen regelmäßig auftretender Fehler können durch ein Coaching erkannt und behoben werden. Selbst wenn sie das Sozialverhalten betreffen.

Psychologisches Hintergrundwissen.


Doch was erstmal hübsch rosig klingt, ist in der Praxis eine Sache, die Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen voraussetzt. Führungskräfte, die schlecht zuhören können, brauchen eigentlich gar nicht erst zur Coaching-Session anzutreten. Eine der psychologischen Fallen, die auftreten können: Um nicht schlecht dazustehen, spielt der Mitarbeiter im Gespräch seine Schwächen herunter oder leugnet sie ganz. Das kann den Chef veranlassen, diese Schwächen stärker zu betonen, was wiederum die Angst des Mitarbeiters verstärkt, schlecht beurteilt zu werden. Ruck, zuck hat sich ein Teufelskreis gebildet. Deshalb ist es wichtig, von Schwächen und Stärken zu reden.
"Entscheidend für das Gelingen eines Coachings ist die innere Haltung des Vorgesetzten", erklären die Dehners. "Es hat keinen Sinn, wenn man den Mitarbeiter schon abgeschrieben hat. Das wird zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung." Die Führungskraft muss also auch den Mut haben, eigene Vorurteile kritisch zu hinterfragen. Und an einem gewissen Punkt stößt das Coaching auch an seine Grenzen: "Es ist extrem schwer, wenn nicht unmöglich, jemanden zu coachen, zu dem man ein schlechtes Verhältnis hat. Das geht nur mit externer Supervision, die zum Beispiel Projektionen aufdeckt."
Damit der Leser nicht in einem Meer unendlich komplizierter seelischer Befindlichkeiten untergeht, liefern die Dehners praktischerweise eine ganze Menge psychologisches Hintergrund- und Praxiswissen mit. Transaktionsanalyse, implizite Botschaften, psychologische Spiele, innerer Bezugsrahmen, Reframing, Drama-Dreieck, innere Antreiber, richtig Feedback geben, richtige Fragetechniken - danach ist der Leser im Idealfall voll im Bilde und fühlt sich bereit für seine erste Coaching-Sitzung. Doch selbst dann kann die Sache noch in die Hose gehen. Denn jetzt gilt es, noch eine enorme innere Hemmschwelle zu überwinden. Viele Menschen, nicht nur Chefs, zögern, ehrliches Feedback zu geben - aus Angst, den Mitarbeiter zu verletzen. Zum Glück geben die Dehners auch noch Tipps für den Umgang mit typischen Stolpersteinen beim Coaching.
Mit dieser Anleitung in der Hand fehlt der zukünftigen Führungskraft eigentlich nur noch eins: Übung. Dann steht seiner eigenen Entwicklung zu einem richtig guten Chef nichts mehr im Wege.

Lesen Sie dazu:
Der Manager als Coach
Wie man Mitarbeiter nicht nur fordert, sondern fördert - ein Gespräch mit Ulrich Dehner.

Ulrich und Renate Dehner:
Coaching als Führungsinstrument.
So fördern Sie Mitarbeiter in schwierigen Situationen.

Campus Verlag, Frankfurt/New York 2004,
216 Seiten, 24.90 Euro,
ISBN 3-593-37305-X,
www.campus.de

Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.

Zum changeX-Partnerportrait: Campus Verlag.

© changeX Partnerforum [07.07.2004] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.


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Zum Buch

: Coaching als Führungsinstrument. . So fördern Sie Mitarbeiter in schwierigen Situationen. . Campus Verlag, Frankfurt/New York 1900, 216 Seiten, ISBN 3-593-37305-X

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