Zuhören, Chef!
Coaching als Führungsinstrument - das neue Buch von Ulrich und Renate Dehner.
Führen durch Fragen - das ist das Prinzip des Coachings. Dem Mitarbeiter zu helfen, selbst auf die Lösung zu kommen, und ihn dabei zu begleiten. Doch die psychologischen Fallstricke bei dieser Führungsmethode sind zahlreich, und die Voraussetzungen dafür hoch.
An den Herausforderungen wachsen.
Um zu begreifen, was Coaching
eigentlich bedeutet, ziehen sie das Bild eins Sporttrainers
heran: Ein guter Coach gibt nicht nur Tipps, sondern analysiert
die Schwachstellen, erarbeitet ein Trainingsprogramm, übt mit dem
Schutzbefohlenen und lässt ihn mit dem Gelernten Erfahrungen
machen. Das, so geben die Dehners zu bedenken, sollte aber nicht
zum Dauerhändchenhalten ausarten. Aber wenn es darum geht, ein
eng umrissenes Problem zu bearbeiten oder eine schwierige
Situation zu bewältigen, ist es optimal. Denn in schwierigen
Situationen hat der Mitarbeiter die Chance, an der
Herausforderung zu wachsen. So funktioniert es konkret: Erst
einmal sollte die Führungskraft viele Fragen stellen, um das
Problem genau zu erfassen. Dann leitet man den Mitarbeiter an,
eine Bewältigungsstrategie zu entwickeln. Anschließend gilt es,
"Maßnahmencontrolling" zu betreiben - hat der Mitarbeiter es
geschafft, das Problem in den Griff zu bekommen.
Wichtig ist, dass der Chef der Versuchung widersteht, sich
selbst aufs Spielfeld zu begeben und die Sache in die Hand zu
nehmen. Er muss - auch wenn's schwer fällt - den Mitarbeiter
seine Aufgabe alleine machen lassen. Sonst lernt derjenige
nämlich nichts. Im Gegenteil, er büßt an Selbstvertrauen ein.
Bewältigt er jedoch durch die gezielte Förderung durch den Boss
das Problem selbst, entwickelt er sich weiter und wird nach und
nach immer anspruchsvollere Aufgaben übernehmen können. Das
Prinzip ist also: "Die Führungskraft wendet ihre Zeit nicht mehr
auf, um überall, wo es brennt, selbst einzugreifen, sondern
investiert kurzfristig möglicherweise mehr Zeit, um in Zukunft
Mitarbeiter zu haben, die Probleme eigenverantwortlich lösen."
Eigentlich eine tolle Sache. Der Chef arbeitet daran, sich
überflüssig zu machen, und alle sind glücklich. Nicht zuletzt die
Familie des Managers, weil ihr armer, gestresster
Brötchenverdiener vielleicht nicht mehr ganz so gestresst ist.
Schon nach wenigen Wochen zahlt sich, so die Dehners, das neue
Führungsprinzip aus. Auch die Ursachen regelmäßig auftretender
Fehler können durch ein Coaching erkannt und behoben werden.
Selbst wenn sie das Sozialverhalten betreffen.
Psychologisches Hintergrundwissen.
Doch was erstmal hübsch rosig
klingt, ist in der Praxis eine Sache, die Fingerspitzengefühl und
Einfühlungsvermögen voraussetzt. Führungskräfte, die schlecht
zuhören können, brauchen eigentlich gar nicht erst zur
Coaching-Session anzutreten. Eine der psychologischen Fallen, die
auftreten können: Um nicht schlecht dazustehen, spielt der
Mitarbeiter im Gespräch seine Schwächen herunter oder leugnet sie
ganz. Das kann den Chef veranlassen, diese Schwächen stärker zu
betonen, was wiederum die Angst des Mitarbeiters verstärkt,
schlecht beurteilt zu werden. Ruck, zuck hat sich ein
Teufelskreis gebildet. Deshalb ist es wichtig, von Schwächen
und Stärken zu reden.
"Entscheidend für das Gelingen eines Coachings ist die
innere Haltung des Vorgesetzten", erklären die Dehners. "Es hat
keinen Sinn, wenn man den Mitarbeiter schon abgeschrieben hat.
Das wird zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung." Die
Führungskraft muss also auch den Mut haben, eigene Vorurteile
kritisch zu hinterfragen. Und an einem gewissen Punkt stößt das
Coaching auch an seine Grenzen: "Es ist extrem schwer, wenn nicht
unmöglich, jemanden zu coachen, zu dem man ein schlechtes
Verhältnis hat. Das geht nur mit externer Supervision, die zum
Beispiel Projektionen aufdeckt."
Damit der Leser nicht in einem Meer unendlich komplizierter
seelischer Befindlichkeiten untergeht, liefern die Dehners
praktischerweise eine ganze Menge psychologisches Hintergrund-
und Praxiswissen mit. Transaktionsanalyse, implizite Botschaften,
psychologische Spiele, innerer Bezugsrahmen, Reframing,
Drama-Dreieck, innere Antreiber, richtig Feedback geben, richtige
Fragetechniken - danach ist der Leser im Idealfall voll im Bilde
und fühlt sich bereit für seine erste Coaching-Sitzung. Doch
selbst dann kann die Sache noch in die Hose gehen. Denn jetzt
gilt es, noch eine enorme innere Hemmschwelle zu überwinden.
Viele Menschen, nicht nur Chefs, zögern, ehrliches Feedback zu
geben - aus Angst, den Mitarbeiter zu verletzen. Zum Glück geben
die Dehners auch noch Tipps für den Umgang mit typischen
Stolpersteinen beim Coaching.
Mit dieser Anleitung in der Hand fehlt der zukünftigen
Führungskraft eigentlich nur noch eins: Übung. Dann steht seiner
eigenen Entwicklung zu einem richtig guten Chef nichts mehr im
Wege.
Lesen Sie dazu:
Der Manager als Coach
Wie man Mitarbeiter nicht nur fordert, sondern fördert - ein
Gespräch mit Ulrich Dehner.
Ulrich und Renate Dehner:
Coaching als Führungsinstrument.
So fördern Sie Mitarbeiter in schwierigen Situationen.
Campus Verlag, Frankfurt/New York 2004,
216 Seiten, 24.90 Euro,
ISBN 3-593-37305-X,
www.campus.de
Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.
Zum changeX-Partnerportrait: Campus Verlag.
© changeX Partnerforum [07.07.2004] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Zum Buch
Ulrich und Renate Dehner: Coaching als Führungsinstrument. . So fördern Sie Mitarbeiter in schwierigen Situationen. . Campus Verlag, Frankfurt/New York 1900, 216 Seiten, ISBN 3-593-37305-X
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