Blamier dich täglich!
Der erste Teil des Buches soll die
Augen öffnen für die Bedeutung von Beziehungen. Jeder von uns
lebt in einem Geflecht von Verbindungen zu anderen Menschen. Sie
alle für seine Zwecke einzuspannen ist allerdings nicht Sinn der
Sache: "Beim Relating geht es um den absichtslosen, um den
authentischen und personalen Beziehungsaufbau zu Menschen",
erklären die Autoren zur Überraschung des Lesers. Selbst wenn man
dem Kunden einen Gefallen tut, sollte man das aus Freude tun und
aus keinem anderen Grund. Ganz so absichtslos ist das Networking
in der Praxis sicher selten. Denn ob man mit Kunden zu tun hat,
mit Kollegen oder mit Leuten, die man gerne in seinem
Freundeskreis hätte - gute Beziehungen baut man auf, weil man
sich etwas davon verspricht. Auch wenn es "nur" darum geht, einen
Kontakt zu netten Menschen zu bekommen, mit denen man in den
Biergarten gehen kann. Doch gemeint haben die Autoren das Ganze
natürlich anders. "Relating heißt: nützlich zu sein, ohne
direkten Gegennutzen zu erwarten", erklären sie. Denn spürt der
andere die Absicht, ist er verstimmt, das hat Goethe wunderbar
auf den Punkt gebracht.
Behutsam - mit Erklärungen, Beispielen und ersten Übungen -
beginnen die Autoren mit ihrem Programm. Es geht darum, die
eigenen Einstellungen zum Kontakt mit anderen Menschen zu
überprüfen und, wenn nötig, an ihnen zu arbeiten. Meist liegt es
an Grundüberzeugungen, Strategien und Verhaltensmustern, die wir
schon in der Kindheit entwickelt haben, wie wir uns als
Erwachsene anderen gegenüber verhalten. Ein nicht gerade idealer
"Relater" ist jemand, der sich im Laufe der Zeit zu einem
"Problemdenker" oder "Sorgendenker" entwickelt hat. Er muss
wahrscheinlich erst lernen, seine negativen Einstellungen und
Ängste zu überwinden - zum Beispiel die Angst vor der Blamage.
Malischewski und Thiel empfehlen, das Rezept "Blamier dich
täglich!" zu leben. Was man gewöhnt ist, fürchtet man nicht mehr.
Wer im Selbsttest dagegen feststellt, dass er ein "Chancendenker"
ist, der hat Glück gehabt. Denn er hat reichlich Begeisterung,
Freude und Neugierde - die Antriebskräfte des Relatings.
Beziehungen basieren auf Vertrauen oder Misstrauen. Bei der
Selbstreflexion, zu der die Autoren anregen, kommt schnell an die
Oberfläche, zu welcher Variante man neigt: Geben Sie anderen
Menschen grundsätzlich einen Vertrauensvorschuss oder müssen sich
diese Ihr Vertrauen erst einmal verdienen? Sind Sie in der Lage,
Menschen, die völlig anders gestrickt sind, zu akzeptieren? Wenn
in der neuen Schule Ihrer Tochter der Elternabend ansteht -
freuen Sie sich darauf, die anderen Eltern kennen zu
lernen?
Kontakte aufbauen!
Im ersten Teil des Buches gibt es
viel Grundsätzliches zum Thema Kommunikation zu erfahren. Zum
Beispiel, dass der Wert einer Beziehung paradoxerweise steigt,
wenn man sie in Anspruch nimmt. Ein paar Tipps gibt es entgegen
den Warnungen auf den ersten Seiten dann doch: Zum Beispiel, in
die Sprachwelt des Gegenübers einzutauchen und so mit ihm zu
reden, wie er spricht. Oder möglichst mit der Einstellung in ein
Gespräch zu gehen, dass man selbst und der Gesprächspartner
gemeinsame Interessen hat oder dass es zumindest möglich ist,
eine gemeinsame Interessenlage herzustellen.
Im Teil zwei des Buches geht es dann um ganz konkrete
Vorgehensweisen, darum, wie Relating wirklich funktioniert. Am
besten, man baut erst einmal ein Kontaktmanagement auf und checkt
anhand eines Rasters, wen man in welchen Bereichen kennt.
Bekanntschaft oder echte Freundschaft, ist die Schlüsselfrage.
Die meisten Leute erleben Aha-Effekte, wenn sie eine solche
Aufstellung machen, warnen die Autoren vorsorglich. Meistens sind
die negativer Art. "Ich habe nur ganz wenige wichtige
Beziehungen!", grämt sich der eine, "Alle, die ich kenne, fordern
nur - ich bekomme nichts zurück!", ärgert sich der andere.
Also volle Kraft voraus und gezielt Kontakte knüpfen. Was
am besten geht, wenn man anderen ohne Hintergedanken und
uneigennützig nützlich ist. Loben, was das Zeug hält - das setzt
ungeahnte Energien und Kräfte frei! Als Führungskraft Vorbild
sein und persönlich Anteil nehmen am Leben seiner Mitarbeiter!
Auch Konflikte kann man theoretisch mit Relating lösen.
Aber das hat einen Haken: "Wer nun glaubt, die Prinzipien des
Relatings würden die konfliktträchtige Auseinandersetzung
erleichtern, der täuscht sich", erklären die Autoren. "Denn wer
Relating betreibt, macht sich das Leben schwerer - vor allem im
Konfliktfall." Zumindest, wenn man sich weiterhin an die Regel
hält, uneigennützig nützlich zu sein.
Salbungsvoller Ton.
Wer das ganze Buch durchgearbeitet hat, der hat einiges über sich und die eigene Einstellung zu anderen Menschen erfahren, er hat vielleicht sogar erste Schritte gemacht, um die Prinzipien des richtigen Umgangs mit anderen umzusetzen. Leider kommt das Thema "Beziehungsnetzwerke pflegen" am Schluss arg kurz weg. Störend wirkt auch der leicht salbungsvolle Ton der Autoren. Dazu tragen die oft schon etwas abgenutzten Zitate ("Grau ist alle Theorie und grün des Lebens goldner Baum" - das ist übrigens von Goethe) und Gleichnisse bei, mit denen Malischewski und Thiel ihr Buch gespickt haben. Weniger ist manchmal mehr, um mit einer ebenso abgenutzten Redewendung zu kontern.
Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.
Thomas Malischewski / Frank Thiel:
Beziehungsmanagement.
Relating - die Kunst, gute Beziehungen aufzubauen,
GABAL Verlag, Offenbach 2005,
144 Seiten, 15.90 Euro,
ISBN 3-89749-503-1
www.gabal-verlag.de
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