Deals mit schwarzen Kassen.
Und viel davon ist schwarzes Geld.
Geld, auf das die Schweiz immer noch die größte Anziehungskraft
weltweit ausübt. "Denn hier, im größten Geldversteck der Welt,
lassen sich illegale Einnahmen und schwarze Konten noch immer am
leichtesten verbergen." In seinem Buch
Tatort Zürich spürt Leo Müller, der selbst in Zürich lebt
und dort bei der Wirtschaftszeitung
Cash über Geld- und Wirtschaftskriminalität schreibt, den
illegalen Geldgeschäften nach. Müller beschreibt, wie gewiefte
Finanzjongleure Millionenbeträge am Fiskus vorbeischleusen. Dabei
begegnen dem Leser alte Bekannte: Holger Pfahls, Karlheinz
Schreiber und Jürgen W. Möllemann, dessen Selbstmord nach der
Lektüre etwas weniger rätselhaft erscheint, denn der Politiker
war nicht nur politisch, sondern auch finanziell in eine
aussichtslose Situation geraten. Aber auch bekannte Namen, die
nicht in erster Linie mit anrüchigen oder schlichtweg kriminellen
Finanztransfers in Verbindung gebracht werden, spielen tragende
Rollen in Müllers hervorragend recherchiertem, investigativem
Wirtschaftskrimi. Der Filmstar Don Johnson zum Beispiel, der an
der schweizerisch-deutschen Grenze mit gefälschten Bankdokumenten
auffiel. Oder der ehemalige Medienzar Leo Kirch wie der frühere
Springreiter Paul Schockemöhle, die ebenfalls das Schweizer
Bankgeheimnis für Geldtransfers am Fiskus vorbei zu nutzen
wussten. Denn zu den Besonderheiten des eidgenössischen
Finanzrechts gehört auch, dass Steuerhinterziehung hier nicht als
Straftat gilt.
Wo die Verlockungen des großen Geldes so üppig wuchern,
liegt der Missbrauch nicht fern. Zu dem Bankplatz gehören auch
die Bankskandale, bei denen schon mal Millionenbeträge vernichtet
wurden. Ernst Imfeld beispielsweise galt als Held des Pivate
Banking und war der Liebling seiner millionenschweren Kunden -
bis sich herausstellte, dass er bei hochriskanten
Finanztransaktionen deren Geld verbrannt hatte.
Weltmarkt des großen Geldes.
Müller beschreibt diese schwarzen wie die schiefgelaufenen Geldgeschäfte mit einer guten Portion Ironie. Doch stehen die Akteure dieser Deals nicht im Vordergrund. Ihre Machenschaften zeigen vielmehr, wie ein System funktioniert, das weit größere Ausmaße hat, als Millionen braver Steuerzahler vermuten würden - ein System, das zudem staatlichen Institutionen längst über den Kopf gewachsen ist. "Der internationalen Wachstumsindustrie Wirtschaftskriminalität stehen kaum konkurrenzfähige Fahnderorganisationen gegenüber", resümiert Müller. Und er prangert die "Doppelmoral deutscher Politiker" an, die offiziell gegen Geldwäsche vorgingen, das Schweizer Bankgeheimnis aber eifrig "für ihre eigenen schwarzen Kassen" nutzten. Im "Weltmarkt des großen Geldes" gehören Geldwäsche und andere illegale Transaktionen zum Alltag.
Die Wirtschaft greift zur Selbsthilfe.
Die Wirtschaft hat sich darauf eingestellt. So ist "eine ansehnliche Anti-Geldwäsche-Industrie entstanden, die keine andere Aufgabe hat, als graues, schwarzes und sonst wie schmutziges Geld von dem sauberen fernzuhalten", so Müller. Die schweizerischen Banken unterhalten interne Ermittlungsabteilungen, die mit ausgeklügelten "Gangster-Suchmaschinen" alle Geldtransfers auf Verdächtiges abklopfen, ohne dass der Kunde etwas davon bemerkt - letztlich gilt das viel gerühmte Bankgeheimnis nur nach außen. Nicht zuletzt unterhalten die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Wirtschaftsdetekteien spezialisierte Ermittlerteams, die schnell und geräuschlos tätig werden - und Fälle von Wirtschaftskriminalität ebenso geräuschlos regeln. Privatisiert wird nicht nur die Fahndung, sondern auch die Rechtsprechung: Die Mehrzahl aller Wirtschaftsstraftaten wird informell geregelt, ohne dass Polizei und Justiz davon Wind bekämen. Diese "privatisierte Wahrheitsfindung" offenbart ein "gravierendes Demokratieproblem", so Müller: "Das staatliche Gewaltmonopol, in den demokratischen Verfassungen als Garant einer vom Volk kontrollierten Strafverfolgung und Rechtsprechung vorgesehen, gilt im Bereich der Wirtschaftskriminalität nur noch für eine Minderheit. Das Gros aller Fälle kommt nicht mehr an die Öffentlichkeit."
Leo Müller:
Tatort Zürich.
Einblicke in die Schattenwelt der
internationalen Finanzkriminalität,
Econ Verlag, Berlin 2006,
349 Seiten, 19.95 Euro,
ISBN 3-430-16908-9
www.econ.de
Winfried Kretschmer, Journalist und Autor, arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.
© changeX Partnerforum [15.08.2006] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Leo Müller: Tatort Zürich. Einblicke in die Schattenwelt der internationalen Finanzkriminalität. Econ Verlag, Berlin 2006, 349 Seiten, ISBN 3-430-16908-9
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Winfried KretschmerWinfried Kretschmer ist Autor, Redakteur & Macher bei changeX.