Muff unter den Talaren
Professor Untat. Was faul ist hinter den Hochschulkulissen - das neue Buch von Uwe Kamenz und Martin Wehrle.
Von Sigmar von Blanckenburg
An Deutschlands Hochschulen herrscht Stillstand, Forschung und Lehre verharren im Mittelmaß. Schuld sind die Hochschullehrer. Sie legen sich lieber auf die faule Haut oder gehen lukrativen Nebentätigkeiten nach, statt den Standort Deutschland fit für die Wissensgesellschaft zu machen, kritisieren zwei Buchautoren. Und plädieren für frischen Wind an den Unis. / 27.03.07
Neben Ärzten genießen Professoren eine hohe Wertschätzung in der Bevölkerung. Als Priester des Fortschritts sind sie diejenigen, die die Welt in allen Facetten erforschen, erklären und ihr Wissen an die nächste Generation weitergeben. Aber sie sollen nicht nur forschen und finden, sondern auch erfinden und damit den Standort Deutschland sichern. Uwe Kamenz, Professor für Betriebswirtschaft, und sein Koautor, der Journalist und Unternehmensberater Martin Wehrle, melden Zweifel an. Für sie ist das Bild des hehren Wissenschaftlers nicht mehr zeitgemäß: "Während die Manager als 'Nieten in Nadelstreifen' am Pranger stehen, während immer mehr Politikern bedenkliche Nähe zu Lobbyisten vorgeworfen wird, während die weltliche Elite den Knüppel der Kritik zu spüren bekommt - derweil reiten die Professoren auf ihrem hohen Ross übers Schlachtfeld, ducken sich hinter den Schutzschild ihres Titels und kommentieren von oben herab das Getümmel."

Vorbildlich ist nur ein Drittel.


Für die angenehme Perspektive von oben herab haben die Professoren eigentlich keinen Grund, so die Autoren. Forschung und Lehre sind in Deutschland in der Krise. Was sogar Jörg Bullinger, der Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, bestätigt: "Das Problem ist nicht, dass Deutschland in Forschung und Entwicklung schlechter geworden wäre. Es ist einfach stehengeblieben ..." Die Verantwortung dafür tragen vor allem die Professoren, so Kamenz und Wehrle. Die beiden Autoren haben eine Fülle von Beispielen zusammengetragen, die zeigen sollen, wie Professoren ihren Beamtenstatus zweckentfremden und ihre beruflichen Verpflichtungen vernachlässigen, anstatt die Freiheit von Forschung und Lehre im Sinne ihrer Berufung zu nutzen. Freilich nicht alle - "gut ein Drittel" der Professoren würden ihre Pflichten vorbildlich erfüllen, wie die Autoren nicht müde werden zu betonen. Obwohl sie vor Verallgemeinerungen warnen, zeichnen sie ein düsteres Bild der Hochschullandschaft.

Hörsäle als Schlafsäle.


Das Problem fängt schon in den Berufungskommissionen an: Hier haben meistens die Professoren das letzte Wort, nicht die Kultusverwaltung, die Bildungspolitik und schon gar nicht die Studenten. Das führt dazu, dass Professoren meist nur Kollegen berufen, die ihnen möglichst wenig Ärger machen und natürlich auch nicht so gut qualifiziert sein dürfen, dass ihr Glanz womöglich den eigenen überstrahlt. Die Folge, so Kamenz und Wehrle, sei ein "Urknall der Mittelmäßigkeit". Professoren in Deutschland seien häufig nicht in der Lage, ihre Lerninhalte den Studenten zu vermitteln. Denn anders als in den USA oder auch in der ehemaligen DDR sind sie hierzulande nicht verpflichtet, sich didaktisch weiterzubilden. Dementsprechend ist auch die Lehre: "Hörsäle sind als Schlafsäle verschrien", schreiben Wehrle und Kamenz.
Nicht zuletzt nutzten viele Professoren jede Gelegenheit, um lästigen Lehrverpflichtungen aus dem Weg zu gehen. Aus dem Weg gingen Professoren nicht selten auch der Forschung, so dass oft kaum nachvollziehbar sei, was sie den ganzen Tag täten. Darüber hatte sich schon Peter Glotz als Rektor der Universität Erfurt beklagt: "Die Kollegen kennen einander kaum noch, der eine macht Montag, Dienstag Lehre, der andere Donnerstag und Freitag, und im Übrigen forscht er, wie er das nennt." Ein Münchner Jurist hat einen pfiffigen Weg gefunden, sich seiner Lehrverpflichtung zu entziehen: Er kündigt seine Vorlesungen immer mit dem Vermerk "nach Vereinbarung" an - ist jedoch für die Studenten so schwer greifbar, dass eine Vereinbarung schon daran scheitert.
Um die Neigung von Professoren zu lukrativen Nebentätigkeiten zu testen, haben die beiden Autoren ein Experiment unternommen. Sie schalteten eine Stellenanzeige in der Wochenzeitung DIE ZEIT, in der sie nach einem Professor suchten, der zwei bis drei Tage wöchentlich für eine Nebentätigkeit aufwenden könnte - "erstklassige Dotierung", "Dienstbüro" und "Außenbüro am Ort Ihrer Wahl" garantiert. Auf die Anzeige meldeten sich über 40 interessierte Hochschullehrer, die offensichtlich neben Lehre und Forschung genug Zeit übrig hatten, sich einen Batzen Geld nebenher zu verdienen.
Auch die Tätigkeit von Professoren als Gutachter nehmen die Autoren unter die Lupe. Und finden auch hier viele schwarze Schafe: "Professoren gelten als Vertreter der wissenschaftlichen Wahrheit, als neutral und glaubwürdig. Doch wenn ein Judaslohn winkt, liefern etliche von ihnen die Wissenschaft ans Messer", so das Resümee von Kamenz und Wehrle, die ihre harte These mit einigen Fallbeispielen zu belegen suchen.

Frischer Wind in den Hochschulen.


Bei 38.000 Professoren in Deutschland ist die Aussagekraft der Recherchen ebenso wie des oben erwähnten Experiments allerdings begrenzt. Bei vielen der aufgeführten Vergehen und Versäumnissen der Professoren handelt es sich um Einzelfälle. Dennoch zeigt dieses Buch, dass das überkommene Bild des hehren Wissenschaftlers etliche Sprünge bekommen hat. Gerade für Menschen, die den akademischen Betrieb und seine Protagonisten immer noch mit Ehrfurcht betrachten, ist es eine erhellende Lektüre. Zumal es die beiden Autoren nicht bei gefälliger Kritik belassen, sondern etliche Vorschläge präsentieren, um fischen Wind in die Hochschulen zu bringen.

Vorlesungen auf YouTube.


Mehr Öffentlichkeit, mehr Transparenz, bessere Qualität, stehen im Mittelpunkt ihrer Forderungen. Internetseiten sollen für mehr Transparenz in Forschung und Lehre sorgen und den Wettbewerb zwischen Forschern und Lehrern fördern. Der Professorentitel soll ausschließlich Hochschullehrern zustehen, die wirklich in der Lehre tätig sind. Eine demokratischere Personalpolitik soll den Studenten Einfluss bei der Auswahl der Professoren sichern und den didaktischen Qualitäten der Kandidaten mehr Gewicht verschaffen. Lehrmäßig besonders begabte Professoren könnten im Internet zum Beispiel auf www.youtube.com abrufbar sein, schlagen Kamenz und Wehrle vor, um so ihre Vorlesungen auch Studenten anderer Hochschulen zugänglich zu machen. Mit ihren Vorschlägen wollen die Autoren die Hochschulen und das Land zukunftstauglich machen. Denn: "Wie die Rennkutsche am Pferd hängt, so hängt Deutschlands Zukunft an seinen Professoren."

Uwe Kamenz / Martin Wehrle:
Professor Untat.
Was faul ist hinter den Hochschulkulissen,

Econ Verlag, Berlin 2007,
282 Seiten, 18 Euro,
ISBN 978-3-430-20018-9
www.econ.de

Sigmar von Blanckenburg ist freier Mitarbeiter bei changeX.

© changeX Partnerforum [27.03.2007] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.


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: Professor Untat. . Was faul ist hinter den Hochschulkulissen. . Econ Verlag, Berlin 1900, 282 Seiten, ISBN 978-3-430-20018-9

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Sigmar von Blanckenburg

Sigmar von Blanckenburg schreibt als freier Autor für changeX.

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