Vorbildlich ist nur ein Drittel.
Für die angenehme Perspektive von oben herab haben die Professoren eigentlich keinen Grund, so die Autoren. Forschung und Lehre sind in Deutschland in der Krise. Was sogar Jörg Bullinger, der Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, bestätigt: "Das Problem ist nicht, dass Deutschland in Forschung und Entwicklung schlechter geworden wäre. Es ist einfach stehengeblieben ..." Die Verantwortung dafür tragen vor allem die Professoren, so Kamenz und Wehrle. Die beiden Autoren haben eine Fülle von Beispielen zusammengetragen, die zeigen sollen, wie Professoren ihren Beamtenstatus zweckentfremden und ihre beruflichen Verpflichtungen vernachlässigen, anstatt die Freiheit von Forschung und Lehre im Sinne ihrer Berufung zu nutzen. Freilich nicht alle - "gut ein Drittel" der Professoren würden ihre Pflichten vorbildlich erfüllen, wie die Autoren nicht müde werden zu betonen. Obwohl sie vor Verallgemeinerungen warnen, zeichnen sie ein düsteres Bild der Hochschullandschaft.
Hörsäle als Schlafsäle.
Das Problem fängt schon in den
Berufungskommissionen an: Hier haben meistens die Professoren das
letzte Wort, nicht die Kultusverwaltung, die Bildungspolitik und
schon gar nicht die Studenten. Das führt dazu, dass Professoren
meist nur Kollegen berufen, die ihnen möglichst wenig Ärger
machen und natürlich auch nicht so gut qualifiziert sein dürfen,
dass ihr Glanz womöglich den eigenen überstrahlt. Die Folge, so
Kamenz und Wehrle, sei ein "Urknall der Mittelmäßigkeit".
Professoren in Deutschland seien häufig nicht in der Lage, ihre
Lerninhalte den Studenten zu vermitteln. Denn anders als in den
USA oder auch in der ehemaligen DDR sind sie hierzulande nicht
verpflichtet, sich didaktisch weiterzubilden. Dementsprechend ist
auch die Lehre: "Hörsäle sind als Schlafsäle verschrien",
schreiben Wehrle und Kamenz.
Nicht zuletzt nutzten viele Professoren jede Gelegenheit,
um lästigen Lehrverpflichtungen aus dem Weg zu gehen. Aus dem Weg
gingen Professoren nicht selten auch der Forschung, so dass oft
kaum nachvollziehbar sei, was sie den ganzen Tag täten. Darüber
hatte sich schon Peter Glotz als Rektor der Universität Erfurt
beklagt: "Die Kollegen kennen einander kaum noch, der eine macht
Montag, Dienstag Lehre, der andere Donnerstag und Freitag, und im
Übrigen forscht er, wie er das nennt." Ein Münchner Jurist hat
einen pfiffigen Weg gefunden, sich seiner Lehrverpflichtung zu
entziehen: Er kündigt seine Vorlesungen immer mit dem Vermerk
"nach Vereinbarung" an - ist jedoch für die Studenten so schwer
greifbar, dass eine Vereinbarung schon daran scheitert.
Um die Neigung von Professoren zu lukrativen
Nebentätigkeiten zu testen, haben die beiden Autoren ein
Experiment unternommen. Sie schalteten eine Stellenanzeige in der
Wochenzeitung
DIE ZEIT, in der sie nach einem Professor suchten, der
zwei bis drei Tage wöchentlich für eine Nebentätigkeit aufwenden
könnte - "erstklassige Dotierung", "Dienstbüro" und "Außenbüro am
Ort Ihrer Wahl" garantiert. Auf die Anzeige meldeten sich über 40
interessierte Hochschullehrer, die offensichtlich neben Lehre und
Forschung genug Zeit übrig hatten, sich einen Batzen Geld
nebenher zu verdienen.
Auch die Tätigkeit von Professoren als Gutachter nehmen die
Autoren unter die Lupe. Und finden auch hier viele schwarze
Schafe: "Professoren gelten als Vertreter der wissenschaftlichen
Wahrheit, als neutral und glaubwürdig. Doch wenn ein Judaslohn
winkt, liefern etliche von ihnen die Wissenschaft ans Messer", so
das Resümee von Kamenz und Wehrle, die ihre harte These mit
einigen Fallbeispielen zu belegen suchen.
Frischer Wind in den Hochschulen.
Bei 38.000 Professoren in Deutschland ist die Aussagekraft der Recherchen ebenso wie des oben erwähnten Experiments allerdings begrenzt. Bei vielen der aufgeführten Vergehen und Versäumnissen der Professoren handelt es sich um Einzelfälle. Dennoch zeigt dieses Buch, dass das überkommene Bild des hehren Wissenschaftlers etliche Sprünge bekommen hat. Gerade für Menschen, die den akademischen Betrieb und seine Protagonisten immer noch mit Ehrfurcht betrachten, ist es eine erhellende Lektüre. Zumal es die beiden Autoren nicht bei gefälliger Kritik belassen, sondern etliche Vorschläge präsentieren, um fischen Wind in die Hochschulen zu bringen.
Vorlesungen auf YouTube.
Mehr Öffentlichkeit, mehr Transparenz, bessere Qualität, stehen im Mittelpunkt ihrer Forderungen. Internetseiten sollen für mehr Transparenz in Forschung und Lehre sorgen und den Wettbewerb zwischen Forschern und Lehrern fördern. Der Professorentitel soll ausschließlich Hochschullehrern zustehen, die wirklich in der Lehre tätig sind. Eine demokratischere Personalpolitik soll den Studenten Einfluss bei der Auswahl der Professoren sichern und den didaktischen Qualitäten der Kandidaten mehr Gewicht verschaffen. Lehrmäßig besonders begabte Professoren könnten im Internet zum Beispiel auf www.youtube.com abrufbar sein, schlagen Kamenz und Wehrle vor, um so ihre Vorlesungen auch Studenten anderer Hochschulen zugänglich zu machen. Mit ihren Vorschlägen wollen die Autoren die Hochschulen und das Land zukunftstauglich machen. Denn: "Wie die Rennkutsche am Pferd hängt, so hängt Deutschlands Zukunft an seinen Professoren."
Uwe Kamenz / Martin Wehrle:
Professor Untat.
Was faul ist hinter den Hochschulkulissen,
Econ Verlag, Berlin 2007,
282 Seiten, 18 Euro,
ISBN 978-3-430-20018-9
www.econ.de
Sigmar von Blanckenburg ist freier Mitarbeiter bei changeX.
© changeX Partnerforum [27.03.2007] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Uwe Kamenz / Martin Wehrle: Professor Untat. . Was faul ist hinter den Hochschulkulissen. . Econ Verlag, Berlin 1900, 282 Seiten, ISBN 978-3-430-20018-9
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