Das Team als Ersatzfamilie

Ein Interview mit Fabian Hardenberg, Autor des Wirtschaftsromans Heiße Phase.

Von Nina Hesse

In seinem Buch ermöglicht Hardenberg seinen Lesern einen spannenden Blick hinter die Kulissen der großen Unternehmensberatungen. Er selbst kennt diese Welt aus seiner langjährigen Beratungspraxis in- und auswendig. Und weiß, wie man trotz des hohen Drucks darin überlebt.

Der Autor, der hinter dem Pseudonym Fabian Hardenberg steckt, arbeitet für eine renommierte internationale Unternehmensberatung. Er lebt und arbeitet in München und Frankfurt am Main. Ende August ist sein Buch Heiße Phase, ein Insider-Roman aus der Welt der Unternehmensberatungen, im Campus Verlag erschienen.

Wie lange sind Sie schon Berater? Was bedeutet Ihnen der Job?
Ich arbeite in meinem siebten Jahr als Berater. Mich hat dieser Job sehr geprägt - in meinem grundsätzlichen Verständnis von Wirtschaft, von Professionalität, von dem, was man in und mit einem Team in einem Unternehmen erreichen kann. Und natürlich in meiner Vorstellung von Arbeit als einem Mittelpunkt des Lebens.

Ständig unterwegs, hoher Druck, extrem viel Arbeit - wie lange kann man das Beraterleben aushalten?
Ziemlich lange (siehe oben). Von außen erscheint der Druck natürlich sehr groß - wenn man drin ist, lernt man, damit umzugehen. Was einem hilft, ist das Team - die "Familie" des Beraters in seinem Job. Man braucht aber natürlich auch eine Gegenwelt, in die man sich zurückziehen kann, sonst frisst einen der Druck auf.

Wie haben Sie überhaupt die Zeit zum Schreiben gefunden?
Beratungen sind in etlichen organisatorischen Aspekten vorbildlich, so in der Möglichkeit, ein Sabbatical zu nehmen. Und in dieser Zeit kann man zum Beispiel einen Roman schreiben.

Vermutlich ist das Buch zumindest zum Teil autobiographisch - oder wollten Sie einfach nur einen Thriller schreiben, der im Beratungsmilieu spielt?
Autobiographische Elemente spielen eine Rolle, wenn sie auch nicht die Form einer großen Konfession annehmen. Ich habe alles Erlebte weiterverwandelt, hineintransformiert in die fiktive Struktur der Romanwelt, die ihre eigenen Gesetze entwickelt. Ein Freund hat mir einmal erzählt, dass er eine Geschichte nicht weiterschreiben konnte, weil er überzeugt war, dass sich seine Figuren hinter seinem Rücken gegen ihn verschworen hatten. So weit bin ich (noch) nicht, aber die Geschehnisse und die handelnden Personen verändern sich während des Schreibens - man muss wissen, wann man aufhört. Mein Maßstab war, dass ich erzählen wollte, wie die Beraterwelt ist, wenn man in ihr lebt, und dass ich dabei eine Story entwickeln wollte, die einen packt und nicht mehr loslässt - so wie auch in der Berater-Wirklichkeit.

Weshalb haben Sie ein Pseudonym gewählt? Reagiert die Branche empfindlich, wenn Insider sich zu Wort melden?
Der Roman ist mein Privatvergnügen, das unabhängig neben meinem Job steht. Meine Kunden beschäftigen mich als Experten für bestimmte Probleme in ihrem Unternehmen und nicht als Romanautor. Für das Unternehmen, in dem ich tätig bin, gilt das Gleiche. Das Pseudonym bestärkt diese Unterscheidung.

Die Welt, die Sie schildern, ist hart. Intrigen, Mauscheleien, Karriereregeln nach dem Motto "Beförderung oder Abstellgleis". Wissen junge Berater, worauf sie sich einlassen?
Es wird ihnen beim Eintritt in diese Welt und in jeder Bewertungsrolle ziemlich klar und unverblümt gesagt. Aber kaum einer versteht wirklich, was das bedeutet, bis er beispielsweise erfährt, dass er gehen muss. Leute, die bei Beratungen arbeiten, sehen sich als Gewinner - und dazu passt kein Scheitern. Deshalb wird es ausgeblendet, zumindest im offiziellen Umgang. Ehrlich ist man nur im trauten Gespräch in der Team-Familie, das braucht man dann aber auch, um mit den Ängsten fertig zu werden.

Auch die Kundenbeziehungen und Akquise sind keine einfache Sache, wie Ihr Roman zeigt. Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?
Akquise ist extrem schwierig, denn es gilt ja, den Kunden davon zu überzeugen, dass er einen meist sechsstelligen Euro-Betrag für die Lösung einer Frage ausgibt, die er mit seinen eigenen Ressourcen nicht lösen kann. Was er für sein Geld bekommt, ist eine Mannschaft hoch intelligenter, bestens ausgebildeter junger Leute, von denen allerdings bestenfalls ein Teil Erfahrungen mit der Branche oder gar dem Unternehmen des Kunden hat. Hier Vertrauen zu schaffen ist eine Heidenarbeit. Und oft genug kommt es auch vor, dass hinter dem Projektauftrag eine "hidden agenda" steht, die der Berater nicht kennt und die ihn am Ende als Mittel zu einem ganz anderen Zweck dastehen lässt, als er es selber annahm. Eine so extremer Fall, wie der von Sebastian Ritter, dürfte nicht gerade häufig sein, in abgeschwächter Form kommt das jedoch öfter vor.

Durch spektakuläre Pleiten oder Bilanzfälschungen sind Beratungsgesellschaften in letzter Zeit ins Gerede gekommen. Wie schätzen Sie das ein?
Als Berater kann man sehr viel Geld verdienen, und viel Geld will immer noch mehr. Wenn die Gier übermächtig wird und sich mit der Panik koppelt, alles zu verlieren, kann dieses Verhalten kriminelle Züge annehmen. Das war es, was mich bei meiner Geschichte gereizt hat. Die Strukturen von Beratungen erleichtern solche Extremreaktionen - dennoch bleiben es Einzelreaktionen, an denen man nicht die ganze Zunft messen kann. Allerdings sollten Beratungen spezielle Vorkehrungen treffen, um gezielt solchen Extremen entgegenzuwirken.

"Als Berater musste er herausfinden, was wirklich geschah. Und nicht nur das - das Ziel war, es zu verändern." So schreiben Sie in Ihrem Roman. Der Berater als Agent der Wahrheit?
Unbedingt - das ist das oberste Ziel dieses Jobs, sonst halten Sie den Perfektionsanspruch gar nicht durch. "Wahrheit" kann ich auch etwas pragmatischer mit "the best possible job" umschreiben - und wenn Sie den als Berater nicht anstreben, haben Sie keine Existenzberechtigung.

Jung, ehrgeizig, überfordert (zumindest am Anfang) - Ihr Protagonist ist keine rein positive Figur. Wollen Sie damit einen bestimmten Beratertypus aufs Korn nehmen?
Ich wollte vor allem ein realistisches Bild von einem Berater zeichnen. Wer kann schon unter solchen Ansprüchen rein positiv sein? Typen gibt es viele in Beratungen, nicht nur solche "insecure over-achievers" wie Sebastian Ritter. Es gibt Leute wie Michael Klosters, den die Gier zum Verrat treibt, aber auch solche wie Phil Meyer, der aufgrund einer rigiden Ethik zu einem überharten Urteil kommt und es später bereut.

Doch trotz all der kritischen Töne: Berater agieren nicht selten sehr flexibel und erfolgreich. Was können andere Unternehmen von ihrer Arbeitsweise lernen - zum Thema Teams, Motivation, Flexibilität?
Beratungen funktionieren nur als Sammlungsort der Besten. Dann können die Motivation, die die Mitarbeiter schon mitbringen, der unbeschränkte Einsatz, der Wille zum Erfolg aber wirklich "Berge versetzen" - also Ziele erreichen, die man nicht für möglich hält. Kunden können über Berater nicht nur ein Projektergebnis erhalten, sondern einen Schub nach vorne, einen Ansporn, das, was man in der Arbeit mit dem Berater erlebt hat, auch ohne ihn weiterzuführen. Ich habe mal ein Projekt mit einer Universität gemacht, bei dem einer der Professoren, mit denen wir gearbeitet haben, von unserer Arbeit so begeistert war, dass er eine eigene Beratung gegründet hat - weil er auch so arbeiten wollte. Das war mein schönster Projekterfolg.

Lesen Sie den Beitrag zu Fabian Hardenbergs neuen Buch Heiße Phase - Zwischen den Fronten.

Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.

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