Viel zu kurzfristig
Geschichten, Rechtsfälle und Urteile aus der neuen Arbeitswelt. | Folge 13 |
Immer mehr Menschen sind auf der Suche nach kurzfristigen Jobs. Als Aushilfe oder Vertretung kann man auf die Schnelle ein paar Euros verdienen. Und der Arbeitgeber spart sich lästige Sozialversicherungsabgaben. Doch Vorsicht: Zu viel des Guten kann im Nachhinein eine teuere Angelegenheit werden. Wie eine fleißige Familienmutter unfreiwillig gezeigt hat.
Deutschland ist keineswegs ein familienfreundliches
Land. Auch Hermine S. musste nach der Geburt ihrer beiden Kinder
ihren Job aufgeben und zu Hause bleiben. Als Vertreter der
"Double-Income-No-Kids"-Generation hatten sie und ihr Mann zuvor
ein finanziell sorgenfreies Leben geführt. Fortan musste Leo S. als
Alleinverdiener das Geld nach Hause bringen. Mit einer kleinen
Erbschaft im Rücken hatte man sich überdies ein kleines Häuschen im
Grünen geleistet. Die ersten Jahre verstrichen ohne Einschnitte.
Vor zwei Jahren jedoch begann es finanziell zu zwicken. Der
Lebensstandard stieg, die Kinder hatten mehr Ansprüche und Wünsche,
ein neues Auto musste her. Hermine S., von Beruf eigentlich
Buchhalterin, musste dazuverdienen. Und hörte sich deshalb bei den
kleinen und mittelständischen Firmen in der nächsten größeren Stadt
um. Und siehe da, sie wurde schnell fündig: Ein Elektromarkt suchte
aushilfsweise eine Buchhalterin. Auf Abruf. Geschäftsführer Peter
L. rieb sich die Hände, denn für ihn war die neue Aushilfe auch
finanziell lukrativ. Denn Hermine S. sollte nur kurzfristig
beschäftigt werden, und war damit nicht
sozialversicherungspflichtig. Als Arbeitgeber, so heißt es im
Gesetz, brauchte er in diesem Fall keine Pauschalbeträge an die
gesetzliche Renten- oder Krankenversicherung abzuführen.
Kurzfristig auch in anderen Unternehmen.
Hermine S. kam schnell auf den
Geschmack und fragte in weiteren Unternehmen nach einer
kurzfristigen Beschäftigung nach. Bei einem Steuerberater und
einer Brauerei konnte sie bald als Urlaubsvertretung und auf
Abruf beginnen. Überall natürlich als kurzfristige Beschäftigung
ohne Sozialversicherungsabgaben für den jeweiligen Arbeitgeber.
Über das Jahr summierten sich jedoch die kurzfristigen Einsätze
zu insgesamt 74 Arbeitstagen. Was nun wiederum die gesetzliche
Krankenkasse auf den Plan rief. Denn damit war die magische
Grenze von 50 Tagen für kurzfristig Beschäftigte überschritten.
Die Unternehmen wurden jeweils informiert, dass ein
Arbeitnehmer, wenn er mehrere kurzfristige
Beschäftigungsverhältnisse innerhalb eines Jahres ausübt,
sozialversicherungspflichtig sei. Vorausgesetzt, er überschreitet
summa summarum den Zeitraum von zwei Monaten oder 50
Arbeitstagen. Was bei Hermine S. in der Summe der Fall war.
Geschäftsführer Peter L. war daraufhin nicht mehr so begeistert.
Er musste die Arbeitgeberbeiträge zur Renten-, Kranken-,
Arbeitslosen- und Pflegeversicherung nachzahlen.
Seitdem lässt er sich bei allen kurzfristig Beschäftigten
eine Haftungsvereinbarung unterschreiben. Darin ist geregelt,
dass die Kandidaten keine weiteren Beschäftigungsverhältnisse
unterhalten, die einer Versicherungsfreiheit
entgegenstehen.
Dr. Andreas Imping ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Osborne Clarke, Köln.
Mit einer Illustration von Limo Lechner.
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