Brücke zwischen Online und Uni

Ideen für Geflüchtete 19: Kiron Open Higher Education
Text: Winfried Kretschmer

Die Aufnahme und Integration zahlreicher Geflüchteter verlangt neue Ideen, neue Lösungen und neue Wege. Kurz: soziale Innovationen. changeX trägt die besten Ideen zusammen. Folge 19: Kiron Open Higher Education verschafft Geflüchteten Zugang zu Hochschulbildung.

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Das Problem: Die Hürden sind hoch, wenn Geflüchtete ein Studium aufnehmen oder fortsetzen wollen. Ihr ungesicherter legaler Status, fehlende Dokumente, Sprachbarrieren und die begrenzte Zahl an Studienplätzen verhindern oftmals den Zugang zu einer Hochschule. 


Die Idee: Kiron Open Higher Education will Geflüchteten Zugang zu Hochschulbildung verschaffen. Und dabei die Hürden aus dem Weg räumen, die Geflüchteten oftmals den Zutritt zu einem regulären Hochschulstudium verwehren. Die Grundidee: den Zugang zu Hochschulbildung unabhängig zu machen von der Institution Hochschule. Die Lösung: Onlinekurse. "Jeder kann unabhängig von seinem legalen Status einfach anfangen zu studieren", sagt Mitgründer und Managing Director Markus Kreßler. 


Konzept und Umsetzung: Kiron bündelt Onlinekurse verschiedener Anbieter zu Modulen, die zu den Curricula von Universitäten kompatibel sind, und wirkt zugleich als Brücke zum formellen Abschluss: Geflüchtete studieren online und können die absolvierten Kurse später für einen Abschluss an einer regulären Universität oder Hochschule anrechnen lassen. 

Die Onlinekurse selbst liegen dabei auf den Servern der unterschiedlichen Anbieter, Kiron bündelt die Angebote und bietet Geflüchteten einen kostenlosen Zugang. Möglich machen das Partnerschaften mit Kursanbietern und Universitäten. Um in das Programm aufgenommen zu werden, müssen Geflüchtete lediglich einen Nachweis über ihren Flüchtlingsstatus erbringen. 

Kiron versteht sich dabei nicht als Universität und schon gar nicht als Konkurrenz zu dieser Institution. "Wir sind keine Universität und wollen das auch gar nicht sein", sagt Markus Kreßler. Die Hochschule kommt erst dann ins Spiel, wenn es um Studienabschlüsse und Zeugnisse geht. "Dann sind die Universitäten unabdingbar", so Kreßler. 

Über den Zugang zu den Onlinekursen hinaus wirkt Kiron zudem als Vernetzungsplattform. Ein Buddy-System soll dazu ermuntern, dass fortgeschrittene Studenten sich um Studienanfänger kümmern und sie durchs Studium begleiten; ein Mentorsystem will die Studenten mit potenziellen Arbeitgebern in Kontakt bringen.  

Entstanden ist die Idee im Herbst 2014, als Vincent Zimmer und Markus Kreßler die Idee eines Informationsportals für angehende Studierende und die Flüchtlingsthematik zusammenbrachten. Christoph Strauß als dritter Gründer programmierte dann das Webportal. Im Herbst 2015 startete Kiron eine erfolgreiche Crowdfundingkampagne, die die Finanzierung des Projekts sicherte. Heute arbeiten 48 Mitarbeiter mit Arbeitsvertrag in ganz unterschiedlichen Arbeitsverhältnissen sowie eine große Zahl von Ehrenamtlichen an dem Projekt, das mittlerweile auch in der Türkei, in Frankreich und in Jordanien vertreten ist. Organisiert ist Kiron als gemeinnützige GmbH mit Sitz in Berlin. Intern organisiert sich Kiron nach dem holakratischen Modell in selbst organisierten Kreisen.  


Potenzial und Perspektiven: "Es ist ein sehr freies Modell. Jeder überall auf der Welt kann in der eigenen Geschwindigkeit studieren", sagt Kreßler und weist damit bereits über die Flüchtlingsthematik hinaus: Kiron bietet eine Lösung, die nicht nur für Geflüchtete interessant sein könnte. Denn das Modell schlägt eine Brücke zwischen Open Educational Resources und formeller Hochschulbildung. Auf der einen Seite macht das Portal im Sinne von Open Education Hochschulbildung unabhängig vom Zugang zu einer Hochschule, zugleich bietet es aber eine Möglichkeit, absolvierte Onlinekurse für einen formellen Hochschulabschluss anrechnen zu lassen. Kiron könnte damit den fehlenden Link zwischen Massive-Open-Online-Formaten und regulären Hochschulen bereitstellen. 

Bis 2018 geht es darum, zu zeigen, dass das Modell funktioniert, also den "Proof of Concept" zu erbringen: "Wir wollen europaweit unter Beweis stellen, dass unser Konzept funktioniert", sagt Kreßler. Danach steht die Ausweitung des Modells auf andere Länder an. Das wäre eine beachtliche Karriere eines Flüchtlingsprojekts. 


changeX 11.11.2016. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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