Asien ist mehr

Rezension Tim Cole, Gunter Denk: Asien für Profis
Text: Annegret Nill

Ein Perspektivwechsel steht an: Asien nicht als Produktionsstandort, sondern als Absatzmarkt. Ein Ratgeber zeigt neue Entwicklungsmöglichkeiten im Fernen Osten auf - auch und gerade für den Mittelstand.

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Auf in die Billiglohnländer, so schallte es einst in den 90er-Jahren durch deutsche Unternehmen. Die Auslagerung der Produktionsstandorte nach China oder Bangladesch schien das Versprechen von enormen Gewinnen in sich zu tragen, die durch den Import der dort hergestellten Güter und ihren Verkauf in den Industrieländern realisiert werden sollten. Doch wie so oft folgte auf den Hype Ernüchterung: Die fremde Kultur erwies sich als schwer verständlich, die Gewinne waren geringer als gedacht. So mancher Mittelständler schloss die neu gebauten Standorte und kehrte mit seiner Produktion nach Deutschland, zumindest nach Europa, zurück.  

Der Ratgeber Asien für Profis will dem deutschen Mittelstand nun Asien wieder schmackhaft machen - diesmal weniger als Produktionsstandort, sondern vor allem als Absatzmarkt: "Die aufstrebenden Länder Asiens sind die einzigen Konsummärkte mit nachhaltigen Wachstumsaussichten", schreiben die Autoren Tim Cole und Gunter Denk. Sie raten: "Statt sich in ruinösem Verdrängungswettbewerb zu Hause zu verschleißen, sollten deutsche Mittelständler die Chance nutzen, in neuen Absatzmärkten organisch mitzuwachsen." Und sich auf das Abenteuer fremde Kulturen einlassen - diesmal in dem Wissen, welche Herausforderungen der gewählte Kulturstandort mit sich bringt. Einen ersten Einblick darein geben die von Fachleuten geschriebenen Länderporträts von asiatischen Staaten wie China und Indien, Laos oder Indonesien, die Cole und Denk zusammengestellt haben.


So etwas wie Aufbruchstimmung


Kambodscha, das zu den "Least Developed Countries" zählt, ist der große Unbekannte im Herzen des Kontinents. Daher gehört das Kapitel zu diesem Land zu den spannendsten des Buchs. Mit Kambodscha verbindet man normalerweise die Schreckensherrschaft der Roten Khmer, der in der zweiten Hälfte der 70er-Jahre mehr als drei Millionen Menschen zum Opfer fielen. Doch nicht immer war das Leben dort so düster. Kambodscha, schreibt Tim Cole, der selbst in das Land gereist ist, um an Informationen zu kommen, war in den 50ern das "Drehkreuz Südostasiens": "... ein stolzes, aufblühendes Wirtschaftszentrum mit einer richtigen Schwerindustrie, einem ausgebauten Schienen- und Straßennetz und sogar eigener Automobilindustrie!"  

An diese Zeiten möchte das Land, das heute eine konstitutionelle Monarchie ist, wieder anknüpfen. Das ist nicht einfach, denn die Infrastruktur wurde unter Pol Pot und seinen Roten Khmer zerschlagen. Mächtige Familienclans beherrschen die Schaltstellen von Politik, Bürokratie und Wirtschaft; Volkswirtschaftler und Unternehmensberater streiten über die richtige Weichenstellung für den Übergang zur sozialen Marktwirtschaft; und es gibt eine Vielzahl von NGOs, deren Gebaren nicht immer einwandfrei ist. Momentan verläuft die kapitalistische Entwicklung ungezügelt. Dennoch gibt es so etwas wie Aufbruchstimmung: Junge Leute von den Unis gründen Firmen, die Güter produzieren. Momentan dominiert die Textilindustrie. Neue Wirtschaftszonen entstehen im Land, und die Lage zwischen den kleinen Tigerstaaten einerseits und China andererseits ist günstig. Daher ist es ein "ideales Sprungbrett zu den anderen ASEAN-Staaten". Das Land wächst zwar langsam, aber dafür stetig. Allerdings gibt es kein verlässliches Rechtssystem: "Vor Gericht erhält recht, wer mehr Geld hat und damit dem Richter mehr bezahlt."


Für den Mittelstand wie gemacht


Malaysia erscheint als das Gegenteil von Kambodscha: Das bevölkerungsreiche Land ist politisch stabil und wirtschaftlich prosperierend; es hat eine gute Infrastruktur und ein sicheres Rechtssystem, das sich am angelsächsischen orientiert - Malaysia war 150 Jahre lang englische Kolonie. Während sich Kambodscha eher für Unternehmer mit Erforschergeist anbietet, eignet sich Malaysia für diejenigen, die ihre Risiken gerne begrenzen und sicher kalkulieren möchten. Es ist ein multikulturelles Land, in dem überall Englisch gesprochen wird, und bietet Expats eine hohe Lebensqualität.  

Die Kultur jedoch ist Europäern fremd: Sie ist muslimisch geprägt und sehr hierarchisch aufgebaut. "Wer in Malaysia allerdings Erfolg haben will, sollte ein paar einfache Voraussetzungen erfüllen. Er sollte zum Beispiel bereit sein, in einer positiven, harmonischen Atmosphäre mit Menschen zusammenzuarbeiten, die eine andere Kultur, eine andere Religion und eine andere Hautfarbe haben", schreibt Autor Thomas Brandt, der seit 2001 Leiter der Dienstleistungsabteilung der AHK, DEinternational ist und mehrere Bücher über Asien geschrieben hat. Malaysia ist vom Öl- und Gasexport abhängig und kämpft mit Fachkräftemangel.  

Dennoch: "Malaysia ist für den Mittelstand wie gemacht", und gute Geschäftskontakte nach Deutschland gibt es auch schon. In Medizintechnik und bei Komponenten für die Automobil- und Elektronikindustrie beispielsweise gehört Deutschland zu den Hauptlieferanten Malaysias. Und in einem Sinne ist Deutschland Vorbild: Malaysia orientiert sich beim Thema grüne Technik an ihm. "Für das Jahr 2011 ist die Einführung des Gesetzes zur Energieeinspeisung nach deutschem Vorbild (Erneuerbare-Energien-Gesetz, EEG) geplant und das Kabinett hat das Konzept schon verabschiedet." Hier und im Bereich Abfallwirtschaft und Wasser gibt es somit Potenzial für deutsche Lieferanten. Auch im Fotovoltaiksektor könnte Malaysia ein "Produktionshub" für Südostasien werden.


Enormes Potenzial


Asien für Profis ist in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil bieten die Autoren eine Einführung in die asiatische Denk-, Lebens- und Arbeitswelt, die mit Fallbeispielen von Unternehmen ergänzt wird, die in Asien Fuß gefasst haben. Im zweiten Teil werden einzelne Länder vorgestellt. Wiederkehrende Elemente sind dabei die SWOT-Analyse sowie die Strukturierung nach Land und Leuten, Chancen und Risiken, Geschäftskultur und Arbeitswelt, Branchen und Märkten, Wirtschaft und Steuern.  

Asien ist mehr, das ist die Botschaft dieses Ratgebers. Mehr als ein Konglomerat von Billiglohnländern, mehr als ein günstiger Produktionsstandort. Es ist eine nachhaltig wachsende Region mit einem riesigen Absatzmarkt, der ein enormes Potenzial auch und gerade für den Mittelstand bietet. 


changeX 19.04.2011. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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Zum Buch

: Asien für Profis. Strategien für den globalen Mittelstand. Carl Hanser Verlag, München 2011, 320 Seiten, ISBN 978-3-446-42520-0

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Autorin

Annegret Nill
Nill

Annegret Nill arbeitet als freie Journalistin, Autorin und Moderatorin in Berlin. Sie schreibt als freie Autorin für changeX.

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