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Lass es fließen
Burnout versus Flow: der zentrale Gegensatz der Arbeitswelt von heute. Fehlt Flow bei der Arbeit, begünstigt das die Entstehung von Burnout. Nur ist das kein schicksalhafter Mechanismus. Flow lässt sich fördern. Indem man Handlungs- und Entscheidungsspielraum einfordert und Verantwortung übernimmt. Und wo das nicht geht, sich einen anderen Job sucht.
Markus Hornig, Mentaltrainer und Coach, ist Geschäftsführer der MOVING - Gesundheitsmanagement GmbH, die zahlreiche deutsche Unternehmen im betrieblichen Gesundheitsmanagement betreut. Zudem ist er als Coach im Spitzensport und in der Wirtschaft tätig.
Herr Hornig, Sie schreiben, Burnout werde durch das Fehlen der Faktoren begünstigt, die Flow ausmachen. Ist Burnout versus Flow der zentrale Gegensatz, der die Arbeitswelt heute prägt?
Grundsätzlich muss man sagen, dass die Entstehung eines Burnouts ein sehr komplexer und langfristiger Prozess ist, bei dem die Verhältnisse in der Arbeitswelt zwar eine wichtige Rolle spielen, aber auch die private Situation und die Persönlichkeitsstruktur einen Einfluss haben. Der Versuch, bei der Arbeit Flow zu erleben, stellt allerdings eine gute Möglichkeit dar, Stress zu reduzieren und damit einer Burnout-Gefahr vorzubeugen. Wenn ich sinnvolle Arbeit mache, verstehe, welchen Beitrag ich mit meiner Arbeit zum Erfolg des Unternehmens leiste, und Anforderungen und Ressourcen im Gleichgewicht sind, dann wirkt die Arbeit salutogen, das heißt gesundheitsfördernd. Kommt dann noch ein gewisser Grad an Handlungs- und Entscheidungsspielraum hinzu und herrscht im Unternehmen eine Kultur der Wertschätzung, dann habe ich nicht nur die Chance, Flow zu erleben, sondern dann hält mich meine Arbeit auch gesund.
Wie erreicht man mehr Flow im Job?
Indem man Handlungs- und Entscheidungsspielraum einfordert und damit auch signalisiert, Verantwortung zu übernehmen. Wenn der Chef nicht engmaschige Vorgaben macht, sondern über Ziele führt und dem Mitarbeiter die Freiheit lässt, wie er diese erreicht, ist ein wichtiger Grundstein gelegt. Dabei müssen die Anforderungen, die es zu erfüllen gilt, mit meinen Stärken zusammentreffen. Nur wenn ich das, was ich mit Leidenschaft mache, in meinen Job einbringen kann, kann ich Flow-Erlebnisse schaffen.
Auch bei Ihnen ist Achtsamkeit ein Thema. Man hat ein wenig den Eindruck, Achtsamkeit wird zu einer Art Allerweltskonzept, das eine Antwort für alles bietet. Was hat Achtsamkeit mit Flow zu tun?
Achtsamkeit bedeutet letztendlich, dass man bewusst, das heißt mit geistiger Präsenz arbeitet und nicht mit dem Autopiloten unterwegs ist. Achtsamkeit spielt sich immer in der Zeitschiene Gegenwart ab, das heißt, ich bin gedanklich weder in der Zukunft noch in der Vergangenheit, sondern im "Hier und Jetzt". Und genau das zeichnet den Flow-Zustand aus: Ich verschmelze mit dem, was ich tue, ich vergesse die Zeit, die Leistung "fließt" von selbst aus mir heraus. Für den Einstieg in den Flow ist das bewusste Tun, eines nach dem anderen - also mit Achtsamkeit -, ein wichtiger Zugang. Bis dann irgendwann der Flow von selbst zu fließen beginnt.
Nur was tun, wenn das Arbeitsumfeld absolut Flow-verhindernd ist?
So hart das klingen mag: Man muss sich die Frage stellen, ob man den Rest seines Arbeitslebens tatsächlich in so einem Umfeld verbringen möchte, oder ob man nicht den Mut hat, sich einen neuen Job zu suchen. Hier gilt das amerikanische Sprichwort "Love it, change it or leave it!".
Sie empfehlen, den Job neu zu definieren - geht das so einfach?
In aller Regel sind Chefs überrascht, wenn Mitarbeiter kommen und um mehr gestalterische Möglichkeiten und Verantwortung bitten. Wenn man seine Vorstellungen jedoch präzise vorträgt und betont, dass man dadurch seine Produktivität erhöht, lassen sich intelligente Chefs gerne überzeugen. Allerdings sollte man die Erhöhung seiner Produktivität in den Vordergrund stellen und weniger, dass man mehr Freude bei der Arbeit erfahren möchte.
Das Wichtigste ganz kurz?
Selbstverständlich gibt es Jobs, vor allem im Niedriglohnsektor, die strukturell wenig Spielraum für Flow zulassen, das ist klar. Jedoch sind wir in den letzten beiden Jahrzehnten immer mehr zu Kopfarbeitern geworden, und damit nimmt auch der Handlungsspielraum zu. Insofern sehe ich in dieser Entwicklung auch ein Anwachsen der Chancen, gestalterische Möglichkeiten für Flow zu definieren.
Das Interview haben wir schriftlich per E-Mail geführt.
Zitate
"Nur wenn ich das, was ich mit Leidenschaft mache, in meinen Job einbringen kann, kann ich Flow-Erlebnisse schaffen." Markus Hornig: Lass es fließen
"In aller Regel sind Chefs überrascht, wenn Mitarbeiter kommen und um mehr gestalterische Möglichkeiten und Verantwortung bitten. Wenn man seine Vorstellungen jedoch präzise vorträgt und betont, dass man dadurch seine Produktivität erhöht, lassen sich intelligente Chefs gerne überzeugen." Markus Hornig: Lass es fließen
changeX 26.06.2015. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Zum Buch
Markus Hornig: 30 MINUTEN FLOW. GABAL Verlag, Offenbach 2013, 96 Seiten, 8.90 Euro, ISBN 978-3-86936-528-2
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Autor
Winfried KretschmerWinfried Kretschmer ist Autor, Redakteur & Macher bei changeX.
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