Von den schönen Fragen

Ein Himmel voller Fragen - das neue Buch von Carmen Beilfuß
Rezension: Ute Wielandt

Gute Fragen - feinfühlig, beharrlich, aus ungewohnten Perspektiven - können einen neuen Blick auf das eigene Leben ermöglichen. Können helfen, aus positiven wie negativen Erfahrungen neue Impulse für eine geglückte Lebensgestaltung zu gewinnen. Ein Buch sagt, wie.

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Systemische Interviews, die glücklich machen - das im Untertitel von Carmen Beilfuß‘ neuem Fragenbuch genannte Ziel ist hochgesteckt. Beim Hineinlesen wird denn auch schnell klar, dass damit weniger gemeint ist, die Fragen sollten beim Befragten Hochgefühle auslösen. Es geht vielmehr um diejenige Art von behutsamen und systematischen Fragen, die einem Menschen helfen sollen, Krisen zu überwinden und sein Leben positiv zu gestalten. Oder, wie Beilfuß es in ihrer poetischen Sprache ausdrückt: "Wo ist der Heißluftballon, der mir die neuen Perspektiven auf mein bisheriges Leben schenkt und mir bereits weite Blicke auf die Landschaften meines zukünftigen Lebens gewährt?"  

Es geht also um Psychotherapie und Coaching. Das war zwar auch in Beilfuß‘ erstem Buch Fragen können wie Küsse schmecken der Hauptfokus, daneben wurden aber noch journalistische und private Fragen mit behandelt. Jetzt aber konzentriert sich die Autorin auf den Anwendungsbereich Psychotherapie. Das tut dem Buch gut. Es ist eine Handreichung für systemische Therapeuten mit Interview-Entwürfen zu den wichtigen Lebensthemen. Die behutsamen Fragen sollen den Patienten ermöglichen, aus positiven wie negativen Erfahrungen neue Impulse für eine geglückte Lebensgestaltung zu gewinnen.


Den Blick auf Hilfreiches richten


Das Buch ist systematisch aufgebaut: Nach einer kurzen Einleitung mit Grundsätzlichem über systemische Therapiefragen folgen 20 Frageblöcke zu verschiedenen Lebensthemen, jeweils mit einer eigenen kurzen Einleitung. Dabei stellt die Autorin klar, dass es sich hier nicht um fertige Interviews handelt, wohl aber um Vorschläge, wie man ein solches Interview aufbauen und wie man Fragen einfühlsam und bildreich formulieren kann. Die Herangehensweise ist biografisch: Die Fragen nehmen bisherige Erfahrungen und Wünsche in den Blick - jedoch immer mit dem Ziel, Kraftquellen für das gegenwärtige und zukünftige Leben zu finden. "Sich erinnern heißt immer: eine Auswahl treffen! Eine wichtige Frage ist: Welche Auswahl dient meiner inneren Seelenbalance?" 

Themenblöcke sind unter anderem Kindheit, Jugend und Erwachsenwerden, Beziehungswelten, Familie, Freundschaften, Liebe und Partnerschaft, Erfolgsrezepte fürs Leben, Erfahrungen von Trennung und Enttäuschung, Gesundheit und Krankheit, Wendepunkte im Leben, Abschied und Neubeginn, Arbeit, Kreativität, persönliche Weiterentwicklung und Glaube/Spiritualität. Alles, was das persönliche Gefühl von einem gelingenden oder nicht gelingenden Leben entscheidend beeinflusst, wird behandelt. Dabei beleuchten die Fragen systematisch verschiedene Aspekte des Themas.  

Das Ziel dieser Fragen ist dabei immer, Positives wahrzunehmen oder zu ermöglichen. Zum Glück nicht in schaler "Positiv denken!"-Manier. So gibt es in jedem Block durchaus auch Fragen nach Verletzungen, nach Angst, eigenen Fehlern und Trauer, doch auf sie folgt jeweils die Suche nach Hilfreichem: "Wenn es Rückschläge gab, wie hast du sie überwunden?", ist dafür eine typische Frage, die jeweils im Anschluss weiter ausdifferenziert wird. Welche Hilfe von anderen oder welche eigene Verhaltensweise hat dazu beigetragen, diese spezielle Krise zu überwinden? Was davon kann in künftigen Schwierigkeiten eine Stütze sein? So wird sich der Patient oder Klient eigener Ressourcen bewusst, und er kann Strategien entwickeln, um das weitere Leben positiv zu gestalten. Eindeutig ein Coaching-Ansatz.


Feinfühligkeit gefragt


Das Buch bietet genügend Ideen für den Aufbau von systemischen Interviews für jede Situation, ohne jedoch eine genaue Vorgehensweise vorzugeben oder eine Schritt-für-Schritt-Anleitung anzubieten. Das wäre auch verfehlt, da bei psychologischen Gesprächen noch mehr als sonst der Fragende feinfühlig auf sein Gegenüber und die Situation eingehen, nicht bloß ein Programm abspulen muss. "Ich schenke Ihnen die Rezeptvorschläge - das Menü zaubern Sie selbst!"  

Daher betont die Autorin auch immer wieder, dass Feinfühligkeit gefragt ist, zusammen mit einer positiven, unterstützenden Haltung. Im Grunde genommen sieht sie den Therapeuten als Freund, der sich persönlich für seine Patienten und deren Wohlergehen interessiert; von professioneller Distanz hält sie nicht allzu viel. Das wird schon im Vorwort deutlich, in dem Beilfuß von ihren eigenen privaten Erfahrungen der letzten Jahre erzählt, die ihre Entwicklung hin zu diesem Buch beeinflussten. Die Botschaft dahinter: Natürlich beeinflussen die Persönlichkeit des Therapeuten und das, was ihn gerade bewegt, auch seine Art, zu fragen. Wer sich dessen bewusst ist, kann den Effekt produktiv nutzen.  

Ein Himmel voller Fragen ist mit seinem systematischen Aufbau und seiner reichen Auswahl an Fragen-Vorschlägen eine sinnvolle Handreichung für Psychotherapeuten und Coaches.  


Zitate


"Sich erinnern heißt immer: Eine Auswahl treffen! Eine wichtige Frage ist: Welche Auswahl dient meiner inneren Seelenbalance?" Carmen Beilfuß: Ein Himmel voller Fragen

"Wenn es Rückschläge gab, wie hast du sie überwunden?" Carmen Beilfuß: Ein Himmel voller Fragen

 

changeX 08.10.2015. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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Zum Buch

: Ein Himmel voller Fragen. Systemische Interviews, die glücklich machen. Carl-Auer Verlag, Heidelberg 2015, 173 Seiten, 19.95 Euro, ISBN 978-3-8497-0083-6

Ein Himmel voller Fragen

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Autorin

Ute Wielandt
Wielandt

Ute Wielandt ist freie Texterin in Ingolstadt. Sie schreibt als freie Autorin für changeX.

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