Innovationen - aber wie?
Wie werden Unternehmen und Organisationen innovativer? Offener für neue Ideen? Ein Pocket Reader führt in das Thema ein. Und bietet eine schlüssige Definition: Innovation = Idee + Invention + Diffusion.
Zehn Prozent aller Ideen entstehen in langweiligen Meetings, will jemand herausgefunden haben. Doch abgesehen davon, dass keineswegs klar ist, wie dieser Wert gemessen wurde, taugt er auch kaum zur Rechtfertigung der öden Besprechungskultur in den Unternehmen. Denn 94 Prozent der Teilnehmer sind in Meetings mit anderen Dingen beschäftigt, will eine andere Studie herausgefunden haben - und gemessen daran ist die oben genannte Ideenausbeute ein eher beschämendes Resultat. Meetings jedenfalls, so kann man festhalten, sind kein probates Mittel, um die Innovationskraft zu fördern, und ob das real existierende Management dazu Wesentliches beiträgt, darf getrost bezweifelt werden.
Dies sollte man im Hinterkopf behalten, wenn es im Folgenden um ein schmales Bändchen gehen soll, das sich der Förderung der Innovationskraft durch Innovationsmanagement widmet. Es stammt aus der Reihe Pocket Power des Carl Hanser Verlags, die sich die Vermittlung praxisnahen Managementwissens auf die Fahnen geschrieben hat. Innovationsmanagement ist auch der Titel des von Tobias Müller-Prothmann und Nora Dörr verfassten Bandes, der eine grundlegende Einführung in dieses Thema bietet.
Innovation = Idee + Invention + Diffusion
Die beginnt damit, dass es natürlich nicht reicht, gute Ideen zu haben. Schon Schumpeter hatte ja klargestellt, dass eine Innovation nicht bloß eine Erfindung, sondern die Durchsetzung einer technischen oder organisatorischen Neuerung im Produktionsprozess bedeutet. Durchgesetzt hat sich dies längst nicht. Im allgemeinen Kreativitätsgemurmel tummeln sich Ideen, Erfindungen und Innovationen begrifflich kaum geschieden nebeneinander; klar ist eigentlich nur, dass es um irgendwie was Neues geht. Tobias Müller-Prothmann und Nora Dörr warten demgegenüber mit einer griffigen Formel auf: "Innovation = Idee + Invention + Diffusion". Zur Idee müssen also die Erfindung und deren Durchsetzung auf dem Markt kommen, um die Innovation komplett zu machen. Wer sich das nicht vor Augen hält, wird wahrscheinlich in zehn Jahren noch auf die Erfindung von MP3 verweisen, wenn es um die Innovationsfähigkeit des Landes geht. Bekanntlich wurde die Technologie ja in Deutschland entwickelt - aber nicht in marktfähige Lösungen umgesetzt. Dieses Beispiel könnte auch dazu anregen, über den Begriff der Diffusion näher nachzudenken: Die war im Grunde auch schon mit der Ausbreitung der Download-Plattformen - Napster & Co. - weit fortgeschritten, der Durchbruch kam aber erst, wie der im Buch zitierte Oliver Gassmann argumentiert, als Apple User-Interface, Design und Geschäftsmodell hinzufügte und damit nicht nur einen legendären Geschäftserfolg landete, sondern die Innovation erst komplett machte. Das macht klar: Innovation ist weit mehr als Invention.
Innovationsmanagement hat deshalb eine "Querschnittsfunktion im Unternehmen". Ihr Ziel ist "die systematische Unterstützung des gesamten Innovationsprozesses von der Generierung neuer Ideen bis zu deren Umsetzung in neue Produkte auf dem Markt". Und so wie die Innovationsstrategie an die Unternehmensstrategie gekoppelt ist, ist auch die Innovationskultur eng mit der Unternehmenskultur insgesamt verbunden. Ganz unabhängig davon, ob ein Unternehmen auf Open Innovation im engeren Sinne setzt, ist Offenheit ein Strukturmerkmal einer innovationsfreundlichen Kultur im Unternehmen. Systemoffenheit, Freiraum, ein offener Informations- und Kommunikationsstil, Konfliktbewusstsein und Risikobereitschaft und nicht zuletzt die Förderung innovativer Mitarbeiter nennen die Autoren als Merkmale einer innovationsfördernden Unternehmenskultur. Vor allen Dingen müssten die verantwortlichen Manager "selbst ein Bewusstsein für die Notwendigkeit von Innovationen entwickeln und verinnerlichen".
Innovationsmanagement oder Managementinnovation?
Solche grundlegenden Hinweise sind nicht zu überlesen, wenngleich im Mittelpunkt des Buches das methodische Rüstzeug für ein erfolgreiches Innovationsmanagement steht. In den sieben Inhaltskapiteln geht es um Innovationsstrategien und -prozesse, um Planungs- und Analysemethoden, um Ideenmanagement und Kreativitätstechniken sowie um aktuelle Trends wie Open Innovation. Dass auch Kreativitätstechniken aufgenommen wurden (denen ein eigenes Bändchen der Reihe gewidmet ist) zeigt, dass es den Autoren auf eine möglichst vollständige und gleichermaßen kompakte Abhandlung ankommt. Das Buch eignet sich somit sowohl für den schnellen Überblick wie für erste konkrete Schritte. Maßnahmen wie eine Ideenkampagne zur Sammlung von Ideen lassen sich in die Praxis umsetzen, ohne dazu eine Legion von Beratern engagieren zu müssen. Entscheidend ist, wie von den Autoren betont, dass das Management mit ganzem Herzen dabei ist.
Also nichts wie an die Arbeit und Innovationsmanagement umsetzen, um das Unternehmen auf Innovationskurs zu trimmen? Hier sind die Autoren eher skeptisch. Sie warnen, dass "verstärkte Planungsanstrengungen und effiziente Prozessgestaltung nicht zwangsläufig zur Steigerung des Innovationserfolgs" führten - also das, was die Kernkompetenz klassischen Managements ausmacht. Anders als die üblichen Managementratgeber promoten die Autoren auch nicht drei, fünf oder sieben Erfolgsfaktoren, sondern lenken den Blick vielmehr auf die Komplexität von Innovationsprozessen und die Störfaktoren, die dabei auftreten können. Also Barrieren, "die eine Innovation verhindern, verformen oder verzögern". Den Chef zum Beispiel, der notorisch neue Ideen mit einem "das haben wir immer schon so gemacht" kontert.
Das lenkt den Blick auf eine grundsätzliche Frage, die zu beantworten freilich das übersteigt, was ein Grundlagen-Reader wie dieser leisten kann: Wie schaffen wir in unseren Organisationen ein Klima, in dem Ideen besser gedeihen, als dies heute der Fall ist? Das aber ist eine Frage, die nicht im Rahmen von Management beantwortet werden kann, denn sie betrifft dieses selbst: Wie muss Management beschaffen sein, damit wir innovativer werden können? Zur Disposition steht also: Was brauchen wir dringlicher: Innovationsmanagement oder Managementinnovation?
Zitate
"Innovation = Idee + Invention + Diffusion" Tobias Müller-Prothmann, Nora Dörr: Innovationsmanagement
changeX 24.09.2010. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Zum Buch
Tobias Müller-Prothmann, Nora Dörr: Innovationsmanagement. Strategien, Methoden und Werkzeuge für systematische Innovationsprozesse. Carl Hanser Verlag, München 2010, 128 Seiten, ISBN 978-3-446-41799-1
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Autor
Winfried KretschmerWinfried Kretschmer ist Autor, Redakteur & Macher bei changeX.