Verkaufen in der Onlinewelt
Mit ein paar Klicks kann jeder sein Geschäft eröffnen, das ist das große Versprechen der Online-Welt. Ganz so einfach ist es indessen nicht, denn zuvor will ein mehr als 700-seitiger Ratgeber zum Thema durchgearbeitet sein.
Noch nie war es so einfach wie heute, ein Geschäft zu gründen. Gemeint ist damit nicht die Gründung eines Unternehmens - das ist hierzulande nach wie vor ein aufwendiger bürokratischer Akt. Gemeint ist ein Geschäft, in dem man Dinge verkauft. Denn dazu braucht es heute keinen Laden mehr, keine Regale, keine Kasse und keine Preisschilder. In der Onlinewelt ist verkaufen einfach geworden. Bei eBay, Amazon Marketplace oder einem anderen Verkaufsportal ist man mit wenigen Klicks angemeldet und kann loslegen. Und einen eigenen Online-Shop zu eröffnen, erfordert auch keine höheren Programmierkenntnisse.
Das ist das Thema von Susanne Angeli und Wolfgang Kundler, die ein sehr dickes Buch hierüber veröffentlicht haben: Der Online Shop. Handbuch für Existenzgründer heißt es und tritt mit dem Anspruch an, alle auftretenden Fragen umfassend zu beantworten.
Das beginnt schon mit der eben angesprochenen Frage, ob es denn für den Anfang nicht auch ein Account bei eBay oder einer anderen der mittlerweile zahlreichen Verkaufsplattformen täte. Die Autoren halten sich damit auch gar nicht lange auf. Schließlich haben auch sie bei eBay angefangen - und eine Erfahrung gemacht, die man nicht unbedingt vielfach wiederholen muss. Über eBay erreiche man zwar viele kaufwillige Kunden, schreiben sie, "nur wurden mit der Zeit unsere Preise von vielen Konkurrenten immer weiter gedrückt. Manche Preise waren für uns dann einfach nicht mehr lukrativ." Heute verkaufen die beiden, die selbst einen Shop betreiben, über die eBay-Schiene nur noch Sonderposten und Ladenhüter. Dieses Thema ist also schon in der Einleitung erledigt.
Danach aber kommt’s dicke. Die Autoren haben sich nämlich nicht nur vorgenommen, einen Ratgeber zum Thema Online-Shop zu schreiben, nein, sie wollen das Thema Existenzgründung erschöpfend behandeln. So nimmt schon der erste Teil "Unternehmensgründung und Unternehmensführung" gut 200 Seiten in Anspruch und wartet mit einer Fülle an Detailinformationen auf. Nicht anders die Teile II und III "Der Online-Shop" sowie "Webdesign und Marketing". Auf diese Weise entsteht so das besagte mehr als 700-seitige Werk, das auch jede Eventualität erschöpfend behandeln will und mit einer Fülle an Detailkenntnissen aufwartet, deren Kehrseite die Gefahr ist, den Überblick zu verlieren.
Dieser Ratgeber ist im Grunde die Inkarnation des technisch-instrumentellen Gründungsratgebers. Wer wirklich nur einen Online-Shop eröffnen möchte, ist damit vielleicht sogar ganz gut bedient - sofern er die Zeit mitbringt, dieses Werk durchzuarbeiten.
Wem es aber nicht damit getan ist, bloß einen Shop aufzusetzen, wer sich dafür interessiert, wie man ein Unternehmen positioniert und wie man es ausrichtet, der tut gut daran, anderswo weiterzulesen. Das Versprechen der Vollständigkeit ist nämlich eine Illusion. Es trägt allenfalls für die technisch-instrumentelle Sachinformation. Themen wie Positionierung und Spezialisierung fehlen völlig, und auch das Thema Marketing erschöpft sich nicht im Online-Marketing, auch wenn man online unterwegs ist. Man kann nicht alles mit einem Buch erschlagen.
changeX 02.02.2012. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Zum Buch
Susanne Angeli, Wolfgang Kundler: Der Online Shop. Handbuch für Existenzgründer. Verlag Markt und Technik, München 2012, 784 Seiten, 39.95 Euro, ISBN 978-3-8272-4690-5
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Autor
Winfried KretschmerWinfried Kretschmer ist Chefredakteur und Geschäftsführer von changeX.