Macht und Argumente
Verhandeln - hart, aber herzlich - das neue Buch von Hedwig Kellner.
Von Nina Hesse
Beim gekonnten Verhandeln kommt es gar nicht so sehr auf rhetorische Tricks an. Sondern eher auf die soziale Intelligenz. Darauf, sich in andere hineinzuversetzen und ihre Interessen zu berücksichtigen. Verliert der Verhandlungspartner in seinem Lager das Gesicht oder hat er das Gefühl, über den Tisch gezogen worden zu sein, herrscht bei der zukünftigen Zusammenarbeit Eiszeit.
Das Verhandeln ist eine Kunst. Eine, die man im Berufsalltag fast täglich braucht: im Gehaltsgespräch mit dem Chef. Beim Aushandeln der Konditionen mit Kunden und Lieferanten. Beim Organisieren von Unterstützung für das Projekt, das man gerade leitet. In den kritischen Gesprächen mit dem Betriebsrat, wenn für die Belegschaft Veränderungen anstehen. Wer sich in solchen Situationen nicht als ängstlich und konfliktscheu, sondern als freundlich und durchsetzungsstark erweist, dessen Karrierepfeil weist garantiert nach oben.
Erfolgsautorin Hedwig Kellner hat sich des Themas angenommen - und wie gewohnt ein Buch geschrieben, auf dessen Qualität man sich fast unbesehen verlassen kann. Was sind die Grundlagen der Verhandlungsführung? Welche Faktoren spielen eine Rolle? Wie bereite ich eine Verhandlung optimal vor? Wie erweitere ich meine eigene rhetorische und auch soziale Kompetenz? Wie gehe ich mit den unterschiedlichsten Gesprächspartnern um? Knapp und klar liefert Kellner alle wichtigen Antworten - praxisnah und mit vielen Checklisten, Beispielen, Tipps und Warnungen. Gedacht ist es vor allem fürs Berufsleben, doch die Erkenntnisse daraus kann man genauso gut auch privat einsetzen.

Verlierer sind gefährlich.


Erfolgreich verhandeln heißt, die eigenen Interessen durchzusetzen und dabei den anderen nicht über den Tisch zu ziehen. Eine Gratwanderung - die gelingen kann, wenn man sich nicht nur auf Rhetorik, sondern vor allem auf soziale Intelligenz und gute Beziehungen stützt. Ganz nach den Grundsätzen des Klassikers Das Harvard-Konzept empfiehlt auch Hedwig Kellner, "hart in der Sache, herzlich im Persönlichen" zu bleiben. Denn gerade im Beruf verhandelt man meist mit Leuten, die man bereits kennt und mit denen man auch in Zukunft zu tun hat. Verscherzt man sich Sympathien, weil man Verhandeln als kriegerischen Akt begreift, dann beißt man das nächste Mal auf Granit.
Wer nicht ganz bewusst darauf achtet, Win-Win-Situationen zu schaffen, der begibt sich auf gefährliches Terrain. Denn der wichtigste Überzeugungseffekt bei Verhandlungen sind die Erfahrungen, die andere mit Ihnen schon gemacht haben. Bei Win-Win-Situationen entsteht gegenseitiger Respekt, dabei staut sich kein für die Zukunft gefährlicher Frust auf. Nie sollte man, so Kellner, den Fehler machen, den Kontrahenten als Feind zu sehen und ihn persönlich anzugreifen.

Psychologie in der Praxis.


So auf die Grundphilosophie fairen Verhandelns eingestimmt, kann man sich an die gründliche Vorbereitung machen. Am besten schriftlich, damit man während der Verhandlung nicht den Faden verliert und seine Argumente parat hat. Es gilt, Ziele festzulegen - persönliche Ziele, aber auch übergreifende Ziele, die man mit dem Verhandlungspartner teilt. Wer zum Beispiel hätte sich auf die Zumutung eingelassen, seinen Müll in sechs verschiedene Behälter aufzuteilen und sie getrennt zu entsorgen ..., wenn nicht das edle Ziel des Umweltschutzes auf dem Spiel stände? Schon beim richtigen Definieren des Ziels entscheidet sich oft, ob man mit seinem Anliegen "durchkommt" und es schafft, dem anderen seinen Wunschweg als Lösung des Problems zu verkaufen. Hat man überzeugende Ziele gefunden, geht es ans Sammlen von Argumenten und Fakten. Zudem gilt es, seine Vorschläge vorab bei den Akteuren abzusichern (steht der Mitarbeiter, den man für sein Projekt will, in der gewünschten Zeit überhaupt zur Verfügung?) und sich, wenn nötig, Rückendeckung zu holen.
Auch für die eigentlichen Verhandlungen hat Kellner eine Fülle von erprobten Tipps parat, die tief in die Psychologie hineingehen. Zum Beispiel mag niemand es, vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden und nur noch Ja oder Nein sagen zu können. Solche Situationen haben oft zur Folge, dass der andere Partner pikiert abblockt. Viel besser funktioniert es, zwei Varianten vorzustellen oder einen bewusst noch nicht ganz perfekten Entwurf zu präsentieren, an dem man noch gemeinsam arbeiten kann. Ein weiterer guter Trick ist, sich ganz bewusst vorzunehmen, nur ein Drittel der Redezeit zu beanspruchen - dann wirkt man ruhig und sympathisch. Auch wie man gekonnt mit Einwänden umgeht ( aktiv zuhören - Denkpause - auffangen und abfedern), übt Kellner mit dem Leser. Und bloß nicht zu freundlich oder zu kompetent auftreten! Ersteres wirkt leicht schleimig oder unsachlich, Letzteres überheblich. "Eine gewonnene Diskussion ist eine verlorene Verhandlung", gibt Kellner zu bedenken.

Macht und Taktik.


Ohnehin geht es beim Verhandeln nie nur um Sachfragen - auch dafür sensibilisiert Kellner. "Sie werden einen anderen Menschen niemals nur durch vernünftige Argumente überzeugen", erklärt sie. "Vielleicht sieht Ihr Verhandlungspartner sogar ein, dass Sie in der Sache Recht haben, stimmt Ihnen jedoch dennoch nicht zu, weil es gegen seine Interessen verstößt." Unter der Oberfläche läuft meist auch ein Machtkampf ab, in dem es darum geht, im eigenen Lager gut dazustehen oder das Gesicht zu wahren. Die eigentliche Herausforderung ist also, die Interessen und das Selbstwertgefühl des Gesprächspartners zu berücksichtigen und ihm die Gelegenheit zu geben, im eigenen Lager als Sieger dazustehen.
Richtiggehend üben sollte man, so Kellner, das kleine Einmaleins der taktischen Schachzüge bei Verhandlungen. Zwar lassen sich erfahrene Verhandler davon nicht beeindrucken, und auf Tricks und Täuschungen verzichtet man besser, aber beliebte Manöver - von "good guy/bad guy" bis hin zu "Vorbilder ins Spiel bringen" - sollte man kennen und anwenden können. Auch die Gegenmaßnahmen gegen unfaire Taktiken sollte man vorher gründlich trainieren. Kellners Tipp: Angriffe nicht persönlich nehmen und abperlen lassen! Vom schlagfertigen Reagieren rät Kellner, selbst Rhetorikprofi, erstaunlicherweise ab. Doch ihr Argument, dass das den Konflikt eskalieren lassen kann, überzeugt. Wer auf das Powerplay einsteigt, hat schon verloren.

Hedwig Kellner:
Verhandeln - hart, aber herzlich,
Carl Hanser Verlag, München 2005,
211 Seiten, 19.90 Euro,
ISBN 3-446-22593-5
www.hanser.de

Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.

© changeX Partnerforum [17.05.2005] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.


changeX 17.05.2005. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

Artikeltools

PDF öffnen

hanser

Carl Hanser Verlag

Weitere Artikel dieses Partners

Einfach kompliziert

Warum wir es gerne einfach hätten und alles immer so kompliziert ist - das neue Buch von Peter Plöger zur Rezension

Die Biobastler

Biohacking - das neue Buch von Hanno Charisius, Richard Friebe, Sascha Karberg zur Rezension

Das verflixte Geld

Ausgezeichnet mit dem Deutschen Finanzbuchpreis 2013: Geld denkt nicht von Hanno Beck zur Rezension

Zum Buch

: Verhandeln - hart, aber herzlich. Carl Hanser Verlag, München 2005, 211 Seiten, ISBN 3-446-22593-5

Verhandeln - hart, aber herzlich

Buch bestellen bei
Osiander
genialokal
Amazon

Autorin

Nina Hesse

nach oben