Letztlich aber geht doch alles auf das Individuum zurück. "Jeder Mensch nimmt die Welt anders wahr", schreiben die Autoren und erklären damit nichts anderes als das konstruktivistische Fundament ihres Ansatzes: Jeder konstruiere sich seine subjektiven Wirklichkeiten und bilde sie in "inneren Landkarten" ab. "Diese sind, wie alle anderen Landkarten auch, nicht die Wirklichkeit selbst." Aber sie bestimmen und steuern unser Verhalten, so Haberleitner, Deistler und Ungvari. Und indem wir diese Landkarte in Sprache umwandeln, teilen wir der Umwelt diese Realität mit. Das sei die Chance jedes Coachs: Über die Sprache - oder besser gesagt: über das Gespräch - erhält er Einblicke in die Realität des Anderen. Und hat dadurch die Möglichkeit, den wahrgenommenen Fakten des Mitarbeiters geänderte oder zusätzliche Bedeutungen zu geben, Verzerrungen und Einschränkungen aufzuheben. Das heißt: "Die Landkarte wird angereichert und verfeinert, wodurch dem Mitarbeiter neue 'Wege' und damit weitere Handlungsoptionen zur Verfügung stehen."
Gefühl des Angenommen-Werdens.
Diese Wandlung gelinge allerdings nur, wenn sich Führungskraft und Mitarbeiter vertrauen, erklären die Autoren: Zum Erfolg von Gesprächen führe weniger ein bestimmtes Maß an Wissen und technischem Können, auch nicht die Anwendung von Gesprächsführungstechniken. Sondern zuallererst eine bestimmte Grundhaltung gegenüber dem Gesprächspartner. Sie sollte geprägt sein von Empathie, "einem nicht-wertenden, einfühlenden Verstehen", sowie von Akzeptanz, "nicht an Bedingungen gebundene Wertschätzung und emotionale Wärme". Wichtig sei nicht zuletzt auch ein bestimmtes Maß an Kongruenz und Zutrauen. "Der Coach zeigt sich dem Mitarbeiter so, wie er auch tatsächlich ist." Ohne ihn zu täuschen oder ihm etwas vorzumachen. Zudem kann sich eine Führungskraft nur dann auf Coaching als Entwicklungsarbeit einlassen, wenn sie dem Mitarbeiter auch zutraut, dass er in der Lage ist, sich zu entwickeln. Das Ergebnis: "Durch das Gefühl des Angenommen-Werdens beginnt der Mitarbeiter zunehmend, auch sich selbst anzunehmen. Er fühlt sich nicht mehr bedroht und glaubt nicht mehr, sein verzerrtes Selbstbild verteidigen zu müssen", so das Fazit.
Fragen Sie nach dem Weg ...
Erst wenn diese Bedingungen hergestellt sind, empfehlen die drei Wirtschaftsberater, mit dem eigentlichen Coaching zu beginnen. Das ist der Zeitpunkt, die Werkzeuge der Gesprächsführung einzusetzen. Und das bedeutet vor allem: Fragen stellen! "Eine souveräne Führungskraft, die ihre Mitarbeiter coacht, ruft die Kreativität und das Wissen der Gesprächspartner ab und bezieht dies in die eigenen Überlegungen ein, indem sie Fragen stellt." Ein Mitarbeiter, der bisher in die Rolle des Zuhörers gedrängt war, werde mit immer neuen Fragen aufgefordert nachzudenken, seine Gedanken in Worte zu fassen, dabei seine Lösungskompetenz zu aktivieren und seine Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Die konstruktivistische Grundhaltung macht wiederum deutlich, warum das so ist: Der Mitarbeiter hat eine bestimmte Konstruktion von Wirklichkeit. "Fragen führen dazu, diese Konstruktion möglicherweise zu verändern, indem der Mitarbeiter (aber auch die Führungskraft!) neue, bisher nicht beachtete Aspekte mit einbezieht und bestimmten Fakten andere Bedeutungen gibt." Doch können Mitarbeiter Fragen auch als Bedrohung empfinden: dann nämlich, wenn sie wie in einem Verhör benutzt werden. Oder als angewandte Technik ohne entsprechende Grundhaltung.
... und achten Sie auf die Antwort.
Mit dem Fragen untrennbar verbunden
ist das zweite Coachingwerkzeug: das aktive Zuhören. Das bedeute,
"sich auf den Mitarbeiter einzulassen und zugleich alle eigenen
Gedanken, Meinungen, Überzeugungen und Absichten zu einem Thema
aus dem Kontakt zum Mitarbeiter vorerst möglichst
herauszuhalten", so die Berater. Das beginnt schon mit dem
Blickkontakt - einer einfachen, aber wirksamen Form, dem
Mitarbeiter zu signalisieren, dass Gesprächs- und
Aufnahmebereitschaft besteht. Und endet beim Mitschreiben des
Gesagten - um so nicht nur den Überblick zu behalten, sondern
auch ein Zeichen zu geben, dass man das Gesagte ernst und wichtig
nimmt.
Neben diesen zentralen Techniken des Coachings beschreiben
die Autoren auch die anderen Werkzeuge ausführlich und
verständlich: vom Umgang mit Emotionen bis hin zu
Mentaltechniken, wie Visualisieren oder Entspannen. Zudem im Buch
enthalten: der praktische Ablauf eines Coachingprozesses. Damit
wird deutlich, wie die Techniken und Werkzeuge im Arbeitsalltag
angewendet werden können. Ohne in typische "Coaching-Fallen" zu
tappen, die die Autoren im Laufe ihrer Karriere bei Unternehmen
wie BP Austria, Roche oder Hewlett-Packard kennengelernt haben.
Nach Lektüre des vorliegenden Buches ist Elisabeth Haberleitner,
Elisabeth Deistler und Robert Ungvari recht zu geben:
"Führungskräfte haben es schwer!" Dank des vorliegenden Buches
aber nur mehr halb so sehr.
Florian Michl ist freier Mitarbeiter bei changeX.
Elisabeth Haberleitner / Elisabeth Deistler / Robert
Ungvari:
Führen, Fördern, Coachen.
So entwickeln Sie die Potenziale Ihrer Mitarbeiter.
Redline Wirtschaft, Heidelberg 2007,
256 Seiten, 24.90 Euro.
ISBN 978-3-636-01483-2
www.redline-wirtschaft.de
© changeX Partnerforum [16.11.2007] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Zum Buch
Elisabeth Haberleitner / Elisabeth Deistler / Robert Ungvari: Führen, Fördern, Coachen. . So entwickeln Sie die Potenziale Ihrer Mitarbeiter. . Redline Wirtschaft, Heidelberg 1900, 256 Seiten, ISBN 978-3-636-01483-2
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