Im Grunde seien Grundsätze nützlich, sagt Bertold Ulsamer, ausgebildeter Jurist und Psychologe, der 15 Jahre als Managementtrainer tätig war und heute sein Wissen als Berater und Coach weitergibt: Sie helfen uns, die tägliche Flut an Informationen zu bewältigen, "weil sie den Denkprozess abkürzen und somit Energie sparen". Sie machen Urteile möglich, ohne Dinge ausgiebig zu betrachten. Denn diese "sind eben so" - warum also noch viel darüber nachdenken? Die Gefahr an solchen "Weisheiten": Grundsätze sind nicht jeder Situation angemessen. Wer sie zu absoluten Wahrheiten erklärt, verkehrt ihre Nützlichkeit ins Gegenteil, mahnt Ulsamer: "Das Leben ist nämlich viel zu reich, zu vielschichtig und zu rätselhaft, als dass es sich in Konzepte pressen ließe." Dementsprechend bietet das Buch keine Lösungen, sondern lädt zum Nachdenken ein.
Beißen fürs Ego.
"Wenn Sie nur wirklich wollen,
kommen Sie an die Spitze!" Das steht nicht nur in vielen
Business-Ratgebern, davon sind auch Lehrer und Eltern überzeugt,
wenn die Leistung der Sprösslinge hinter den Erwartungen
zurückbleibt. Klar, dass sich diese Meinung in allen Köpfen
festgefressen hat - Zeit also, sie zu hinterfragen und in ihre
Bestandteile zu zerlegen. Deren sind Willenskraft und Einsatz -
zwei Tugenden von großer Bedeutung. Gefährlich aber, wenn sie zum
Selbstzweck werden. "Kostbar ist es, wenn ein Mensch mithilfe
seiner Willenskraft großes Leid erträgt, eine Katastrophe oder
ein Konzentrationslager damit überlebt. Aber in einer schwierigen
und unangenehmen Lage die Zähne zusammenbeißen und alles
erdulden? Wenn es genauso möglich wäre, die Situation zu
verlassen und es sich leichter zu machen?" Damit bringt der Autor
die Sache auf den Punkt: Willenskraft ohne Intelligenz ist blind!
Durchhalten um des Durchhaltens willen schadet dem Körper und
Geist mehr, als es dem Ego geben kann.
Deshalb rät der Autor beispielsweise, den Arbeitsplatz zu
wechseln, wenn das Arbeitsklima schlecht ist, unter den Kollegen
offene Feindseligkeit herrscht oder der Chef einen auf dem Kieker
hat. Wozu die Willenskraft strapazieren und die Zähne
zusammenbeißen? Außer der Selbstbestätigung, stärker, zäher und
kräftiger als die anderen zu sein, bringt das nämlich nichts.
Stattdessen empfiehlt er, eine ehrliche und nüchterne Bilanz zu
ziehen: "Was habe ich erreicht? Was kann ich noch erreichen? Wie
wahrscheinlich ist das?" Nur dann könne man die alten,
unrealistischen Ansprüche an die Karriere loslassen, sich
entspannen und das Beste aus dem jetzigen Leben machen.
Intuition ist schneller.
"Der Verstand hat bei
Entscheidungen das letzte Wort?" Ein Experiment an der
Universität von Iowa kam zu einem anderen Ergebnis, berichtet
Ulsamer: Versuchsteilnehmer sollten von mehreren Stapeln Karten,
die eine Hälfte rot, die andere blau, jeweils eine Karte ziehen.
Mit dieser gewann oder verlor jeder eine bestimmte Summe Geld.
Langfristig gewannen nur die blauen Karten, denn mit den roten
wurde zwar viel gewonnen, aber auch sehr viel verloren. "Die
meisten Versuchsteilnehmer ahnten nach etwa 50 Karten dieses
System, nach 80 Karten hatten sie es durchschaut und konnten
erklären, warum besser nur die blauen zu nehmen waren." Keine
Sensation. Aber die Wissenschaftler fanden bei Messungen des
Hautwiderstandes heraus, dass die Teilnehmer bereits ab der
zehnten Karte, wenn sie rot war, Stresssymptome zeigten. Lange
bevor ihnen klar war, warum, griffen die Teilnehmer schon zu den
blauen Karten. "Die Intuition war viel schneller gewesen als ihr
bewusster Verstand", kommentiert der Psychologe das Ergebnis. Auf
der anderen Seite fahre man mit rationalen Entscheidungen relativ
sicher. Wichtig in einer Unternehmenskultur, die Fehler nicht
toleriert - dann hat man gute Argumente für sein Handeln.
Mit vielen metaphorischen Bildern macht Ulsamer klar, dass
es höchste Not ist, unser Denken zu überdenken und alte
Glaubensgrundsätze zu hinterfragen. Das macht er sehr geschickt -
als Psychologe, Managementberater und einfach nur als Mensch mit
großer Lebenserfahrung. Witzige Karikaturen von Martin Brosch
unterstützen seine Botschaft und regen zum Nachdenken an. Am Ende
der Lektüre ist klar, dass sich "die Zeiten nicht mehr für solide
Gewissheiten eignen. Was heute gilt, ist morgen veraltet - auch
wenn es übermorgen vielleicht in anderer Gestalt wieder als neue
Weisheit verkündet wird."
Florian Michl ist freier Mitarbeiter bei changeX.
Bertold Ulsamer:
Alles ist machbar und 25 andere fatale Irrtümer im Business.
Denkfallen unter die Lupe genommen.
GABAL Verlag, Offenbach 2008,
160 Seiten, 24.90 Euro.
ISBN 978-3-89749-792-4
www.gabal-verlag.de
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