Arbeit, Wert und Gemeinwohl

Drei Vorschläge, die Arbeits- und Wirtschaftswelt neu zu ordnen
Von Christian Felber

Die Arbeitswelt steht auf dem Kopf. Eklatante Unterschiede in der Verteilung von Arbeit, Arbeitszeit, Einkommen und Sinn sind Symptome einer tiefgreifenden Systemkrise unserer Arbeits- und Wirtschaftswelt. Christian Felber mit drei Vorschlägen, neue Grundleitlinien einzuziehen: Arbeit soll möglichst sinnvoll sein. Arbeit soll gesellschaftlich gerecht verteilt werden. Arbeit soll gerecht entlohnt werden. Ein Impuls zur Freiräume-Unkonferenz.

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Die an die UBS notverkaufte Credit Suisse verbuchte laut Tagesanzeiger in den letzten zehn Jahren einen Verlust von 3,2 Milliarden Franken. Im selben Zeitraum zahlte sie Boni im Wert von 32 Milliarden Franken. Gleichzeitig können viele Menschen nicht mehr von ihrer Arbeit leben oder die Miete bezahlen. Die sozial wertvollsten Leistungen - Fürsorgearbeit wie Kinderbetreuung, Pflege et cetera - sind teilweise unbezahlt. Die Arbeitswelt steht auf dem Kopf. Hätten wir es in der Hand, die Arbeits- und Wirtschaftswelt neu zu ordnen, welche Grundleitlinien würden wir einziehen? 

Drei Vorschläge:


Arbeit soll möglichst sinnvoll sein


Menschen sind aktive Lebewesen, wie Hannah Arendt schreibt. Zu unseren Grundbedürfnissen zählt es, unsere Gaben und Talente, unser ganzes "Potenzial" zu entfalten. Entscheidend für ein gelingendes Leben ist die Kombination von Tätigkeiten, die uns auf der intellektuellen, emotionalen, körperlichen, sinnlichen, sozialen, ökologischen und spirituellen Ebene nähren und erfüllen. Weder soll die Arbeit zu einer Mühsal oder monoton werden, noch vorrangig dem Gelderwerb dienen. Denn dann kann es vorkommen, dass Menschen ausbrennen, "innerlich kündigen" oder jede Motivation verlieren, sich am Erwerbsleben zu beteiligen. Folglich sollten Unternehmensleitbilder, Organisationsentwicklungsprozesse und Management-Dashboards systematisch beinhalten, wie sozial und sinnvoll die Arbeit ist, wie sehr sie auf allen nicht-finanziellen Ebenen als "nährend" empfunden wird.


Arbeit soll gesellschaftlich gerecht verteilt werden


Gesamtgesellschaftlich ist es nicht effizient, dass die einen in Dauerstress-Tretmühlen gefangen sind, und andere "arbeitslos". Mehrere Strategien könnten hier für Ausgleich sorgen: Zum einen darf der Trend der Arbeitszeitverkürzung nicht stecken bleiben. Die Verkürzung von 80 Wochenstunden auf 40 ging weder mit einem Verlust an Lebensqualität noch an Wohlstand einher. 40 Stunden allein für die Erwerbsarbeit sind aber immer noch zu viel, um andere Aktivitäten wie Fürsorgearbeit, Gemeinwesenarbeit, künstlerische Arbeit, Auszeiten oder "Ich-Zeit" im Leben unterzubringen. Nächstes "Etappenziel" könnten demnach 20 Stunden sein. Damit würde auch die gerechtere Aufteilung von Fürsorgearbeit zwischen den Geschlechtern einfacher. Das patriarchale Modell des männlichen Alleinverdieners würde aufgebrochen. Die allgemeine Reduktion von Erwerbsarbeit ist auch in ökologischer Hinsicht ein Gebot der Stunde. Suffizienz statt Produktion lautet die neue Leitlinie in Überverbrauchsländern.


Arbeit soll gerecht entlohnt werden


Im Jahr 2011 verdiente der Hedge-Fonds-Manager John Paulson nicht weniger als fünf Milliarden US-Dollar. Das war mehr als das Dreihundertfünfzigtausendfache des damaligen bundesweiten Mindestlohns in den USA. Seine "Leistung" war die Betreuung und Vermehrung der Finanzvermögen der Vermögensten. Das ist genauso wenig sinnvoll, wie Fürsorgearbeiten in prekärer Beschäftigung zu halten chronisch unter- oder gar nicht zu bezahlen. Das Betreuen von Menschen - Kindern, Kranken, Behinderten, Alten und Sterbenden - zählt zu den sozial wertvollsten Arbeiten; hingegen erzeugt das Betreuen von Hedge-Fonds einen negativen sozialen Wert, zumal es die systemische Instabilität wie die soziale Ungleichheit erhöht. Abhilfe würde ein Mindesteinkommen schaffen, das zu einem guten Leben mit der Deckung aller Grundbedürfnisse reicht, verbunden mit einem Höchsteinkommen, das in vernünftiger Relation zum Mindesteinkommen steht. Dazwischen könnte es ein moderates Maß an Ungleichheit geben. Neben Verantwortung und Qualifikation sollten besonders bei den variablen Vergütungsregeln soziale und ökologische Kriterien zur Bewertung von Leistung herangezogen werden. 


Zitate


"Entscheidend für ein gelingendes Leben ist die Kombination von Tätigkeiten, die uns auf der intellektuellen, emotionalen, körperlichen, sinnlichen, sozialen, ökologischen und spirituellen Ebene nähren und erfüllen." Christian Felber: Arbeit, Wert und Gemeinwohl

"Weder soll die Arbeit zu einer Mühsal oder monoton werden, noch vorrangig dem Gelderwerb dienen." Christian Felber: Arbeit, Wert und Gemeinwohl

"Gesamtgesellschaftlich ist es nicht effizient, dass die einen in Dauerstress-Tretmühlen gefangen sind, und andere ‚arbeitslos‘." Christian Felber: Arbeit, Wert und Gemeinwohl

"Die allgemeine Reduktion von Erwerbsarbeit ist auch in ökologischer Hinsicht ein Gebot der Stunde. Suffizienz statt Produktion lautet die neue Leitlinie in Überverbrauchsländern." Christian Felber: Arbeit, Wert und Gemeinwohl

"Das Betreuen von Menschen - Kindern, Kranken, Behinderten, Alten und Sterbenden - zählt zu den sozial wertvollsten Arbeiten." Christian Felber: Arbeit, Wert und Gemeinwohl

 

changeX 25.04.2023. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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Quellenangaben

Autor

Christian Felber
Felber

Mag. Christian Felber ist Buchautor, Hochschullehrer und freier Tänzer in Wien. Er ist Initiator der Genossenschaft für Gemeinwohl und der Gemeinwohl-Ökonomie. Er ist Autor mehrerer Wirtschaftsbuch-Bestseller, zuletzt This is not economy, Ethischer Welthandel und Die Gemeinwohl-Ökonomie. © Foto: Norbert Kopf

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