Zukunftsbuch 2023
Die Bücher des Jahres ausgewählt von pro zukunft und changeX
Die elf inspirierendsten Bücher des zu Ende gehenden Jahres: Sachbücher, die gesellschaftliche Entwicklungen kritisch reflektieren und neue Zukunftsperspektiven eröffnen - Bücher für zukunftsweisendes Denken. Die Autorinnen und Autoren mit ihren Büchern: Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung schlägt ein neues Paradigma vor, das der Komplexitäts- und Chaostheorie entstammt: das der Faltung. Die Künstlerin und Schriftstellerin Jenny Odell zeigt, wie eng unser Zeiterleben mit dem westlich-rationalistischen Weltbild und Lebensstil verbunden ist - und plädiert dafür, die Vielfalt von Zeiterfahrungen wieder wahrnehmen zu lernen. Die Philosophin Miranda Fricker entwickelt in ihrem Buch die Idee, dass es eine besondere Art von Ungerechtigkeit gibt, die uns spezifisch als Erkennende und Wissende betrifft: epistemische Ungerechtigkeit. Die Soziologen Steffen Mau, Thomas Lux und Linus Westheuser vermessen den Konfliktraum in Deutschland - und finden keine Polarisierung, wohl aber polarisierende Debatten, die sich an bestimmten neuralgischen Themen entzünden, die die Menschen emotionalisieren: an Triggerpunkten. Martin Seligman, der Begründer der Positiven Psychologie, beschreibt zusammen mit Gabriella Rosen Kellerman die Prospektion als die zentrale Zukunftskompetenz unserer Zeit: die Fähigkeit, sich die Zukunft vorzustellen und sie zu planen. Der Autor und Neurowissenschaftler Henning Beck spürt verbreiteten Denkfehlern und kognitiven Verzerrungen in Politik und Gesellschaft nach. Sein Ziel: unser Denken zu verbessern. Jane McGonigal stellt ein Lernprogramm für Zukunftsdenken vor und plädiert für dringlichen Optimismus in der Beschäftigung mit der Zukunft. Stella Schaller, Lino Zeddies, Ute Scheub und Sebastian Vollmar vom Thinktank Reinventing Society zeigen: Wir brauchen neue Bilder von der Zukunft, um mit Lust und Tatkraft das Kommende mitzugestalten. Claudia Kemfert rekonstruiert, wie politische Blindheit Deutschland in die Abhängigkeit von russischem Gas getrieben und die Energiewende abgewürgt hat. Thor Hanson führt drastisch vor Augen, dass die Auswirkungen der Klimakrise auf unsere Umwelt bereits Realität sind. John von Düffel schließlich stellt die Frage nach dem richtigen Leben und findet seine Antwort im Maßhalten, in der Orientierung an dem, was man wirklich, wirklich braucht.
Anders Levermann:
Die Faltung der Welt.
Wie die Wissenschaft helfen kann, dem Wachstumsdilemma und der Klimakrise zu entkommen.
Ullstein Verlag, Berlin 2023, 272 Seiten, 23.99 Euro (D), ISBN 978-3-550202124
Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung schlägt ein neues Paradigma aus der Komplexitäts- und Chaostheorie vor: das der Faltung. Faltung entsteht immer dann, wenn ein sich selbst entwickelndes System an Grenzen stößt. Dann wird der Wachstumsimpuls gebrochen und in Richtung Erneuerung und Innovation umgelenkt. Statt unbegrenzten Wachstums in eine Richtung entsteht so ein Wachstum in die Vielfalt, in die Diversität. Faltung als neues Paradigma jenseits des Wachstumsdenkens eröffnet einen neuen Ansatz, die Transformation der Wirtschaft und die Bewältigung der Klimakrise zusammenzudenken. Und neue Ideen sind gefragt. Denn eine bloße Reduktion der Treibhausgase, das zeigt Levermann eindringlich, reicht nicht aus, um die Erderhitzung zu stoppen. Und Verzicht taugt nicht als Handlungsmaxime gegen Umweltzerstörung und Klimawandel. Levermann bleibt dabei nicht bei den Begriffen stehen, sondern fasst die notwendige Wende in eingängige Bilder. An die Stelle der steil ansteigenden Kurve tritt das Bild eines Wachstums in Vielfalt. Und eine Vorstellung von Komplexität ersetzt das stupide Zwei-Achsen-Diagramm.
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Jenny Odell:
Zeit finden.
Jenseits des durchgetakteten Lebens. Aus dem Englischen übersetzt von Annabel Zettel.
Verlag C.H.Beck, München 2023, 440 Seiten, 28 Euro (D), ISBN 978-3-406-80770-1
Die Künstlerin und Autorin Jenny Odell zeigt, wie eng unser Zeitempfinden mit dem westlich-rationalistischen Weltbild und Lebensstil verbunden ist - und damit mit der Zerstörung unserer natürlichen Umwelt. Sie plädiert dafür, die Vielfalt von Zeiterfahrungen wieder wahrnehmen zu lernen: Chronodiversität. Die Zeit, wie wir sie heute wahrnehmen, ist historisch gesehen noch sehr jung. Erste Ansätze zu einer funktionalen Einteilung der Zeit findet die Autorin in den Gebetsregeln der Mönche im frühen Mittelalter. Diese Form der effektiven Zeiteinteilung wurde dann zur Grundlage für die Entwicklung von Formen abhängiger Arbeit - von der Fron- und Sklavenarbeit bis hin zur Lohnarbeit, die im Kapitalismus zur dominierenden Erwerbsform wurde. Mit der effizienzbedingten Taktung der Zeit wurde der kapitalistische Zeitgeber dominant und drängte andere Zeitgeber - wie etwa Mutterschaft, Fürsorge oder Gemeinschaftsarbeit - in den Hintergrund. Im Grunde aber befinden wir uns alle in einem Spannungsfeld von Zeitgebern, sagt die Autorin. Und fordert, ihre Existenz und Vielfalt wieder anzuerkennen. So führt Jenny Odell in diesem Buch fort, was sie in Nichts tun begonnen hat. Sie fordert uns auf, die ausgetretenen Pfade westlich-rationalistischer Zeitwahrnehmung zu verlassen, die Chronodiversität wahrzunehmen und so unseren Platz in der Welt zu erkennen - mit und in ihr, nicht aus einer Position vermeintlicher Objektivität.
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Miranda Fricker:
Epistemische Ungerechtigkeit.
Macht und die Ethik des Wissens. Mit einer Einführung von Christine Bratu und Aline Dammel, aus dem Englischen von Antje Korsmeier.
Verlag C.H.Beck, München 2023, 278 Seiten, 34 Euro (D), ISBN 978-3-406-79892-4
Die Philosophin Miranda Fricker entwickelt in ihrem Buch die Idee, dass es eine besondere Art von Ungerechtigkeit gibt, die uns spezifisch als Erkennende und Wissende betrifft: epistemische Ungerechtigkeit. Die Benachteiligung im Zugang zu Wissen und Erkenntnisressourcen ist demnach keine abhängige Variable bestehender Benachteiligungen, wie sie etwa Frauen oder Menschen mit Migrationsgeschichte erfahren, sondern eine eigene, systematische Kategorie von Ungerechtigkeit. Sie rührt an den Zusammenhang von Wissen und Menschenwürde: "Jegliches epistemische Unrecht verletzt jemanden in seiner Eigenschaft als Wissenssubjekt und damit in einer Eigenschaft, die für den Wert eines Menschen wesentlich ist." Ein bahnbrechendes Buch, das Wissen und Erkenntnis einen eigenständigen Stellenwert als Grundlage der Menschenwürde zuweist - ein folgenreicher Shift im Denken. Fazit: Ein Klassiker über Formen von Ungerechtigkeit, der nun endlich in deutscher Übersetzung vorliegt. Miranda Fricker gelingt es, unser Blickfeld ganz grundlegend zu erweitern.
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Steffen Mau, Thomas Lux, Linus Westheuser:
Triggerpunkte.
Konsens und Konflikt in der Gegenwartsgesellschaft.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2023, 540 Seiten, 25 Euro (D), ISBN 978-3-518-02984-8
Die Sozialwissenschaftler Steffen Mau, Thomas Lux und Linus Westheuser vermessen den Konfliktraum in Deutschland - und finden keine Polarisierung, keine Spaltung der Gesellschaft. Ihre breit angelegte empirische Studie kommt zu einem anderen Ergebnis: Die Einstellungen driften nicht auseinander, in vielen großen gesellschaftlichen Fragen herrscht überraschend viel Konsens. Polarisierende Debatten entzünden sich vielmehr an bestimmten neuralgischen Themen, die die Menschen emotionalisieren: an Triggerpunkten. Hier entlädt sich "Erregungsüberschuss", hier werden "besonders aufgeladene Konflikte aktiviert" und "ein ansonsten vorhandener Grundkonsens zerbricht". Das Buch bietet reichlich Anstöße zum Nachdenken: über das Wesen von Konflikten und darüber, wie Menschen in Veränderungsprozesse eingebunden werden können. Und über den Nutzen guter Empirie. Nicht zuletzt ist Triggerpunkte ein Glanzstück empirischer Sozialforschung.
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Gabriella Rosen Kellerman, Martin Seligman:
Tomorrowmind.
Das Toolkit für mentale Stärke, Gesundheit und mehr Freude an der Arbeit, übersetzt von Judith Elze & Katrin Harlaß.
Ariston Verlag, München 2023, 336 Seiten, 24 Euro (D), ISBN 978-3424202649
Martin Seligman, der Begründer der Positiven Psychologie, beschreibt zusammen mit Gabriella Rosen Kellerman die Prospektion als die zentrale Zukunftskompetenz unserer Zeit: die Fähigkeit, sich die Zukunft vorzustellen und sie zu planen. Nach dem standardisierenden Industriezeitalter sei Prospektion heute wieder gefragt, um mit dem schnellen und unvorhersehbaren Wandel Schritt zu halten. Sie sei die "Metakompetenz unserer Zeit". Zusammen mit vier weiteren Kompetenzen bildet sie die Grundlage für den titelgebenden Begriff "Tomorrowmind", verstanden als "eine Denkweise, die uns ermöglicht, Veränderungen zu antizipieren, angemessen zu planen, mit Rückschlägen umzugehen und unser volles Potenzial auszuschöpfen". Der Grundtenor des Buches ist positiv-optimistisch: Diese Fähigkeiten können gelehrt und gelernt werden. Oder allgemeiner formuliert, die Erkenntnisse der Verhaltenswissenschaften versetzen uns Menschen in die Lage, mit dem neuartigen Wandel unserer Zeit umzugehen. Eine dichte, fundierte Darstellung, die sich vor allem durch vernetztes Denken auszeichnet.
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Henning Beck:
12 Gesetze der Dummheit.
Denkfehler, die vernünftige Entscheidungen in der Politik und bei uns allen verhindern.
Econ Verlag, Berlin 2023, 256 Seiten, 20 Euro (D), ISBN 978-3-430211024
Der Autor und Neurowissenschaftler Henning Beck spürt verbreiteten Denkfehlern und kognitiven Verzerrungen nach - in der Politik, in der Gesellschaft, bei uns allen. Kognitive Verzerrungen sind systematische Denkfehler. Sie sind tief in unserem Denken verankert. Viele wurden bereits nachgewiesen, entsprechend unübersichtlich ist das Feld. Henning Beck unternimmt nun den Versuch, das Thema in einer narrativen, anschaulichen und nachvollziehbaren Form darzustellen. Dabei geht es um Fragen wie: Warum wir uns die Welt immer wieder falsch erklären, uns die Zukunft falsch vorstellen, uns nichts verbieten lassen und uns gerne in unseren Denkweisen bestätigen wollen. Ziel ist es, unser Denken zu verbessern, indem wir uns der kognitiven Stolpersteine bewusst werden, die uns in unserer Denkfähigkeit einschränken und unsere Wahrnehmung vernebeln. Schon das Wissen darüber sei "ein erster Schritt zu besserem Denken", so Beck. Seine zentrale These: "Wir haben die Verantwortung, gut zu denken. Das ist unser evolutionäres Erfolgsmodell." Ein Buch in bester Tradition aufklärerischen Denkens.
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Jane McGonigal:
Bereit für die Zukunft.
Das Unvorstellbare denken und kommende Krisen besser meistern, aus dem Englischen von Jürgen Neubauer.
Penguin Verlag, München 2022, 464 Seiten, 24 Euro (D), ISBN 978-3-328-60257-6
Jane McGonigal zeigt überzeugend, dass es Handlungsmöglichkeiten gibt, die Welt, in der wir leben wollen, mitzugestalten. Voraussetzung dafür ist, dass wir lernen, mit den tiefgreifenden Brüchen und Umbrüchen unserer Zeit umzugehen. Es ist eine Art Zukunftsschock, den wir erleben, so die Zukunftsforscherin. In dieser Situation gelte es, sich auf das einzustellen, was kommen könnte - also wie ein Zukunftsforscher denken zu lernen. Man müsse akzeptieren, dass es keine "Rückkehr zur Normalität" geben werde. Weil die Zukunft prinzipiell offen ist, heißt das aber zugleich: "Wahrscheinlich gab es nie eine größere Chance (…), unsere Gesellschaft wirklich zu verändern - und wir alle können einen Beitrag zum positiven langfristigen Wandel leisten." Gefragt sei "dringlicher Optimismus": Dieser "erkennt an, dass die Zukunft tatsächlich große Probleme und Bedrohungen bringen wird, doch er ist zugleich realistisch zuversichtlich, dass wir etwas zur Lösung dieser Probleme und zum Umgang mit diesen Gefahren beitragen können." Ein Lernprogramm im Zukunftsdenken.
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Stella Schaller, Lino Zeddies, Ute Scheub, Sebastian Vollmar, Reinventing Society (Hg.):
Zukunftsbilder 2045.
Eine Reise in die Welt von morgen.
oekom Verlag, München 2023, 176 Seiten, 33 Euro (D), ISBN 978-3-96238-386-2
Wir brauchen neue Bilder von der Zukunft, um mit Lust und Tatkraft das Kommende mitzugestalten. Das ist die Ausgangsthese dieses Buches. Den Autorinnen und Autoren vom Thinktank Reinventing Society geht es darum, den notwendigen Wandel attraktiv und andere Zukunftsentwürfe vorstellbar zu machen. Mit den reich bebilderten Beschreibungen einer anderen, ökologischen Wirtschaft und Gesellschaft ist das hervorragend gelungen. Eine fiktive Reise in verschiedene Städte der DACH-Region im Jahr 2045 macht deutlich, wie sich das Bild der Stadt verändert hat. Die Städte sind viel grüner und nachhaltiger geworden. Man sieht nur wenige Autos, dafür viele Radfahrende und Menschen zu Fuß. Öffentliche Plätze laden zum Verweilen und Flanieren ein. Urbane Gärten, Permakulturanlagen, Gewächshäuser und renaturierte Brachflächen prägen das Bild. Ebenso wie moderne Technik, denn jede Stadt braucht auch in Zukunft Unternehmen und Wirtschaftskraft. Doch die alten Industrien sind passé. Eine ökologische Zukunft ist möglich, das zeigt dieser Band sehr, sehr anschaulich. Ein inspirierendes Plädoyer für den Wandel und ein Aufruf zum Mitmachen.
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Claudia Kemfert:
Schockwellen.
Letzte Chance für sichere Energien und Frieden.
Campus Verlag, Frankfurt am Main 2023, 310 Seiten, 26 Euro (D), ISBN 978-3-593516967
Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am DIW, beschreibt in ihrem neuen Buch die energiepolitischen Folgen des Angriffs Russlands auf die Ukraine, und sie skizziert die Politik der Jahre zuvor, die zur Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas geführt hat. Kemfert nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn sie die Blindheit gegenüber dieser Abhängigkeit, die Verfilzung von Politik und fossiler Lobby und das Abwürgen der hoffnungsvoll gestarteten Energiewende anprangert. Im Zentrum ihrer Kritik stehen der ehemalige CDU-Umweltminister Peter Altmaier, der 2012 mit der "Ökostrompreisbremse" den Einbruch der Wind- und Solarenergie in Deutschland einläutete ("Altmaier-Knick"), sowie Sigmar Gabriel, als Wirtschaftsminister Hauptpromotor von Nordstream 2, der mit seiner "Ökostromreform" den Motor der Energiewende abwürgte ("Sigmar-Senke"). Kemfert zeigt, wie sehr Energiepolitik mit Machtpolitik und Lobbyismus verflochten ist. Ein wichtiges, aufklärerisches Buch, das zu Recht große Beachtung gefunden hat. Wenn, dann sind es Texte wie dieser, die demokratische Öffentlichkeit herstellen und etwas bewegen.
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Thor Hanson:
Von schrumpfenden Tintenfischen und windfesten Eidechsen.
Aus dem Englischen von Andrea Kunstmann.
Kösel Verlag, München 2022, 288 Seiten, 22 Euro (D), ISBN 978-3-466-37289-8
Thor Hanson beschreibt in seinem Buch, wie sich die Tier- und Pflanzenwelt an eine sich stetig erwärmende Umwelt anpasst: Tintenfische zum Beispiel, die kleiner werden, um ihren Energiehaushalt auf das sich wärmere Meerwasser einzustellen, oder Eidechsen, die sich kraftvoller am Untergrund festklammern, um den immer heftigeren Wüstenstürmen zu trotzen. Mit Beispielen wie diesen verdeutlicht Hanson eindrucksvoll, dass die Auswirkungen der Klimakrise auf unsere Umwelt bereits Realität sind. "Move, Adapt, or Die" - den Lebensraum verlassen, sich anpassen oder sterben - das sind die Optionen, die der Klimawandel vielen Arten lässt. Und der Druck steigt: "In Phasen eines sehr schnellen Klimawandels werden seine biologischen Auswirkungen durch andere ökologische Stressfaktoren verstärkt." Resilienz hänge von der gesamten Umwelt ab - für Hanson ein beunruhigender Gedanke, da Ökosysteme bereits heute mit gravierenden menschengemachten Stressfaktoren zu kämpfen haben, die weit schlimmer sind als frühere Eingriffe des Menschen in die Natur. Ein ebenso informativer wie beunruhigender Band.
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John von Düffel:
Das Wenige und das Wesentliche.
Ein Stundenbuch.
DuMont Buchverlag, Köln 2022, 160 Seiten, 23 Euro (D), ISBN 978-3832182205
John von Düffel stellt die Frage nach dem richtigen Leben und findet seine Antwort im Maßhalten, in der Orientierung an dem, was man wirklich braucht. Doch nicht dem Immer-mehr gilt sein Augenmerk, auch nicht dem Verzicht. Er denkt von der Askese her. Askese nicht in dem alten, esoterisch-weltabgewandten Verständnis eines Lebens in Keuschheit, Armut und Abgeschiedenheit. Sondern eine moderne Askese als "Übung der Konzentration auf das Wesentliche". Als "die einzige Antwort auf das Zuviel des Konsums". Nicht Verzicht sei gefragt, sondern Orientierung an dem, was man wirklich braucht. Der Asket der Zukunft finde seinen Maßstab im rechten Maß, so der Autor. Darum geht es: "Das Maß zu finden, das mir entspricht". Ein Weniger an Konsum nicht als Einschränkung, sondern als Befreiung von Unwichtigem. "Wegzulassen, was nicht fehlte", das ist die Kunst. Was das Buch leistet, ist eine Umkehrung der Perspektive: Askese emanzipiert sich vom Verzicht. John von Düffels hellsichtiges Stundenbuch ist das Buch der Stunde: in der Klimakrise, die das Wachstumsdenken an sein Ende führt.
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