changeX Top 11 Herbst 2013
Rechtzeitig zur Buchmesse: ein Update der Buchempfehlungen der changeX-Redaktion.
Einen Stapel an Verlagsvorschauen haben wir durchgeackert, einen halben Regalmeter Neuerscheinungen gesichtet, haben abgewogen und gewichtet - und hier ist das aktuelle Buchranking mit den gefühlt wichtigsten Neuerscheinungen des Herbstes. Ein Update folgt im November.
Wolf Lotter:
Zivilkapitalismus.
Wir können auch anders.
Pantheon Verlag, München 2013, 224 Seiten, 14.99 Euro, ISBN 978-3-570-55231-5
"Wer verteidigt eigentlich den Kapitalismus?", fragt Wolf Lotter in seinem neuen Buch. Die Frage bleibt rhetorisch, denn der Autor springt selbst in die Bresche und legt eine fulminante Verteidigungsschrift vor. Genauer: einen Grundkurs in wirtschaftlichem Denken, ein Aufklärungsbuch. Lotter fordert auf, "die trotzige Haltung gegen den Kapitalismus zur Seite zu legen und stattdessen das Werkzeug der Ökonomie für ein besseres Leben anzuwenden". Und noch mal genauer: Erstens ist es nicht der Kapitalismus, den Lotter verteidigt. Den Kapitalismus gibt es nicht. Es gibt viele, vielgestaltige, an unterschiedliche Bedingungen angepasste Kapitalismen. Zweitens ist Kapitalismus keine Ideologie. Er ist "ein Instrument, ein Werkzeug". Und ein Instrument kann man nutzen. Ja: Man kann den Kapitalismus benutzen, um sein Leben zu verbessern. Das ist der entscheidende Punkt: Für Lotter ist die Aufklärung auf halbem Wege stehen geblieben, wenn sie nicht auch den ökonomischen Bereich erobert. "Wir sind wohlhabend und frei genug, um uns das letzte, fehlende Glied der Aufklärung anzueignen: das Wissen um Ökonomie." Das Produkt dieser Aneignung nennt Lotter Zivilkapitalismus. Zivilkapitalismus ist die Wiederaneignung der Wirtschaft durch den Menschen, ist die Vision einer Wirtschaft zum Mitmachen. Mitreißend.
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Stefan Kaduk, Dirk Osmetz, Hans A. Wüthrich, Dominik Hammer:
Musterbrecher.
Die Kunst, das Spiel zu drehen.
Murmann Verlag, Hamburg 2013, 264 Seiten, 24.90 Euro, ISBN 978-3-86774-267-2
Das Management predigt den Wandel. Lässt "Wind of Change" spielen. Und der CEO trägt ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Querdenker". Doch ist Andersmachen in den Unternehmen meist bloße Rhetorik, Change eine Form von atemlosem Stillstand. Eingebettet in fröhliche Metaphern des Aufbrechens wird weitergemacht wie bisher. Das ist die Diagnose des neuen Buches von Kaduk & Co., die eine komplette Neufassung ihres Musterbrecher-Titels vorlegen. Ihr Buch ist ein Streifzug durch die Paradoxien in Organisationen. Es beschreibt, wie Veränderung in den Tiefen der Organisationen steckenbleibt. Es sagt aber auch, wie sie gelingen kann: Indem Einzelne die Routinen des Gewohnten, des Eingespielten durchbrechen. Musterbrecher.
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Thomas Vašek:
Work-Life-Bullshit.
Warum die Trennung von Arbeit und Leben in die Irre führt.
Riemann Verlag, München 2013, 288 Seiten, 16.99 Euro, ISBN 978-3-570-50153-5
Endlich sagt es mal einer. Mit dem notwendigen Nachdruck und der gebotenen Wucht: Arbeit ist Leben. Die Trennung zwischen beidem ist Unsinn. Bullshit. Thomas Vašek, Chefredakteur des Philosophiemagazins Hohe Luft, räumt auf in dem Trümmerfeld, das Ora-et-labora-Diktat, protestantische Ethik und neuzeitlicher Arbeitswahn hinterlassen haben. Sein Buch ist eine Verteidigung der Arbeit. Und eine notwendige Klarstellung, die sich gleichwohl der Tatsache stellen muss, dass wir immer weniger sagen können, was das eigentlich ist: Arbeit, gute Arbeit.
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Holm Friebe:
Die Stein-Strategie.
Von der Kunst, nicht zu handeln.
Carl Hanser Verlag, München 2013, 216 Seiten, 14.90 Euro, ISBN 978-3-446-43677-0
Die Stein-Strategie, das sind eigentlich zwei Bücher: einmal eine Persiflage auf die tumb-belehrenden Ratgeber der neoliberalen Ära. Zum anderen eine kluge Reflexion über die Wirksamkeit des Handelns und den atemlosen Zwang zum Aktionismus, der längst Organisationen und Menschen infiziert hat. Wo sich hektische Betriebsamkeit breitmacht, wo Handeln als Imperativ hochgehalten wird und Zögern, Zaudern oder auch nur Nachdenken als fatale Schwäche gilt, ruft Holm Friebe ein beherztes "Stopp!" in die Runde. Sein Buch hinterfragt den vordergründigen Aktionismus und plädiert für eine wohlüberlegte, abwartende Bedächtigkeit. Hierin liegt der Wert dieses Buches: Daran zu erinnern, dass man dem allgemeinen Handlungsimperativ ein beherztes Abwarten entgegensetzen kann. Oder auch ein entschlossenes Nichtstun. Das ist ein wichtiger Perspektivwechsel, eine oft vergessene Handlungsoption.
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Martin Nowak:
Kooperative Intelligenz.
Das Erfolgsgeheimnis der Evolution.
Verlag C.H.Beck, München 2013, 347 Seiten, 24.95 Euro, ISBN 978-3-406-65547-0
Nicht nur die Ökonomie ist auf (mindestens) einem Auge blind. Das gilt (mindestens) auch für die Biologie. Auch sie folgte von Beginn an dem Leitmotiv der Konkurrenz und rückte den Kampf ums Überleben in den Mittelpunkt. Sie wurde damit zum Vorbild der ökonomischen Lehre. Das ist die dunkle Seite der Biologie, sagt Martin A. Nowak, Mathematiker, Biologe, Evolutionsspezialist und Professor in Harvard. Es gibt aber auch eine lichte Seite. Konkurrenz ist nicht die ganze Geschichte. "Um zu überleben, betreiben die Geschöpfe jedweder Spezies und auf jeder Stufe der Komplexität auch Kooperation." Lange Zeit galt diese als Problem, das wegerklärt werden musste und wurde. Heute rückt sie ins Zentrum. Für Nowak ist Kooperation - neben Mutation und Selektion - "ein drittes Prinzip in der Entwicklungsgeschichte des Lebendigen". Sie ist die kreative, die konstruktive Seite, ja "die Chefarchitektin der Evolution". Und diese Erkenntnis ist erst der Anfang, so Nowak: Wir müssen lernen, besser zu kooperieren, und "wir müssen mit der Wissenschaft der Kooperation vertraut werden".
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Michel Serres:
Erfindet euch neu!.
Eine Liebeserklärung an die vernetzte Generation.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2013, 69 Seiten, 8 Euro, ISBN 978-3-518-07117-5
Ein Bewohner des antiken Römischen Reiches hätte, eineinhalb Jahrtausende in die Neuzeit versetzt, kaum Probleme gehabt, sich in der Welt um 1500 zu orientieren. Dieses Gedankenexperiment wird gelegentlich angeführt, um den epochalen Bruch zu verdeutlichen, der sich wenig später in der industriellen Revolution vollzog. Eine ähnliche Zeitenwende proklamiert der französische Philosoph Michel Serres heute: "Ohne dass wir dessen gewahr wurden, ist in einer kurzen Zeitspanne, in jener, die uns von den siebziger Jahren trennt, ein neuer Mensch geboren worden" - die Angehörigen der vernetzten Generation. Sie haben nicht mehr den gleichen Körper, nicht mehr den gleichen Kopf, sagt Serres, sie wohnen nicht mehr im selben Raum und, vor allem, sie kommunizieren nicht mehr auf die gleiche Weise. Und sie nehmen nicht mehr dieselbe Welt wahr. Mit zwei flinken Daumen an der Tastatur ihrer Smartphones erschließen sich die "Däumlinge", wie er sie zärtlich nennt, eine neue Welt. Sicher identifiziert Serres die großen Umbrüche in der Unschärfe unserer Zeit. In der französischen Philosophietradition stehend läuft er nicht Gefahr, diese Unschärfe durch allzu große begriffliche Präzision auszutreiben. Ein moderner Mythos auf 70 Seiten.
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Patrick D. Cowden:
Neustart.
Das Ende der Wirtschaft, wie wir sie kennen. Ab jetzt zählt der Mensch!.
Ariston Verlag, München 2013, 256 Seiten, 19.99 Euro, ISBN 978-3-424-20092-8
"Die Wirtschaft, wie wir sie kennen, neigt sich dem Ende zu." Es sind starke Töne, die Patrick D. Cowden in seinem neuen Buch anschlägt. Hatte er in seinem letzten Titel noch die Memmenkultur in den Vorstandsetagen beklagt, setzt er heute auf Neustart. Proklamiert: Das alte System, das auf ökonomische Kennziffern, auf Rendite und auf kurzfristige Quartalsgewinne ausgerichtet ist, die alte industriegesellschaftliche Wirtschaftsmaschine, hat ausgedient. Und: Die Alternative, "das sind wir selbst". Weil wir nur so die Potenziale, die in uns Menschen selbst liegen, zur Entfaltung bringen können. "Wir müssen uns jetzt von unseren Ketten befreien und unser Vermögen als Menschen, füreinander und miteinander zu handeln, zur Entfaltung bringen." Das klingt pathetisch. Das klingt nach Aufbruch. Also los!
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Robert Greene:
Perfekt!.
Der überlegene Weg zum Erfolg.
Hanser Verlag, München 2013, 416 Seiten, 24.90 Euro, ISBN 978-3-446-43679-4
Erfolg. Unzählige Ratgeber haben diesem Begriff jegliche Magie ausgetrieben und seinen Gehalt runtergenudelt auf die Simplizität banaler How-to-Rezepte, die sich dann meist auch noch Strategie nennen. Das hat dazu geführt, dass Erfolg nicht selten in einem Atemzug mit Geld genannt wird - das Doppelgestirn einer aufs Materielle fixierten Gesellschaft. Robert Greene gibt dem Erfolg nun seine Magie zurück. Er beschreibt ihn nicht als Attribut, als etwas Äußerliches, sondern als inneren Zustand. Und nennt diesen gänzlich unzeitgemäß Meisterschaft: "das Gefühl, dass wir die Realität, andere Menschen und uns selbst besser unter Kontrolle haben", einen Zustand, in dem wir "Zugang zum Kern des Lebens" haben. Das glänzend - meisterhaft - geschriebene Buch widmet sich dem mühevollen Weg, der zu wahrer Meisterschaft führt. Und reißt zugleich die Mauer der Genialität ein, mit der sie jahrhundertelang umgeben wurde. Unsere Zeit ermögliche es immer mehr Menschen, der Kraft ihrer Neigungen zu folgen. Meisterschaft, so Greene, sei eine "Macht, die in jedem von uns schlummert".
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Catharina Bruns:
work is not a job.
Was Arbeit ist, entscheidest du!.
Campus Verlag, Frankfurt am Main 2013, 240 Seiten, 19.99 Euro, ISBN 978-3-593398006
Die Zeit der Jobs ist vorbei. Die Epoche, als Arbeit Mühsal war: aufoktroyierte Plackerei. Heute (und verstärkt in Zukunft) läuft es anders mit der Arbeit: Herausfinden, was man gerne macht, und sich seine ganz persönliche Arbeit drumherum bauen. Seine Traumarbeit selbst schaffen. Job Crafting nennt man das in der sozialwissenschaftlichen Forschung. Was so viel heißt wie: zimmere dir deinen Job selbst zusammen. Was indes noch zu schaffen wäre: die Verallgemeinerung dieser Idee über die bürgerliche, gebildete Mittelschicht hinaus. Nicht umsonst heißt crafting "handwerklich herstellen". Auf jeden Fall ist Catharina Bruns ein Zwischenruf gelungen, der nachklingt.
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Frank Riedel:
Die Schuld der Ökonomen.
Was Mathematik und Ökonomie zur Krise beitrugen.
Econ Verlag, Berlin 2013, 208 Seiten, 19.99 Euro, ISBN 978-3-430201568
Banker-Bashing ist in. In ist es auch, auf Spielarten der ökonomischen Theorie einzuhauen, sei es der Homo oeconomicus oder die Spieltheorie, die Frank Schirrmacher unlängst als Vehikel einer Weltverschwörung identifiziert haben wollte. Wohltuend ist es hingegen, wenn ein Buch die Bashing-Gefahr konsequent umschifft, zumal wenn es um die Schnittstelle zwischen Bankwesen und Wirtschaftswissenschaft geht, die Finanzmathematik. Frank Riedel, Professor für mathematische Wirtschaftsforschung, widmet sich dem Thema mit einer unaufgeregten Professionalität, die man sich im ökonomischen Diskurs öfter wünschen würde. Nüchtern analysiert Riedel, wie finanzmathematische Instrumente verbunden mit irrationalem Überschwang und fehlerhafter Regulierung beinahe das Finanzsystem zum Einsturz gebracht hätten. Und er zeigt, wie die Finanzmathematik spieltheoretisch gezähmt werden könnte. Ein elegantes Argument am Schluss zeigt, wozu die ökonomische Lehre gut sein könnte: "aufzuzeigen, wie sich rationale und egoistische Akteure in einem gegebenen Umfeld verhalten werden". Als eine Art Frühwarnsystem.
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Pavan Sukhdev:
Corporation 2020.
Warum wir Wirtschaft neu denken müssen.
oekom verlag, München 2013, 296 Seiten, 19.95 Euro, ISBN 978-3-86581-437-1
Einen radikalen Umbau der Wirtschaft fordert auch Pavan Sukhdev, ehemaliger Topmanager der Deutschen Bank. Er träumt davon, dass Wirtschaft und Gesellschaft endlich dieselben Ziele verfolgen, dass ein neuer Kapitalismus sich etabliert, "ein rücksichtsvoller Kapitalismus, der die Schaffung von Natur-, Sozial- und Humankapital anerkennt und belohnt". Ein Plädoyer für einen Neustart, gleichauf mit Lotters Zivilkapitalismus und Cowdens menschenzentrierter Wirtschaft? Vorsicht! Die Prämisse von 2020 lautet: "Alle wesentlichen Externalitäten - also externalisierte Kosten und externalisierter Nutzen - sollten gemessen, bilanziert und gemanagt werden." Messen, bilanzieren, managen, das kennen wir doch irgendwoher. Das ist Management, das ist die alte Logik, das alte System, die alte Sprache. Die Chance, ökologische Wirtschaftskritik an die Vision einer humanen Ökonomie anzudocken - verspielt.
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