changeX Top 11 April 2014
Unsere Buchempfehlungen April 2014
Komplett mit neuen Titeln bestückt ist unsere zweite Bücherliste dieses Frühjahrs. Denn gefühlt sind schon mit dem Frühjahrsprogramm so viele spannende und wichtige Neuerscheinungen draußen wie sonst im ganzen Jahr. Ein Gesamtranking der Frühjahrstitel kommt dann im Mai: die Top 11 im Frühjahr 2014.
Lars Vollmer:
Wrong Turn.
Warum Führungskräfte in komplexen Situationen versagen.
Verlag Orell Füssli, Zürich 2014, 224 Seiten, 19.95 Euro, ISBN 978-3-280-05527-4
Der Komplexität unserer Welt können Unternehmen nur mit Komplexität begegnen, das ist die These von Lars Vollmers Buch. Klare Ursache-Wirkungs-Beziehungen gibt es heutzutage nicht mehr, die Welt ist unklar, unberechenbar. Keine Chance mehr für hierarchisch gesteuerte Systeme, die auf Modellrechnungen, Szenariodenken und Best-Practice-Anwendungen setzen. Unternehmen müssen selbst komplex werden. Müssen ungeplante, anforderungsbedingte Vernetzung zulassen. Und sich von der Idee der klassischen Führungskraft verabschieden. Führung wird situationsbedingt übernommen. Etwa in selbst organisierten Arbeitsgruppen, in denen derjenige führt, der die meiste Ahnung hat. Aufgabe der alten "Führungskräfte" ist es dann, flexible Strukturen zu schaffen, in denen Komplexität entstehen und wirken kann. Ein sehr gut erzähltes, praxisnahes Buch. Keine "How-to"-Anleitung, sondern ein Vorschlag zum Rahmenwerk des Unternehmens im 21. Jahrhundert.
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Ruth Seliger:
Positive Leadership.
Die Revolution in der Führung.
Verlag Schäffer-Poeschel, Stuttgart 2014, 245 Seiten, 39.95 Euro, ISBN 978-3-7910-3267-2
Positive Leadership, das ist das Pendant zur Positiven Psychologie. Nur eben für Organisationen. Positive Leadership bedeutet, so Ruth Seliger in ihrem gleichnamigen Buch, "die Aufmerksamkeit auf Ressourcen, Stärken, Qualitäten, Erfolge, Potenziale zu lenken" statt auf Schwächen und Defizite. Damit verbunden sind Zuversicht und ein positives Menschenbild, das davon ausgeht, dass Menschen eben nicht durch Zwang oder Anreize dazu veranlasst werden müssen, ihre Arbeit zu tun. Seliger macht klar, was dieser Paradigmenwechsel bedeutet: Organisationen als sich selbst organisierende lebende Systeme verstehbar zu machen. Letztlich gehe es darum, positive Organisationen zu gestalten: Organisationen, die wissen, wozu sie da sind, die Sinn vermitteln und Tätigkeiten so organisieren, dass die Mitarbeiter ungestört (zusammen)arbeiten und ihre Fähigkeiten entwickeln können. Wer heute über Führung und die Weiterentwicklung unserer Organisationen mitreden will, kommt an diesem hellsichtigen Buch nicht vorbei.
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Anne M. Schüller:
Das Touchpoint-Unternehmen.
Mitarbeiterführung in unserer neuen Businesswelt.
GABAL Verlag, Offenbach 2014, 368 Seiten, 29.90 Euro, ISBN 978-3-869365503
Kunden heute schlucken nicht mehr einfach, was Unternehmen ihnen vorsetzen. Sie sind anspruchsvoll, gut vernetzt und gerne bereit, andere an ihren Erfahrungen teilhaben zu lassen - und nichts anderes gilt für die Mitarbeiter. Anschaulich beschreibt Anne M. Schüller in ihrem neuen Buch, was diese Machtverlagerung hin zu Kunden und Mitarbeitern für die Gestaltung und Führung von Unternehmen bedeutet. Konsequent denkt sie das Unternehmen von den Kundenbeziehungen her - und kommt dabei zu ganz ähnlichen Ergebnissen wie andere, die vom Inneren der Organisation ausgehen: Unternehmen sind künftig nicht mehr pyramidenförmig, sondern haben eine nach außen runde und nach innen vernetzte Struktur. Führungskräfte sind den Mitarbeitern nicht mehr hierarchisch übergeordnet, sondern übernehmen eine koordinierende Funktion. Mitarbeiter werden zu Mitgestaltern - ebenso wie die Kunden, die mit ihrem Wissen zur Verbesserung von Services und Produkten beitragen. Wann das alles umgesetzt wird? Klar sagt Schüller: Unternehmen haben keine andere Wahl.
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Edward Slingerland:
Wie wir mehr erreichen, wenn wir weniger wollen.
Das Wu-Wei-Prinzip.
Berlin Verlag, Berlin 2014, 352 Seiten, 19.99 Euro, ISBN 978-3-8270-1067-4
Wu Wei, das heißt so viel wie "nicht handeln". Genauer: "Handeln durch Nicht-Handeln", so hat es Holm Friebe übersetzt und als Baustein seiner Stein-Strategie angeführt: Wir sollten zwar möglichst viele entscheidungsrelevante Fakten intellektuell verarbeiten, dann aber unser Unbewusstes machen, entscheiden lassen. Nun gibt es ein ganzes Buch zu diesem aus der konfuzianischen und taoistischen Philosophietradition stammenden Konzept. Geschrieben hat es Edward Slingerland, kanadischer Professor für Asienstudien und Experte für chinesische Philosophie und die interdisziplinäre Erforschung von Kognition, Kultur und Religion. Mit seinem Titel reiht es sich geschickt ein in die aktuelle Debatte um ein gutes Leben, bietet aber mehr als platte Alltagsphilosophie. Im Gegenteil: Es ist eine spannende und mitunter herausfordernde geistige Reise durch das wenig erkundete Terrain zwischen westlichem und östlichem Denken. Mit Sicherheit eines der intellektuell inspirierendsten Bücher dieses Frühjahrs.
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Matthias Sutter:
Die Entdeckung der Geduld.
Ausdauer schlägt Talent.
Ecowin Verlag, Salzburg 2014, 168 Seiten, 22.95 Euro, ISBN 978-3-7110-0054-5
Geduld, das galt lange Zeit als etwas für Langweiler. Die Verhaltensökonomie aber zeigt: Geduld ist ein wesentlicher Faktor für Erfolg. Das neue Buch von Matthias Sutter leuchtet den Zusammenhang aus. Die Botschaft ist eindeutig: Geduld kann ein wesentlicher Faktor für Erfolg und Lebenszufriedenheit sein, ist vielleicht sogar wichtiger als Intelligenz und Talent. Nicht selten freilich geht beides Hand in Hand, intelligente Menschen bringen mit höherer Wahrscheinlichkeit mehr Geduld auf. Umgekehrt gibt es Hinweise darauf, dass ein höheres Maß an Geduld weniger Intelligenz durchaus kompensieren kann. Deutlich wird: Das Ausmaß an Geduld und Selbstkontrolle in der Kindheit prägt unseren späteren Lebensweg in einem erstaunlichen Maße. Geschickt baut Sutter auf dem berühmten Marshmallow-Experiment auf und führt in die Erkenntnisse ein, die Psychologie und Verhaltensökonomie seither zusammengetragen haben.
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Daniel H. Pink:
Mehr Wert.
Die Kunst, gefragt zu sein.
Ecowin Verlag, Salzburg 2014, 304 Seiten, 23.95 Euro, ISBN 978-3-7110-0046-0
Verkaufen? Igitt. Eine Gänsehaut des Unwohlseins schickt vielen allein der Gedanke über den Rücken. Sofort entsteht ein Bild vor dem inneren Auge: aalglatte Schmeichler, die einem etwas aufschwatzen wollen; zwielichtige Gauner, die nur den eigenen Gewinn im Kopf haben; Tunichtgute, die ihre einzige Chance auf irgendein Auskommen nutzen. Von wegen. Der amerikanische Wissenschaftsjournalist und Bestsellerautor Daniel Pink führt uns detailliert und höchst anschaulich auf 300 Buchseiten vor Augen, dass wir uns mal wieder geschnitten haben. Verkaufen ist längst zum Jedermannsgeschäft geworden. Zwar verhökern nicht alle Gebrauchtwagen oder Luxusklamotten. Doch 40 Prozent unserer Zeit verbringen die Menschen moderner Gesellschaften damit, andere zu etwas zu bewegen. Wir überreden, überzeugen und beeinflussen Menschen, etwas, was sie haben, aufzugeben und es für das, was wir haben, einzutauschen. Und das entscheidet wesentlich über unseren beruflichen Erfolg. "Verkauf, ohne zu verkaufen", nennt das Pink und erklärt sehr plausibel, wie das geht und worauf es dabei ankommt.
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Dirk Baecker:
Neurosoziologie.
Ein Versuch.
Suhrkamp Verlag, edition unseld 52, Berlin 2014, 262 Seiten, 18 Euro, ISBN 978-3-518-26052-4
Allein die Tatsache, dass jeder Mensch ein Gehirn mit sich herumträgt, reicht nicht hin, die erstaunliche öffentliche Aufmerksamkeit und Resonanz zu erklären, die die Hirnforschung in den vergangenen Jahren erfahren hat. Auch die Suggestivkraft der bunten Bilder aus Hirnscannern kann das nicht hinreichend erklären. Da muss man tiefer stochern. Das tut Dirk Baecker mit seinem Versuch, eine Neurosoziologie zu begründen. Er tut das mit dem erklärten Interesse, die Neuropublizisten nicht ungestraft aus den Augen zu lassen. Und er wirft eine Menge spannender Fragen auf. Zum Beispiel die, warum ausgerechnet im historischen Umbruch der Digitalisierung "die Elektronik zu einem Paradigma der Beschreibung der Konnektivität des Gehirns" wird - "und umgekehrt". Spannend.
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Rob Symington, Dom Jackman, Mikey Howe:
Das Escape-Manifest.
Das Leben ist kurz. Steigen Sie aus. Kündigen Sie. Fangen Sie etwas Neues an.
GABAL Verlag, Offenbach 2014, 312 Seiten, 24.90 Euro, ISBN 978-3-869365541
Escape the City, von drei ehemaligen Professionals der Londoner City 2010 vor dem Hintergrund der Finanzkrise gegründet, hat sich in wenigen Jahren zu einer der erfolgreichsten Jobvermittlungen entwickelt. Für Leute, die mit ihren Jobs in den Tretmühlen der klassischen Karrieren in Banking oder Beratung nicht mehr zufrieden sind. Das dazu passende Escape-Manifest beschreibt jetzt, wie die drei Gründer die Welt sehen. Das Credo: Das Leben ist kurz. Tun Sie, was Ihrem Leben einen Sinn verleiht. Arbeiten Sie nicht für andere, sondern für sich. Das Buch durchziehen zahllose Beispiele von Menschen, die sich - über Escape the City natürlich - im Job selbst verwirklicht haben. Und bohrt praxisnah dicke Bretter: Wie wir uns von gesellschaftlichen Zwängen befreien, unsere Ängste überwinden, erfolgreich gründen, einen neuen Job finden. Immer mit dem Ziel: Tue das, was du wirklich willst. Ein Buch für Selbstverwirklicher, die Geld verdienen wollen.
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Sháá Wasmund, Richard Newton:
Nicht reden, machen!.
Fangen Sie einfach an, egal womit.
GABAL Verlag, Offenbach 2014, 184 Seiten, 22.90 Euro, ISBN 978-3-869365510
Tun, was wir wirklich wollen: Wer träumt nicht davon. Und kommt über das Reden nicht hinaus. Dazu sagen die Autoren: "Fangen Sie einfach an, egal womit". Radikal setzen sie auf die Kräfte, die durch den schlichten, unreflektierten ersten Schritt freigesetzt werden - vor allem, aber nicht nur beim Finden der Berufung. Gut gelaunt, in leicht zu konsumierenden Häppchen stellen sie dar, wie uns Ängste, Erfahrungen oder gesellschaftlicher Druck davon abhalten, einfach anzufangen mit dem, was wir eigentlich tun wollen. Dahinter versteckt sich einiges an psychologischem Wissen, das zusammen mit konkreten Instrumenten - etwa, wie man Ziele umsetzbar definiert oder welche Schritte es bei einer Gründung zu beachten gilt - vermittelt wird. Das Buch ist schneller gelesen als das Escape-Manifest, geht weniger in die Tiefe. Aber es handelt nicht nur von der Arbeit: Denn das fröhliche Anfangen kann auch im Privaten Energie freisetzen. "Einfach machen" wird hier zur allumfassenden Lebensphilosophie.
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Lisa Herzog, Axel Honneth (Hg.):
Der Wert des Marktes.
Ein ökonomisch-philosophischer Diskurs vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart.
Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, Berlin 2014, 670 Seiten, 25 Euro, ISBN 978-3-518-29665-3
"Markt", das klingt heute anders als noch vor ein paar Jahren. Und hat andere Konnotationen. Spätestens seit der Finanzkrise ist die Diskussion um Markt und Marktwirtschaft wieder in Gang gekommen. Und spätestens seit der Wiederentdeckung von Adam Smith - genauer: seiner Theorie der ethischen Gefühle - ist klar geworden, dass die Wirtschaftswissenschaft unter einem schweren Geburtsfehler leidet. "Die Verengung des Faches, die seit dem Wohlstand der Nationen stattgefunden hat", war folgenreich, ist aber nicht irreversibel. Sagt Lisa Herzog in der zusammen mit Axel Honneth herausgegebenen (und sparsam, aber pointiert kommentierten) Sammlung von ökonomisch-philosophischen Originaltexten von Mandeville und Smith über Marx und Hayek bis hin zu Sen. Eine Textsammlung, die hilft, Markt und Marktwirtschaft besser zu verstehen. Verdienstvoll.
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Willy Dumaz, Ingo Hofmeister:
Optische Enttäuschungen.
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2014, 224 Seiten, 7.50 Euro, ISBN 978-3-596-19870-2
Das ist ein Buch wie gemacht für Platz 11 unserer Top-11-Bestenliste. Mindestens so ernst gemeint und mindestens so tiefgründig. Nein, es ist ein vollkommen sinnfreies Buch, quadratischer, wie es nicht sein könnte, und voll mit Zeugs, das man früher Nonsense genannt hat. Früher, als es noch Sinn im Sinne rationaler Welterklärung gab. Heute steht Unsinn wie dieser für eine subversive Kreativität, die in diesem Fall nur spielen will, im Ernstfall aber auch beißen kann. Tipp: Lesen, verschenken - und vorher alles genau nach Anleitung ausschneiden.
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