Zweiter Schwung
Unsere Buchempfehlungen im November 2014
Wie in jedem Herbst haben die Verlage Massen von Büchern auf den Markt gekippt. Elf Titel aus dem Sach- und Wirtschaftsbuchbereich haben wir im Oktober bereits vorgestellt. Hier folgen weitere elf Bücher, die uns aufgefallen sind: unsere Leseempfehlungen zu den Themen Arbeit & Leben, Wirtschaft & Management, Wissen & Lernen. Und dann kommt auch schon bald unser Buch des Jahres.
Christoph Kucklick:
Die granulare Gesellschaft.
Wie das Digitale unsere Wirklichkeit auflöst.
Ullstein Buchverlage, Berlin 2014, 272 Seiten, 18 Euro, ISBN 978-3-550080760
Über die gesellschaftlichen Auswirkungen der Digitalisierung ist schon viel nachgedacht und viel spekuliert worden. In den unterschiedlichsten Dimensionen wurde auszuloten versucht, wie die Digitalisierung unsere Welt verändert: Beschleunigung, Globalisierung, Individualisierung, Vernetzung, Überwachung, Auflösung von Strukturen und Beziehungen und so weiter. "Auflösung" ist auch der Schlüsselbegriff bei Christoph Kucklick, aber ganz anders als in der verbreiteten kulturpessimistischen Sichtweise: "Auflösung" meint wie in der Fotografie die Detailgenauigkeit, mit der wir unsere Welt wahrnehmen - und mit ihr, so Kucklicks These, verändert sich unsere Realität selbst. Denn Digitalisierung bedeute vor allem: "Wir selbst und unsere Gesellschaft werden auf neue Weise vermessen ... alles wird feinteiliger, höher auflösend, durchdringender erfasst, analysiert und bewertet denn je." Für Computerwissenschaftler ist Granularität das Maß der Präzision von Daten. Für Kucklick entsteht mit wachsender Auflösung eine Gesellschaft neuen Typs, die granulare Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die mit wachsenden Möglichkeiten wachsende Freiheitsgrade ermöglicht. Tolle These!
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Peter Spork:
Wake up!.
Aufbruch in eine ausgeschlafene Gesellschaft.
Hanser Verlag, München 2014, 248 Seiten, 18.90 Euro, ISBN 978-3-446-44051-7
Wir sollen kreativ sein. Sollen gute Ideen haben, gute Produkte entwickeln. Unsere Gesellschaft ist auf Kreativität gepolt, in ihren Zeitstrukturen aber verharrt sie im Industriezeitalter. Arbeitsbeginn, Schulbeginn, Pausenzeiten, alles folgt der strengen Taktung industrieller Produktion. Und schert sich einen Dreck um Biorhythmus, Schlaf- und Lichtbedürfnisse - die aber sind Voraussetzung für Lernerfolg und kreatives Arbeiten. Peter Spork, Neurobiologe und Wissenschaftsjournalist, hat zusammengetragen, was wir über unsere innere Uhr und die Umfeldbedingungen von Konzentration und Kreativität wissen, und hat diese Erkenntnisse auf unseren Alltag übertragen. Ergebnis: ein Acht-Punkte-Plan, wie wir, so der Verlag, "wieder im Einklang mit dem Rhythmus der Natur leben können". Kernforderungen: Abschaffung der Sommerzeit, mehr Licht bei der Arbeit, Berücksichtigung unterschiedlicher Chronotypen statt Präsentismus im Büro. Ein überfälliges Plädoyer für mehr Zeitsouveränität. Und für eine ausgeschlafene Gesellschaft.
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Erik Brynjolfsson, Andrew McAfee:
The Second Machine Age.
Wie die nächste digitale Revolution unser aller Leben verändern wird.
Plassen Verlag, Kulmbach 2014, 368 Seiten, 24.99 Euro, ISBN 978-3-864702112
Seit über 50 Jahren gibt es Computer, und schon 1982 erklärte die Zeitschrift Time den Computer zur Maschine des Jahres. Doch die Entwicklung der Digitalisierung verlief langsam und blieb in ihren Möglichkeiten beschränkt. Die digitale Technik war in vielen Bereichen lange Zeit "geradezu lachhaft unzulänglich gewesen" - plötzlich aber "war sie richtig gut". Heute stehen wir an einem Wendepunkt, sagen Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee: "Wir treten ein in ein neues Maschinenzeitalter." So wie 1775 mit der Einführung der Dampfmaschine. Die beiden Technologievordenker sind überzeugt, "dass der von der Digitaltechnik herbeigeführte Wandel durch und durch positiv ist". Denn unter den Vorzeichen der Digitalisierung entfalten sich neue wirtschaftliche Grundsätze, "unter denen der Überfluss die Norm ist, und nicht der Mangel". Das ist die positive Seite, die die Autoren in ihrem optimistischen Buch in den Vordergrund rücken. Aber sie verschließen nicht die Augen vor den Gefahren, vor allem einem wachsenden Wohlstandsgefälle zwischen Gewinnern und Verlierern der digitalen Revolution. Aber sie sind sich sicher: Auch diese Herausforderungen lassen sich meistern.
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C. Otto Scharmer, Katrin Käufer:
Von der Zukunft her führen.
Von der Egosystem- zur Ökosystem-Wirtschaft - Theorie U in der Praxis.
Carl-Auer Verlag, Heidelberg 2014, 332 Seiten, 44 Euro, ISBN 978-3-8497-0042-3
Theorie U, das heißt, die Blickrichtung ändern, einen U-Turn in der Wahrnehmung vollziehen: nicht vom Bestehenden her, sondern von der entstehenden Zukunft her denken. Nun gibt es das Praxisbuch zur Theorie. Es fordert dazu auf, die eigenen Denkmuster zu öffnen und ein neues, stärker gemeinwohlorientiertes Wirtschaftssystem aufzubauen. Das ordnet sich ein in die Bewegung vom Ich zum Wir, von der Konkurrenz zu Kooperation und Empathie, präzisiert aber das Ziel. Für die Autoren geht die Entwicklung von einem rein von Eigeninteressen bestimmten Kapitalismus, der Egosystem-Wirtschaft, hin zu einer Ökosystem-Wirtschaft, die auf die Förderung des Menschheitsglücks und die Erhaltung der natürlichen Ressourcen ausgerichtet ist. Der Weg dazu führt durch den U-Prozess. Das heißt, sein Umfeld und sich selbst beobachten, Bestehendes hinterfragen, neu denken und fühlen, um so entstehende Keime einer bestmöglichen Zukunft wahrzunehmen und zu fördern. Das Buch ist ein leidenschaftliches Plädoyer für eine bessere Zukunft und Ratgeber zugleich. Es wirkt ansteckend und ermutigend.
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Peter Finke:
Citizen Science.
Das unterschätzte Wissen der Laien.
oekom verlag, München 2014, 240 Seiten, 19.95 Euro, ISBN 978-3-86581-466-1
Die Rede vom Elfenbeinturm, in dem die Wissenschaft gefangen ist, ist längst zum Allgemeinplatz geworden. Zu offensichtlich sind die Folgen der zunehmenden Spezialisierung, Professionalisierung und Institutionalisierung des offiziellen Wissenschaftsbetriebs. Doch nicht alle Wissenschaft muss so aussehen und agieren wie die professionelle in ihren Institutionen. Und Wissen kommt nicht nur von der Wissenschaft. Wissen geht auch vom Volke aus. Das ist kurz umrissen der Kern eines Wissenschaftsverständnisses, für das sich im angelsächsischen Sprachraum der Begriff "Citizen Science" eingebürgert hat. Nun wird die "Citizen Science" erstmals ausführlich ins Deutsche eingeführt. Als Begriff wohlgemerkt. In der Sache nämlich gibt es kaum nationale Unterschiede. "Überall beteiligten sich viele Menschen, gerade auch Nichtakademiker, an gemeinschaftlichem Wissenserwerb und an Formen der Wissensweitergabe", schreibt Peter Finke, ehemaliger Professor für Wissenschaftstheorie, der aus Protest gegen die Hochschulpolitik das Handtuch geworfen hat. Er sagt: Die Citizen-Science-Bewegung ist "eine der stärksten, zugleich traditionsreichsten und modernsten Ausdrucksformen bürgerschaftlichen Engagements in der Zivilgesellschaft". Und begreift sie als einen Hebel, Wissenschaft zukunftsfähiger und demokratischer zu machen. Sein Plädoyer: "Es ist an der Zeit, die fahrlässige Unterschätzung des Wissens der Laien zu beenden." Punkt.
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Markus Baumanns, Torsten Schumacher:
Kein Bullshit.
Was Manager heute wirklich können müssen.
Murmann Publishers, Hamburg 2014, 208 Seiten, 29.99 Euro, ISBN 978-3-86774-381-5
Die Managementliteratur ist voll von Patentrezepten. Sie versprechen schnelle Lösungen und einfache Wege zu einer guten Unternehmungsführung. Alles Bullshit! Sagen Markus Baumanns und Torsten Schumacher. Und erteilen einer Reihe weitverbreiteter Managementweisheiten eine klare Absage. Zum Beispiel Benchmarking: Bullshit! Denn jedes Unternehmen ist einzigartig, ebenso wie jede Entscheidung, die zu treffen ist. Jedes Unternehmen muss den eigenen Weg finden. Eindeutige Antworten oder pauschale Lösungswege sind da fehl am Platz. Vielmehr geht es darum, die richtigen Fragen zu stellen und mit gesundem Menschenverstand und Blick für das Wesentliche eigenständig zu urteilen. "Mit Unsicherheiten und Unschärfen umgehen, dabei Abwägungen treffen und Widersprüche aushalten lernen", das sind, so Baumanns und Schumacher, die entscheidenden Kernanforderungen heute. Das Ziel dabei: ein innovatives, kreatives Unternehmen zu schaffen, ohne veränderungsfeindliche und starre Strukturen.
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Olaf Hinz:
Das Führungsteam.
Wie wirksame Kooperation an der Spitze gelingt.
Verlag Springer Gabler, Wiesbaden 2014, 155 Seiten, 34.99 Euro, ISBN 978-3-658-03891-5
Noch gar nicht so lang ist es her, da erschienen die CEOs amerikanischer Prägung als die neuen Helden einer schillernden Wirtschaftswelt: Business-Rockstars, visionär, eloquent und durchsetzungsstark zugleich. Dann kam die Idee des postheroischen Managements, und das schillernde Image des einsamen Entscheiders bekam Kratzer. Doch der eine blieb, der das Ruder in der Hand hat. Heute zeichnet sich ein grundlegender Wandel ab: Die Zeit des solipsistischen Führungsmodells scheint abzulaufen. "Shared Leadership", geteilte Führung im Team, in der englischsprachigen Literatur bereits breit diskutiert, gewinnt nun auch in Deutschland an Boden: "Die Zeit der einsamen Entscheider an der Spitze ist vorbei", sagt Olaf Hinz. "Führung im Team zu organisieren ist effektiver, professioneller und erfolgreicher." Weil der Komplexität des Umfelds angemessen. Das Teammodell schafft zugleich Klärung im Verständnis von Führung: "Führungsteams entfalten ihre Rolle nur, wenn sie sich konsequent von Managementaufgaben verabschieden und stattdessen die Aufgabe der Führung ins Zentrum ihrer Tätigkeit stellen."
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Boris Gloger, Dieter Rösner:
Selbstorganisation braucht Führung.
Die einfachen Geheimnisse agilen Managements.
Hanser Verlag, München 2014, 263 Seiten, 34.99 Euro, ISBN 978-3-446-43828-6
Wie schaffen wir hochgradig anpassungsfähige, extrem innovative und schlichtweg inspirierende Organisationen? Organisationen, die flexibel auf den Markt reagieren und ihn sich zugleich selbst ständig neu erschaffen? Boris Gloger, einer der Scrum-Pioniere in Deutschland, zieht Bilanz. Er habe daran geglaubt, dass in einem einladenden Umfeld Kreativität und Leistung quasi von selbst entstehen. Durch Selbstorganisation. "Ich wusste nicht", sagt er heute, "dass Selbstorganisation ohne Führung zum Scheitern verurteilt ist." Führung meint hier Strukturen schaffen, das Setting bestimmen, in dem etwas entstehen kann: Selbstorganisation und eine Kultur des Gelingens. Zusammen mit Dieter Rösner zeigt Boris Gloger, wie Selbstorganisation funktioniert und wie man ein Set-up gestalten kann, in dem sie gelingt. Entscheidend dabei: Neue Meeting- und Gesprächsformate wie Open Space, Appreciative Inquiry und Dynamic Facilitation nutzen! Und Anreiz- durch Anerkennungssysteme ersetzen!
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Susanne Dietz:
Sinnkrieger.
Die sechs Stufen zu mehr Sinn bei der Arbeit.
UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz 2014, 208 Seiten, 19.99 Euro, ISBN 978-3-86764-491-4
"Sinnkrieger", das klingt martialisch. Und trifft doch recht genau die Verhältnisse in deutschen Unternehmen, wie Susanne Dietz sie erfahren hat. Da stehen hoch motivierte Mitarbeiter mit hohem Potenzial und unglaublicher Energie, die vor allem Sinn in ihrer Tätigkeit suchen, gegen eine Arbeitskultur, in der Sinnlosigkeit und Demotivation die Regel sind: Es sind "Sinnlos-Kulturen", die unsere Arbeitswelt bestimmen, so die Autorin. Und doch sollte niemand sich damit abfinden. Jeder muss Verantwortung für sein Leben übernehmen: "Jeder muss selbstbestimmt und eigenverantwortlich entscheiden, ob er seine Lebenszeit richtig investiert", sagt Susanne Dietz. Und beschreibt in sechs Stufen, was Sinn bedeutet: "eine Investition, harte Arbeit mit Werten, immer Vertrauen, eine Bestätigung im Du, eine großartige Ausschüttung und eine Entscheidung, jeden Tag aufs Neue". Dieses Buch ist ein entschiedenes Plädoyer für eine sinnstiftende Kultur in unseren Unternehmen. Und für den Weg, wie man dahin kommt: nur über die eigene Haltung.
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Chris Brügger, Jiri Scherer:
Denkmotor.
Nichts ist gefährlicher als eine Idee ....
GABAL Verlag, Offenbach 2014, 192 Seiten, 24.90 Euro, ISBN 978-3-86936-597-8
Ideen sind gefährlich. Hat man uns nahezubringen versucht. Wir erinnern uns an ein Cover mit Handgranate darauf. Das brachte zum Ausdruck: Ideen haben, wenn sie gut sind, ein subversives Potenzial. Sie können die Verhältnisse auf den Kopf stellen. Chris Brügger und Jiri Scherer geben dem Gedanken nun eine andere Wendung: "Nichts ist gefährlicher als eine Idee, wenn es die einzige ist." Dieses Zitat von Émile Chartier steht als Leitmotiv über dem Buch der beiden Kreativitätsexperten. Es umreißt dessen Programm: "Kreativität ist kein Geschenk des Himmels, sondern eine Fähigkeit, die man trainieren kann." Das Buch will zeigen, wie. Es will Lehrbuch, Nachschlagewerk, Inspirationsquelle, Ideengeber, Personal Trainer, Motivator und Mutmacher in einem sein. Und vor allem dazu ermuntern, ausgetretene Denkpfade zu verlassen. Das setzt es selbst um. Es ist eher ein Bilderbuch als klassischer Ratgeber mit konventionellem Fließtext und vielen, vielen Blickfangpunkten. Nein, die Grafiker durften sich austoben. Das schmeckt manchmal ein wenig nach "schau, wie kreativ!" - aber es wirkt! Und macht Spaß! Endlich mal ein Buch über Kreativität, das nicht verkopft-nüchtern daherkommt, sondern frisch, überraschend und im besten Sinne kreativ. Lädt ein zum Blättern und Sich-inspirieren-Lassen.
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Steven D. Levitt, Stephen J. Dubner:
Think like a Freak.
Andersdenker erreichen mehr im Leben.
Riemann Verlag, München 2014, 256 Seiten, 18.99 Euro, ISBN 978-3-570-50168-9
Dies ist ein Buch über das Loslassen: loslassen der herkömmlichen, gängigen Denkweisen, der eingespielten Denkschemata und der Angst vor dem Nichtwissen. Und es ist eine Ermunterung, "ein bisschen anders zu denken, ein bisschen gründlicher, ein bisschen freier". Wie ein Kind. Wie ein Freak. Nach dem Erfolg ihrer Bücher Freakonomics und Superfreakonomics prasselten auf Steven D. Levitt und Stephen J. Dubner massenhaft Fragen ihrer Leser ein. Das war unmöglich alles zu beantworten, und so reifte in den beiden die Idee, ein Buch zu schreiben, "das jedem beibringt, wie ein Freak zu denken". Das nämlich sei "einfach genug, dass es jeder kann". Dabei ist der Stil des Buches gleich geblieben: Gut recherchierte und anschaulich erzählte Geschichten sind es, mit denen Levitt und Dubner ihre ökonomisch inspirierte Denkweise vor Augen führen. Sie wenden sich dabei gegen die populäre, aber illusionäre Idee, dass es jeweils eine "richtige" Methode gäbe, über ein Problem nachzudenken - und umgekehrt eben auch falsche Methoden. Richtig! Think like a Freak ist eine würdige Weiterführung des Freakonomic-Ansatzes. Wie gewohnt erfrischend. Und ansteckend.
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