Nachschlag
Was vom Buchjahr 2014 noch übrig ist
Es war ein dichtes, reiches Bücherjahr mit zahlreichen interessanten, ansprechenden, inspirierenden Titeln. Die wichtigen haben wir vorgestellt, aber auch den einen oder anderen übersehen. Oder als zu speziell zurückgestellt. Für sie ist nun Platz auf der Nachschlag-Liste. Ebenso wie für ein, zwei etwas seltsame Titel. Oder welche, die sich als Geschenk in letzter Minute anbieten. Hierfür gilt indes: Ohne Gewähr!
Bernhard Pörksen, Friedemann Schulz von Thun:
Kommunikation als Lebenskunst.
Philosophie und Praxis des Miteinander-Redens.
Carl-Auer Verlag, Heidelberg 2014, 217 Seiten, 24.95 Euro, ISBN 978-3-8497-0049-2
Zwei Kommunikationskoryphäen tauchen ein in einen lockeren Dialog über die Kunst des Zuhörens, die Normalität des Missverständnisses und die Macht der Situation: Bernhard Pörksen und Friedemann Schulz von Thun berühren in ihrem Gespräch nicht nur die zentralen Modelle der Kommunikationspsychologie und deren konkrete Anwendung, sondern stoßen vor zu den "letzten Fragen", wie: "Was will ich vom Leben und was will das Leben von mir?" Sie wollen aber keine "Fertigrezepte der Lebenskunst" verkünden, sondern ein "gedankliches Geländer" bieten für eine eigene Suchbewegung, die Kommunikation "zur Lebenskunst reifen lassen kann". Wer sich auf diesen Dialog einlässt, findet in diesem Buch mehr als in jedem Ratgeber. Vor allem aber ist das Buch eine Hommage an gelingende Kommunikation, "die etwas entstehen lässt, das man alleine gar nicht zustande bringen könnte". Dabei stehen die Autoren bewusst im dialogischen Credo Nietzsches, dass die Wahrheit zu zweit beginnt. … Lesen muss man aber allein.
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Viktor Mayer-Schönberger, Kenneth Cukier:
Lernen mit Big Data.
Die Zukunft der Bildung.
Redline Verlag, München 2014, 88 Seiten, 4.99 Euro, ISBN 978-3-86881-225-1
Luis von Ahn ist ein Serienentrepreneur, wie er im Buche steht. Als Student hatte er vor einem Jahrzehnt Captcha entwickelt: verzerrter Text, den man auf einer Website abtippt, um sich als Mensch zu authentifizieren. Es folgte reCaptcha, das nicht zu entziffernde Textschnipsel aus Googles Buchdigitalisierungsprogramm nutzte - und aus den Antworten die Fragmente dechiffrierte. Und nun Duolingo: eine Website zum Sprachenlernen. Ähnlich wie reCaptcha nutzt Duolingo das Feedback der Nutzer - hier Übersetzungen - kommerziell. Wichtiger aber noch: Die Nutzer vermitteln zurück, wie sie lernen. Denn darüber wusste man bisher herzlich wenig. Die Nutzung großer Informationsmengen wie bei Duolingo - Big Data - dreht das: "Das Wesen der Bildung ändert sich, weil die Gesellschaft mit Big Data endlich lernen kann, wie man lernt", schreiben Viktor Mayer-Schönberger und Kenneth Cukier in ihrem Büchlein Lernen mit Big Data. Fundiert und mitreißend beschreiben die Autoren die sich anbahnende Bildungsrevolution. Ein fulminantes kleines Buch.
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Aaron James:
Arschlöcher - eine Theorie.
Riemann Verlag, München 2014, 288 Seiten, 17.99 Euro, ISBN 978-3-570-50157-3
Aaron James ist leidenschaftlicher Surfer. Was ihn auf die Palme brachte: Immer wieder musste er zusehen, wie Surfer sich vordrängten, obwohl andere die Welle bereits angesurft und sich in Position gebracht hatten. Drängler, die offenbar beschlossen hatten, dass jede Welle ihnen gehört. Kurz: Arschloch-Surfer. Als Philosophieprofessor legt Aaron James nun die Theorie zu seiner Beobachtung vor und definiert trennscharf und philosophisch fundiert, was ein Arschloch von einem bloßen Rüpel auf der einen und einem Psychopathen auf der anderen Seite unterscheidet. "Das Arschloch handelt nämlich aus der festen Überzeugung heraus, dass er etwas Besonderes ist und die normalen Verhaltensnormen für ihn nicht gelten." Und das ist es auch, was uns regelmäßig auf die Palme bringt, wenn wir es mit Arschlöchern zu tun haben: Wir fühlen uns als Person nicht anerkannt. "Wir kämpfen darum, in seinen Augen moralische Anerkennung zu finden." Eine fundierte Analyse, die den Umgang mit Arschlöchern als moralisches Problem begreift und den Begriff aus der Reziprozität menschlicher Beziehungen heraus entwickelt. Und zudem kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn jemand einfach ein Arschloch ist. (wk)
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Ilona Bürgel:
Die Kunst, die Arbeit zu genießen.
Erfolg und neue Lebensfreude im Job.
Kreuz Verlag, Freiburg 2014, 176 Seiten, 14.99 Euro, ISBN 978-3-451-61300-5
Die junge Generation macht es vor. In ihrer unbeschwerten Art verbindet sie Professionalität und hohe Erwartungen an den Job mit einer intrinsischen Freude an der Arbeit. Ältere können da oft nicht mithalten. Sie kommen aus einer Zeit, in der Arbeit per se Last und Mühe war und man sein Lächeln an der Pforte abgab. Doch müssen sie nicht alle Hoffnung fahren lassen. Arbeit ist zuallererst eine Frage der eigenen Haltung. Und an der kann man arbeiten. Mit ihrem Buch zeigt Ilona Bürgel, wie man das anstellt. Sie möchte dem Leser die Forschungsergebnisse der Positiven Psychologie für die Gestaltung des eigenen Arbeitslebens nahebringen. Das gelingt. Das Buch ist verständlich und klar geschrieben und bietet eine Fülle von Tipps, Übungen und Anregungen für einen persönlichen Perspektivwechsel. Natürlich ist an der Arbeit nicht alles rosig und vieles kein Zuckerschlecken. Aber "wir können unser Befinden selbst beeinflussen", sagt Bürgel. "Die Montagmorgenstimmung beginnt im Kopf."
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Martin Suter:
Alles im Griff.
Eine Business Soap.
Diogenes Verlag, Zürich 2014, 128 Seiten, 12.90 Euro, ISBN 978-3-257-30028-4
Martin Suters Businessstorys sind bereits Legende. Und ein Klassiker dazu. Niemand bringt den lähmenden Alltag in Großunternehmen so treffend auf den Punkt wie Suter. Mit sicherem Gespür für schräge Situationen jagt er die Protagonisten seiner Kurzgeschichten durchs Business-Absurdistan. So auch in seinem neuen Buch, diesmal mit durchgängigem Handlungsstrang. Alles im Griff ist eine "Business Soap" mit fortlaufender Geschichte und gleichbleibendem Personal. Im Mittelpunkt Tobler, einer aus dem mittleren Management, der weiterkommen möchte. Doch da sitzt ihm einer vor der Nase und verstopft die Beförderungskanäle. Tobler entschließt sich, zur Konkurrenzfirma zu wechseln - und muss an seinem ersten Arbeitstag feststellen, dass sein neuer Vorgesetzter der alte ist: Jener breitarschige Bäriswil, der ihn schon in der alten Firma am Fortkommen gehindert hatte, sitzt erneut im Weg ... Schnurstracks geht es rein ins Intrigen- und Ränkespiel, in dem sich jeder seinen Vorteil zu sichern sucht, aber keiner gewinnt, weil das Spiel letztlich anders läuft als gedacht. Wunderbar absurd, brillant geschrieben und präzise der Businesswelt abgeschaut. Wer wissen will, wie Management wirklich funktioniert, muss Suter lesen.
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Annette Jensen, Ute Scheub:
Glücksökonomie.
Wer teilt, hat mehr vom Leben.
oekom verlag, München 2014, 320 Seiten, 19.95 Euro, ISBN 978-3-865816610
Unsere Gesellschaft ist in Bewegung geraten. Überall entstehen Initiativen, die mit neuen Wegen abseits der herrschenden Ökonomie experimentieren. Annette Jensen und Ute Scheub legen nun eine Zusammenschau dieser Graswurzelansätze vor. Systematisch und mit offenem, unideologischem Blick suchen sie nach dem Verbindenden in ganz unterschiedlichen Phänomenen der Gegenwart. Ihre Botschaft: Das Vertrauen in den Kapitalismus sinkt, immer mehr Bürger halten die "Selbstheilungskräfte" des Marktes für eine Mär und suchen nach Alternativen. Scheub und Jensen haben ein starkes Buch vorgelegt, eine Gesamtschau, lebendig und gehaltvoll durch die Fülle an Beispielen und ansprechend durch die offene, klug-analytische Grundhaltung der Autorinnen, die mit alternativ beseelten Latzhosenplaudereien nichts am Hut haben. Letztlich geht es darum: Die Ökonomie dient schließlich nicht dazu, Gewinne zu mehren oder Wachstum zu fördern. Sondern den Menschen und ihrer Zufriedenheit.
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William Bynum:
Die kürzeste Geschichte der Wissenschaft.
Atlantis Verlag bei Hoffmann und Campe, Hamburg 2014, 352 Seiten, 20 Euro, ISBN 978-3-455-70002-2
Die kürzeste Geschichte von etwas zu erzählen, erfreut sich auf dem Buchmarkt einer gewissen Beliebtheit, jedenfalls nachdem sich die kurzen Geschichten etwas abgenutzt haben. Eine kurze Geschichte der Hummel - Motto: Und sie fliegt doch - dürfte hier einen schwer zu überflügelnden (sic!) Endpunkt gesetzt haben. Die Hummel indes hat für ein solches Unterfangen noch den Vorteil, dass sie recht kurz ist - was man von der Geschichte der Wissenschaft nicht sagen kann. Insofern ist die kürzeste Geschichte der Wissenschaft zu schreiben, ein recht anspruchsvolles Vorhaben. Gleichwohl, es trifft den Zeitgeist. Denn wenn das Wissen der Welt schon ins Unermessliche wächst, dann muss man es sich eben auf ein handhabbares Maß schrumpfen, reduzieren, eindampfen. Und es zugleich so narrativ ansprechend darbringen, dass der Leser die Lektionen nicht nur aus Pflicht, sondern mit Vergnügen liest. Das gelingt William Bynum, Professor für Medizingeschichte, ganz vorzüglich. Er erzählt die Geschichte der wissenschaftlichen Erkenntnisse, Entdeckungen, Durchbrüche sehr anschaulich und mit einem sicheren Gespür für Leserführung, gute Geschichten und nicht zuletzt mit einer wohldosierten Prise Humor. Wissenschaftstheorie indes ist für Bynum kein Thema. Seine Geschichte ist nicht die der wissenschaftlichen Revolutionen, sondern des kumulativen Wissensfortschritts. Wissenschaft ist für ihn ein Entdeckungsverfahren, das immer mehr und immer tiefere Erkenntnisse über unsere Welt zutage fördert. Das ist etwas einfach, vollkommen okay. Alles andere wäre zu kompliziert für eine kürzeste Geschichte.
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Lewis Dartnell:
Das Handbuch für den Neustart der Welt.
Alles, was man wissen muss, wenn nichts mehr geht.
Hanser Berlin, Berlin 2014, 368 Seiten, 24.90 Euro, ISBN 978-3-446-24648-5
Sehr, sehr viel ist schon über Katastrophen geschrieben worden, die uns ereilen könnten oder mit Sicherheit ereilen werden. Nichts ist wohl in so schillernden Farben und in seinen unterschiedlichsten Facetten ausgemalt worden wie der Weltuntergang. Kaum jemand hat sich aber bisher bislang der Frage gestellt: Was ist, wenn er da ist? Wenn die Katastrophe eingetreten ist? Und nichts mehr geht? "Die Welt, wie wir sie kennen, existiert nicht mehr. Die entscheidende Frage lautet: Und was jetzt?" Das war die Ausgangsüberlegung, die sich der britische Astrobiologe Lewis Dartnell stellte. Sein Buch ist ein Gedankenexperiment und zugleich ein Leitfaden für Überlebende, eine Schnellstartanleitung, "eine Blaupause für eine Zivilisation, die sich rebootet". Es ist ein kühnes Gedankenexperiment, das eingefleischte Apokalyptiker zu Recht zur Weißglut treiben wird. Weil es doch auf einem fundamentalen Optimismus gründet: dass Menschen, egal in welcher Lage, willens und fähig sind, den Neustart anzugehen. Nicht zuletzt vermittelt dieses Buch einen unglaublichen Fundus praktischen Wissens und seiner Anwendung - vom Düngen und Kompostieren übers Betonieren bis hin zum Anspannen von Ochsen. Alles wichtige Kulturtechniken, die in unserer hocharbeitsteiligen Zivilisation in Vergessenheit zu geraten drohen. Die bedeutsamste aller Erfindungen aber ist, so Dartnell, die wissenschaftliche Methode selbst. "Eine neugierige, analytische, evidenzbasierte Einstellung" ist "die Flamme, die die Überlebenden am Brennen halten müssen". Das freilich gilt nicht nur nach einer Katastrophe.
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Arianna Huffington:
Die Neuerfindung des Erfolgs.
Weisheit, Staunen, Großzügigkeit - Was uns wirklich weiter bringt.
Riemann Verlag, München 2014, 320 Seiten, 19.99 Euro, ISBN 978-3-570-50173-3
Wenn eine, die zu den ganz Erfolgreichen gehört, dafür plädiert, Erfolg neu zu denken, dann lässt das aufhorchen. Arianna Huffington, Mitbegründerin der Huffington Post und Autorin von 14 Büchern, hat Erfolg. Das Time Magazine zählte sie zu den 100 einflussreichsten Personen der Welt. Eines Morgens jedoch fand sie sich in einer Blutlache liegend wieder, in ihrem Arbeitszimmer - kollabiert infolge von Schlafmangel und Erschöpfung hatte sie sich an der Schreibtischkante den Kopf aufgeschlagen. Das war Auslöser eines intensiven Nachdenkens über das Leben. Ergebnis ist dieses Buch. Huffingtons wichtigste - aber genau besehen gar nicht so neue - Erkenntnis: Geld und Macht sind nicht alles, es braucht eine "Dritte Größe", eine dritte Maßeinheit für Erfolg, eine, die wiederum auf vier Säulen ruht: Wohlbefinden, Weisheit, Staunen und Großzügigkeit.
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Ursula Kosser:
Ohne uns.
Die Generation Y und ihre Absage an das Leistungsdenken.
DuMont Buchverlag, Köln 2014, 190 Seiten, 19.99 Euro, ISBN 978-3-8321-9740-7
Ein Titel aus dem Reigen der Generation-Y-Bücher, die in diesem Jahr auf den Buchmarkt strömten. Ursula Kosser, Journalistin bei RTL und n-tv, nähert sich dem Thema aus eigener Verwirrung, wie sie anfangs bekennt. Selbst Mutter einer Y-Tochter und Chefin vieler Generation-Y-Mitarbeiter wurde sie zunehmend verunsichert von dem Gefühl, sich in "moorigem Gelände" zu bewegen. Neue Werte, neue Haltungen, neues Lebensgefühl bei den Menschen um sie herum. Nicht mehr Erfolg und Karriere, Feminismus und politische Polarisierung zählen, sondern Lockerheit, Zuversicht, ein gutes Leben. Die Mittfünfzigerin hat ihre Verwirrung selbst zum Thema gemacht und sich auf Entdeckungsreise nach den Ursachen und Folgen der neuen Haltung begeben. Eine klassische Annäherung aus der Perspektive einer älteren Generation, die sich der Generation Y spürbar fremd fühlt, aber mit interessierter Offenheit bereit ist, zuzuhören. (ad)
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Christian Scholz:
Generation Z.
Wie sie tickt, was sie verändert und warum sie uns alle ansteckt.
Wiley-VCH Verlag, Weinheim 2014, 220 Seiten, 19.99 Euro, ISBN 978-3-527-50807-5
Erster! Da ist er nun, der erste Titel über die nächste nachrückende Generation, die, kaum trocken hinter den Ohren, heute bereits den Z-Stempel aufgedrückt bekommt. Nach Y kommt Z, ist doch klar! Punkt. Wirklich? Als einfallslos hat Jugendforscher Klaus Hurrelmann das Z-Label im Interview mit changeX bezeichnet. Und als wissenschaftlich kaum haltbar, heute schon belastbare Aussagen über diese Generation abzuleiten. In fünf Jahren könne man darüber sprechen, so Hurrelmann. Wie dann heute ein Buch über die "Generation Z"? Nun, bei Christian Scholz tragen die Ypsiloner noch Leggins, hören Red Hot Chili Peppers und gucken Lola rennt - sie sind schlichtweg fünf Jahre früher dran als anderswo. Ein etwas versetztes Generationenmodell also, das zudem mit Stereotypen, Klischees und wenig authentischen fiktiven Zitaten aufgemotzt wird. Man kann an dem Generationenkonzept insgesamt zweifeln. Aber dieses Buch muss man wirklich nicht lesen.
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