Buch des Jahres 2014
Die changeX-Jury kürt die besten Bücher des Jahres
Schnell war klar: Das Buch des Jahres kommt dieses Jahr nicht aus der Managementliteratur. Und auch nicht aus der wachsenden Zahl der den Managementansatz dekonstruierenden und transzendierenden Titel. Nicht weil es hier keine hervorragenden Bücher gegeben hätte. Sondern weil uns Ende 2014 etwas anderes wichtig erscheint: Heute geht es um mehr, um Größeres. Der digitale Wandel beschleunigt sich, wir stehen mitten in einer fundamentalen Umwälzung unserer Gesellschaft, unseres Lebens, unseres Arbeitens. Das ist die Herausforderung. Sie verlangt nach einem zeitdiagnostischen Blick und (mehr noch) nach Antworten, die sich nicht auf Detailfragen kaprizieren, sondern den Entwurf eines neuen Zusammenhangs wagen, eine Neukonfiguration von Leben und Arbeiten. Hier bündelten sich denn auch die Sympathien im Jurorenkreis: Der digitale Wandel passiert uns - Gestaltungsmöglichkeiten zu finden, darauf kommt es an! Platz eins deshalb Dark Horse mit Thank God it’s Monday!. Platz zwei Christoph Kucklick mit Die granulare Gesellschaft. Auf Platz drei eine Doppelbesetzung. Wir stellen zwei Bücher einander gegenüber, die sich in ihrer Einschätzung der technischen Entwicklung fundamental unterscheiden: Jeremy Rifkin mit Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft und Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee mit The Second Machine Age. Heilserwartung versus Alarmismus, Optimismus versus Realismus - gleichviel, wo man seinen eigenen Erregungspegel einjustiert, diesen mächtigen Gegensatz muss im Blick haben, wer Zukunft ermessen will. Zusammengenommen sind die beiden Titel eine Wucht: die technologische Entwicklung - und damit unsere gesellschaftliche Zukunft - in einer ausdrucksstarken, aber dennoch detailreichen Alternative.
Dark Horse Innovation:
Thank God it’s Monday!.
Wie wir die Arbeitswelt revolutionieren.
Econ Verlag, Berlin 2014, 208 Seiten, 16.99 Euro, ISBN 978-3-430201711
Dark Horse zeigt konkret, knackig, lebensnah, wie wir unsere Arbeit selbst gestalten können - ebenso wie die Unternehmen, in denen wir arbeiten. Dark Horse demonstriert damit zugleich, welchen Weg Unternehmen gehen könnten, um in der digitalen Zukunft zu bestehen - indem sie sich und Arbeit neu organisieren. Das Autorenkollektiv tut das mitreißend und in einer mehrdimensionalen Perspektive. Die 30 Gründer und Chefs der Berliner Start-ups liefern nicht nur ein kristallklares Selbstzeugnis der Generation Y als Avantgarde. Sie präsentieren auch ein bis in die Spitzen ausgefeiltes Konzept, professionelle Unternehmen hierarchiefrei zu gestalten. Mit sozialer Mikroinnovation und ohne ermüdende Wollsocken-Basisdemokratie. Wie man den Kreis quadriert, erklärt das Dark-Horse-Kollektiv schmissig, klug und praxiserprobt. Und demonstriert dabei nebenher sogar, wie man kollaborativ ein gutes Buch schreibt. Nicht zuletzt: selbst schreibt. Eine verteufelt kluge Anregung zum Weiterdenken und Selberhandeln. Ein Buch wie geschaffen für unsere Themen, unsere Leser, unsere Zukunft. Deshalb unser Buch des Jahres.
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Christoph Kucklick:
Die granulare Gesellschaft.
Wie das Digitale unsere Wirklichkeit auflöst.
Ullstein Buchverlage, Berlin 2014, 272 Seiten, 18 Euro, ISBN 978-3-550080760
Eine Menschheitszäsur, so wichtig wie die Erfindung der Sprache, der Schrift, des Buchdrucks - nicht mehr und nicht weniger ist für Christoph Kucklick die Digitalisierung unserer Welt. Das ist nicht neu. Sondern von Denkern der Systemtheorie, allen voran Dirk Baecker, bereits als Big Picture entworfen. Überzeugt hat uns der Detailblick: Die Digitalisierung zerlegt unsere Realität in granulare Brösel, zerrieben und hoch aufgelöst bis zur Unkenntlichkeit. Ein neuer Aggregatzustand, in dem wir uns und diese Welt neu zusammensetzen müssen. Beeindruckt hat uns beides: Die originelle Perspektive, die das Granulare, die Feinauflösung, als veränderndes Wesensmerkmal der Digitalisierung ausmacht, ebenso wie die Treffsicherheit, mit der Kucklick dieses Denkmodell konsequent durchdekliniert. Durchsetzen wird sich der Begriff "granulare Gesellschaft" vermutlich nicht, denn er integriert nur die Atomisierung, nicht aber die Forderung nach Neumodellierung dieses Zustandes. Doch der Denkanstoß sitzt: kühl, kritisch, analytisch, fernab feuilletonistischer Jammerkultur. Ein Must-read in diesem Jahr.
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Jeremy Rifkin:
Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft.
Das Internet der Dinge, kollaboratives Gemeingut und der Rückzug des Kapitalismus.
Campus Verlag, Frankfurt am Main 2014, 525 Seiten, 27 Euro, ISBN 978-3-593399171
Die These: Die Technik macht alles gut. Internet der Dinge, kollaboratives Gemeingut, Rückzug des Kapitalismus - Jeremy Rifkin, nach wie vor einer der bedeutendsten Gesellschaftstheoretiker unserer Zeit, bastelt die Koordinaten der neuen Zeit zu einem optimistischen Bild zusammen. In der Null-Grenzkosten-Gesellschaft schafft uns der technische und soziale Fortschritt so viel Überfluss, dass die Knappheit, seit Anbeginn der Evolution unser ständiger Begleiter, abgeschafft wird - und zugleich das Problem des Klimawandels gelöst. So viel Optimismus war selten.
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Erik Brynjolfsson, Andrew McAfee:
The Second Machine Age.
Wie die nächste digitale Revolution unser aller Leben verändern wird.
Plassen Verlag, Kulmbach 2014, 368 Seiten, 24.99 Euro, ISBN 978-3-864702112
Die Antithese: Die Technik hat ihre wohlstandsmehrende Wirkung eingebüßt, zumindest was den gesellschaftlichen Durchschnitt betrifft; das Gefälle in der Wohlstandsverteilung wächst. Sagen Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee, die beiden Technotheoretiker vom MIT. Der technologische Fortschritt galoppiert davon. Und lässt jene im Staub zurück, deren Jobs Computer und Roboter besser, schneller und billiger erledigen können. Produktivität und technischer Fortschritt haben sich entkoppelt, die Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen Drinnen und Draußen, zwischen Gewinnern und Verlierern wächst, Wohlstand verteilt sich neu.
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