Erste Ernte
Unsere Buchempfehlungen im Frühjahr 2015, erste Liste
Die Frühjahrssaison läuft. In Massen bringen die Buchverlage ihre Neuerscheinungen auf den Markt. Wir haben die Verlagsprogramme im Sach- und Wirtschaftsbuch durchgesehen, haben ausgewählt, bestellt, reingelesen und bewertet. Hier eine erste Liste mit unseren elf Lieblingstiteln zu den Themen Arbeit & Leben, Wirtschaft & Management, Wissen & Lernen. Mit spannenden, vielversprechenden, lesenswerten Büchern. Eine zweite Liste mit Schwerpunkt auf den März-Neuerscheinungen folgt.
Günter Faltin:
Wir sind das Kapital.
Erkenne den Entrepreneur in dir. Aufbruch in eine intelligente Ökonomie.
Murmann Publishers, Hamburg 2015, 288 Seiten, 22 Euro, ISBN 978-3-867744195
Wer Neues schaffen will, muss in der Schwebe der Ungewissheit arbeiten können, sagt der Entrepreneurship-Professor Günter Faltin. In seinem neuen Buch hat Faltin seinen ideenbasierten Ansatz des Gründens noch einmal ein Stück radikalisiert, hat ihn herunterdekliniert auf die Ebene des Individuums und seiner Entfaltung. "Es geht um Sie als Persönlichkeit. Es geht darum, das Potenzial, das in Ihnen steckt, zur Entfaltung zu bringen." Das Kapital für eine Gründung ist die Persönlichkeit des Gründers, seine Kreativität, seine Andersartigkeit, sein Durchhaltevermögen, seine Fähigkeit, mit Ambiguität umgehen zu können. Die Gründungsidee selbst braucht laut Faltin keine revolutionäre Neuerung zu sein. Innovation besteht in erster Linie in der Neukombination von Vorhandenem, sagt der Autor. Entscheidend ist, die Idee geduldig zur Marktreife weiterzuentwickeln. Wichtig ist dabei die Leidenschaft des Gründers für seine Sache, nicht für den Profit. Ein Unternehmen braucht zwar Gewinn, aber er darf nie Endzweck sein. Ökonomie bezieht für Faltin ihre Legitimation aus einem sparsamen Umgang mit Mitteln. Sonst wird sie zerstörerisch. Faltins Buch ist ein kämpferisches Plädoyer für eine intelligentere Ökonomie und eine nachdenkliche Suche nach dem verschlungenen individuellen Weg zum Gründungserfolg zugleich.
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Birger P. Priddat:
Economics of persuasion.
Ökonomie zwischen Markt, Kommunikation und Überredung.
Metropolis Verlag, Marburg 2015, 477 Seiten, 39.80 Euro, ISBN 978-3-7316-1046-5
Märkte sind Gespräche, postulierte schon 1999 das CluetrainManifest. Und knapp 100 Jahre zuvor hatte der französische Soziologe Gabriel Tarde bereits die Kommunikation zwischen den Menschen in den Mittelpunkt der ökonomischen Betrachtung gerückt: Es gebe keinen mächtigeren Produktionsfaktor, schrieb er, "als das Geplauder der Individuen in ihren Mußestunden". Die Wirtschaftswissenschaft aber wollte von so was nichts wissen. Sie konstruierte den Menschen als rationalen Entscheider, frei von irrationalem Überschwang - und fuhr so die ganze Disziplin samt der nach ihrem Vorbild gebauten Finanzwirtschaft gegen die Wand. Zeit also für eine theoretische Neubestimmung. Einen diesbezüglich hochgradig ambitionierten Versuch legt der Wittener Ökonom und Philosoph Birger Priddat vor. Sein explizit an Tarde anknüpfender Ansatz der Economics of persuasion versteht sich als eine erste Skizze für eine neue Ökonomiekonzeption. Es geht um "eine neue Architektur des ökonomischen Denkens: dass wir weniger mit materiellen Objekten, Preisen, Mengen und Gleichgewichten zu tun haben", sondern mit "Bewertungen, Einschätzungen, Beurteilungen", die sich subjektiv und in der Kommunikation zwischen den Menschen herausbilden. Ein fundamentales Werk, das auch Hoffnung macht: "Die Ökonomie ändert sich längst", schreibt Priddat. Dieses Buch ist alles andere als eine leichte Lektüre. Aber es nicht zu lesen bedeutet, einen fundamentalen Wandel in der Wirtschaftswissenschaft zu verpassen.
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Gunter Dueck:
Schwarmdumm.
So blöd sind wir nur gemeinsam.
Campus Verlag, Frankfurt am Main 2015, 324 Seiten, 24.99 Euro, ISBN 978-3-593502175
Was große Organisationen, Konzerne allemal, leisten, ist die Verdichtung unterschiedlich ausgeprägter individueller Intelligenz zu kollektiver Dummheit gewaltigen Ausmaßes. Schwarmdumm nennt das Deutschlands scharfzüngigster Business-Querdenker. Gunter Dueck weiß, wie es in Konzernen und Großorganisationen zugeht. Und er formuliert das Prinzip dazu: In Großgruppen werden die vernünftigen Impulse jedes Einzelnen übertönt vom Gebrüll der Masse. Genauer gesagt: Schwarmintelligenz funktioniert nur in wechselnden Teams von Freiwilligen, die für das Thema brennen. Aber nicht, wenn in einem Unternehmen feste Teams zwangsweise alle anfallenden Aufgaben abarbeiten müssen. Dann geht es nur noch um das Abhaken von Pflichten, dann stecken sich die Leute gegenseitig mit Hektik, Druck und "Good enough"-Mentalität an. Ein Rezept freilich, wie wir aus dem Teufelskreis der Schwarmdummheit herauskommen, kann Dueck uns nicht verraten. Zumindest aber hat er ein paar Ideen: Führungskräfte sollten ihre Teams wie Freiwillige führen, wir sollten nach den "Tipping Points" suchen, an denen wirklich etwas bewegt werden kann, und die Auslastung im Job drastisch nach unten schrauben. Eine scharfzüngige, herrlich zu lesende Analyse der Schieflage in der Konzernwelt.
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Tomas Sedláček, David Graeber, Roman Chlupatý:
Revolution oder Evolution.
Das Ende des Kapitalismus?.
Carl Hanser Verlag, München 2015, 144 Seiten, 15.90 Euro, ISBN 978-3-446-44304-4
Erleben wir das Ende des Kapitalismus? Oder wird es dem kapitalistischen System abermals gelingen, sich neu zu erfinden? Zwei radikale Kritiker des herrschenden Wirtschaftssystems diskutieren dessen Zukunft. Der Kapitalismus ist lernfähig und kann sich hin zu einem besseren System entwickeln, meint Tomáš Sedláček. Der Kapitalismus ist nicht lernfähig, hält David Graeber dagegen, er sollte in Inselgemeinschaften durch alternative, menschlichere Systeme ersetzt werden. Einig sind sich beide in ihrem Verständnis des Kapitalismus: Der Homo oeconomicus ist ein Zombie, abgeschnitten von seinen Emotionen und seinem Gewissen. Sedláček und Graeber stoßen vor zu den kulturellen Wurzeln, zu den Archetypen ökonomischen Denkens, die viel älter sind als die Wirtschaftswissenschaften. Selten ist die ökonomische Lehre so radikal dekonstruiert worden wie in diesem Gespräch. Sie liefern funkensprühende Kritik, die zum Überdenken eigener Positionen anregt. Antworten, wie eine alternative Wirtschaft aussehen könnte, geben sie nicht.
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Sudhir Venkatesh:
Floating City.
Gangster, Dealer, Callgirls und andere unglaubliche Unternehmer in New Yorks Untergrundökonomie.
Murmann Publishers, Hamburg 2015, 280 Seiten, 22.00 Euro, ISBN 978-3-86774-421-8
Dieser Titel ist einer der ungewöhnlichsten der Saison, und ein überaus spannender obendrein. Alles beginnt mit einer journalistisch flott geschriebenen Schilderung von schrägen Partys, Ausstellungen, Taxifahrten irgendwo in New York. Hier begibt sich der Soziologe Sudhir Venkatesh auf Feldforschung. Sein Gegenstand: die Untergrundökonomie der Metropole. Er folgt Menschen wie dem Drogenhändler Shine aus Harlem, der Bankierstochter Analise mit ihrem illegalen Escort Service oder dem Pornoladenbesitzer Manjun. Und entdeckt dabei, wie die globale, netzwerkbasierte Welt längst auch die Organisationsprinzipien der Schattengesellschaft prägt, wie sich vertraute Schubladen von Gut und Böse, Arm und Reich, anständigen und schlechten Vierteln aufgelöst und dynamisch miteinander verwoben haben, wie die Unterwelt Fundament und zugleich Spiegel der Mainstream-Ökonomie ist. Und wie durchlässig die Grenzen zwischen den alten sozialen und wirtschaftlichen Sphären geworden sind. Die knackig geschriebene Chronik des Columbia-Professors ist eine hautnahe Entdeckungsreise - auch in Sachen "So arbeitet also ein moderner Ethnologe" -, die überraschende Erkenntnisse verspricht. Unbedingt reinschmökern! Fazit: Soziologie mal in lesbarer Form. Tipp: Erst bei Laloux den Blick auf die Evolution unserer Organisationen schärfen, dann Venkatesh lesen.
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Tim Leberecht:
Business-Romantiker.
Von der Sehnsucht nach einem anderen Wirtschaftsleben.
Droemer Verlag, München 2015, 352 Seiten, 19.99 Euro, ISBN 978-3-426-27632-7
"Die Wirtschaft muss romantisiert werden. So findet man den ursprünglichen Sinn wieder." Dieses abgewandelte Novalis-Zitat (im Original heißt es "Welt" statt "Wirtschaft") umreißt schwungvoll die Intention dieses Buches, das eine "subtile Revolution" anzetteln möchte - und wirtschaftliche Paradigmen auf den Kopf stellen. Tim Leberechts Business-Romantiker handelt von der Sehnsucht nach einem anderen Wirtschaftsleben und trifft damit den Geist der Zeit. Leberecht will nicht länger hinnehmen, dass business as usual alles entzaubert, was an unseren täglichen Erlebnissen in der Ökonomie magisch und bedeutungsvoll sein kann. Ihm geht es darum, "einen romantischen Blick auf die Wirtschaft zu werfen". Dass dieser Blick nicht analytisch-klar ist, dies gar nicht sein kann, versteht sich von selbst. Es geht um Sinn, Schönheit und Bedeutung, nicht um Zahlen, Konzepte und Modelle. Es geht um eine "Wiederverzauberung der Arbeit", wie Holm Friebe in seiner Würdigung schreibt: "Indem Leberecht die Mohrrübe vor unserer Nase gegen die blaue Blume tauscht, trifft er den Ellennerv der Zeit." Und setzt damit dem globalen Finanzkapitalismus eine tief aus europäischem Denken schöpfende Perspektive entgegen. Lesenswert, nicht nur für Romantiker. Fazit: Eine (leicht zu lesende) Anregung, darüber nachzudenken, wie viel Romantik eigentlich in den Bestrebungen steckt, eine andere Ökonomie zu schaffen.
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Hans Ulrich Obrist:
Kuratieren!.
Verlag C.H.Beck, München 2015, 206 Seiten, 19.95 Euro, ISBN 978-3-406-67364-1
Vor zehn Jahren bereits hat der schwedische Ökonom Kjell Nordström postuliert, Kuratoren gehöre die Zukunft, in der Wirtschaft wohlgemerkt. Das war wohl etwas weit vorausgedacht. Bislang jedenfalls ist das Berufsbild des Kurators nicht weit über museumswissenschaftliche Fachpublikationen hinaus vorgedrungen. Gleichzeitig jedoch ist "Kuratieren" zu einer Art Allerweltsbegriff avanciert, der sich auf so ziemlich alles anwenden lässt, was irgendwie mit dem Treffen einer Auswahl zu tun hat. Gegen diese Mode setzt sich Hans Ulrich Obrist, einer der weltweit gefragtesten Kuratoren, in seinem Buch Kuratieren! zur Wehr. Damit liegt nun ein Werk vor, in dem man nachlesen kann, was ein Kurator so treibt, und zudem eine präzise und anschauliche Beschreibung dieses Berufsbildes findet. Die wesentliche Eigenschaft der Tätigkeit des Kuratierens bestehe schlichtweg darin, "Kulturen miteinander zu verbinden und ihre Elemente einander anzunähern", schreibt Obrist. Die Aufgabe des Kuratierens sei es, "Verbindungen zu schaffen, dafür zu sorgen, dass verschiedene Elemente miteinander in Berührung kommen". Besser lässt sich der Kern von Führung nicht umschreiben. Lehrsätze wie im Managementhandbuch wird man in Obrists Buch freilich nicht finden. Wer daraus für die Praxis des Führens lernen will, von dem ist schon eine Transferleistung gefordert. Leicht macht es uns Obrist nicht, dafür ist sein Buch aber wunderbar leicht zu lesen. Es lohnt, sich von einem Meister des Kuratierens inspirieren zu lassen.
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Thalma Lobel:
Du denkst nicht mit dem Kopf allein.
Vom geheimen Eigenleben unserer Sinne.
Campus Verlag, Frankfurt am Main 2015, 251 Seiten, 19.99 Euro, ISBN 978-3-593399935
Natürlich, Bücher über die Grenzen unserer Ratio, über die wackeligen Grundlagen unserer Entscheidungen, über den unterschätzten Einfluss der Gefühle auf unser Verhalten sind reichlich in den vergangenen Jahren erschienen. Thalma Lobel schiebt nun eine andere Dimension ins Bild: die Sinnesorgane. Wie beeinflussen Gerüche, Farben, Temperatur, Licht, Textur oder Gewicht unsere Empfindungen, Vorstellungen und Entscheidungen? Unsere Sicht der Welt? Eine warme Tasse Tee zum Beispiel stimmt unbemerkt milder bei Verhandlungen - zu unserem Nachteil. Embodiment heißt diese Forschungsrichtung in der Psychologie, und sie fördert so unerhörte Erkenntnisse zutage wie: Geschmackserlebnisse können unsere Moralvorstellungen verändern. Ganz schön steil klingen manche Studienergebnisse durchaus. Und deshalb präsentiert sie Thalma Lobel mit gehöriger Vorsicht, kritischen Einwänden und einer fundierten Vorauswahl. Nur Untersuchungen, die mehrfach wiederholt und bestätigt wurden, finden Einlass in ihren Überblick. Am Schluss verrät sie, wie wir unsere physische Intelligenz nutzen können.
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David Hand:
Die Macht des Unwahrscheinlichen.
Warum Zufälle, Wunder und unglaubliche Dinge jeden Tag passieren.
Verlag C.H.Beck, München 2015, 288 Seiten, 21.95 Euro, ISBN 978-3-406-67594-2
Immer wieder geschehen Dinge, die so unerwartet, so ungewöhnlich, so unwahrscheinlich sind, dass wir kaum an einen Zufall glauben wollen. Die auch aufgeklärte Menschen daran zweifeln lassen, ob es nicht doch in unserem Universum etwas gibt, das sich unserem Verständnis entzieht. Etwas, das den Lauf der Dinge hinter den Kulissen steuert. David Hand, emeritierter Professor für Mathematik und ehemaliger Präsident der Royal Statistical Society in England, räumt mit so was auf. Man müsse nicht auf Aberglauben, Wunder, Götter, übernatürliche Eingriffe oder psychische Kräfte zurückgreifen, um solche extrem unwahrscheinlichen Ereignisse zu erklären. "Gebraucht werden hier nur die grundlegenden Gesetze der Wahrscheinlichkeit." Sie begründen, was Hand "das Unwahrscheinlichkeitsprinzip" nennt: "Die Behauptung lautet, dass extrem unwahrscheinliche Ereignisse alltäglich sind." Das Universum sei tatsächlich so beschaffen, dass Zufälle unvermeidlich sind: "Das außerordentlich Unwahrscheinliche muss geschehen, und es wird zu Ereignissen von verschwindend geringer Wahrscheinlichkeit kommen." Ein extrem spannendes und extrem lehrreiches Buch mit zahlreichen frappierenden Beispielen, ein Buch, das zugleich zeigt, wie verbreitet alte Denkmuster immer noch sind: Das gilt für Aber- und Wunderglauben ebenso wie für die Vorstellung eines deterministischen Uhrwerkuniversums. Auch die spukt noch herum.
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Jeff Sutherland:
Die Scrum-Revolution.
Management mit der bahnbrechenden Methode der erfolgreichsten Unternehmen.
Campus Verlag, Frankfurt am Main 2015, 229 Seiten, 39.99 Euro, ISBN 978-3-593399928
Planung funktioniert nicht. Und ausgefeilte Projektpläne sind grundsätzlich und immer falsch. Das lehrt die Erfahrung. Und sagt der Erfinder von Scrum, einer Methode, Entwicklungsprojekte iterativ und inkrementell anzulegen, ohne Planungsbrimborium. In seinem neuen Buch erklärt Jeff Sutherland seine Methode endlich einmal systematisch. Und er weist nach, dass sie sich nicht nur für IT-Projekte eignet, für die er sie ursprünglich entwickelt hat, sondern für Projekte aller Art. Sutherland zeigt, wie man Scrum auf die ganze Welt anwenden kann. Spätestens hier wird klar, dass es sich nicht bloß um eine Methode handelt, sondern um ein Rahmenwerk, eine Herangehensweise, eine Geisteshaltung. Die in die Zeit passt: Selbst organisierte Teams, ein iteratives Vorgehen, Strukturen, die extrem flexibel sind, die Einbindung der Nutzer einer Sache, das alles dockt an die Welt des Arbeitens und Lebens an, wie wir sie uns vom 21. Jahrhundert erhoffen. Ein Grundlagenwerk.
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Peter Janich:
Handwerk und Mundwerk.
Über das Herstellen von Wissen.
Verlag C.H.Beck, München 2015, 372 Seiten, 29.95 Euro, ISBN 978-3-406-67490-7
Aristoteles rümpfte verächtlich die Nase über Schreiner, Schmiede, Wagenbauer und Steinmetze seiner Zeit. Das Handwerk, zuständig für die Erfüllung einfacher Alltagsbedürfnisse, schien ihm und seinen philosophischen Zeitgenossen im alten Griechenland ein niederes Ding. Der abwertende Begriff "Banausen", einst schlicht der Name für Handwerker, geht auf diese Zeit zurück. Ebenso wie die bis heute unser Weltbild prägende Dichotomie von Sinnrationalität versus Zweckrationalität, zweckfreiem Wissen versus instrumentellem Wissen, know that versus know how. Nur, dass sich heute nur wenige der Wirkungsmacht dieser wissenschaftshistorischen Wurzeln bewusst sind. Die Dichotomie gilt als selbstverständlich, als Axiom, fast schon als eine Art Naturgesetz: oben der große Theoretiker der reinen Lehre, unten der einfache Schrauber, Ingenieur, Praktiker? Peter Janich erhebt Einspruch. Das Bild ist schief, argumentiert der Marburger Philosophieprofessor. Keine wissenschaftliche Theoriebildung kommt letzten Endes ohne handwerklich-technisches Fundament aus, sie erwächst erst daraus, ist mit ihr und ihrer methodisch geordneten Handlungslogik verwoben. Mundwerk (Theorie) und Handwerk (Praxis) sind eben keine Dichotomie. Für philosophische Laien nicht gerade eine locker geschriebene Bettlektüre, aber ein ungeheuer fundiertes Buch, das einen kritischen Blick auf das abendländische Selbstverständnis eröffnet.
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