Zweite Ernte
Der Saison zweiter Schwung.
changeX hat die Saisonneulinge der Verlage unter die Lupe genommen. Neuerscheinungen zu den Themen Arbeit & Leben, Wirtschaft & Management, Wissen & Lernen. Hier unsere Auslese mit unseren elf Lieblingstiteln: Bücher, die wir spannend finden. Texte: Anja Dilk, Winfried Kretschmer, Tatjana Krieger und Ute Wielandt
Armin Nassehi:
Die letzte Stunde der Wahrheit.
Warum rechts und links keine Alternativen mehr sind und Gesellschaft ganz anders beschrieben werden muss.
Murmann Publishers, Hamburg 2015, 344 Seiten, 20 Euro, ISBN 978-3-86774-377-8
Komplexität ist zu einem Allerweltsbegriff geworden, ein oft unhinterfragt benutztes Schlagwort für alles Unverständliche, Unkontrollierbare. Armin Nassehi geht in seinem neuen Buch dem Komplexitätsbegriff mit soziologischem Werkzeug auf den Grund. In einer komplexen Gesellschaft, so seine Definition, bilden sich unterschiedliche Bereiche mit jeweils eigener Logik und eigenem Funktionssystem heraus. Nichts ist mehr aus einem Guss. Die alten Gesellschaftstheorien von links wie von rechts greifen nicht mehr, sie sind unterkomplex, ja scheinen geradezu den Zweck zu haben, Komplexität zu ignorieren. Es stehen keine anschlussfähigen Beschreibungstraditionen zur Verfügung, sagt Nassehi. Eine starke These, die leicht auf den Autor zurückfallen kann, wenn der nicht stark nachlegt. Das tut Nassehi - zumindest auf abstrakter Ebene. Er denkt Gesellschaft von ihrer Komplexität her. Die wesentliche Herausforderung der modernen Gesellschaft ist für ihn die Übersetzung von einer Logik in eine andere. Nur so kann die verteilte Intelligenz genutzt werden. Mit seinem Buch bietet Nassehi eine frische Perspektive ohne den schalen Beigeschmack der alten Theorieangebote. Dieses Buch nicht zu lesen, wäre ein Fehler.
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Bernhard Pörksen:
Die Beobachtung des Beobachters.
Eine Erkenntnistheorie der Journalistik.
Carl-Auer Verlag, Heidelberg 2015, 298 Seiten, 34.95 Euro, ISBN 978-3-8497-0066-9
Medienkritik ist en vogue. Ihre Wogen schlagen hoch. Doch allzu oft mündet berechtigte Kritik in allgemeine Medienverdrossenheit. Das Vertrauen zu Journalisten ist im Keller, eine neue Bewegung weltanschaulich völlig unterschiedlicher Provenienz wettert pauschal gegen die Presse. Und die Journalisten selbst ringen um ihre Rolle in der digitalen Öffentlichkeit, in der jeder zum Publizisten werden kann. Bernhard Pörksen weiß, wie gefährlich diese Mischung ist. Denn ohne eine professionelle Form der Selbstbeobachtung kann eine demokratische Gesellschaft nicht auskommen. Doch diese Selbstbeobachtung steht an einem Wendepunkt. Sie muss sich neu erfinden, neu positionieren, neu justieren. Zum Beispiel mithilfe der konstruktivistischen Theorie der Erkenntnis. Diese schult ein Gespür für produktive Selbstirritation. Für die Frage, ob man ein Phänomen nicht auch ganz anders sehen, ganz anders beschreiben kann. Pörksen zeigt eindrucksvoll: Wer sich der Subjektivität seiner Wahrnehmung, der individuell geprägten Konstruktion von Realität bewusst ist, schaut anders hin. Nicht nur Journalisten sind gut beraten, die Kunst der Selbstbeobachtung zu üben. Sondern alle Menschen, die sich mit der Welt um uns herum kritisch auseinandersetzen wollen. (ad)
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Walter Mischel:
Der Marshmallow-Test.
Willensstärke, Belohnungsaufschub und die Entwicklung der Persönlichkeit.
Siedler Verlag, München 2015, 400 Seiten, 24.99 Euro, ISBN 978-3-8275-0043-4
Sein Test ist längst zum Partystandard geworden: Wie lange schaffst du es, nicht zum Marshmallow zu greifen? Denn seit Walter Mischel mit seinen Marshmallow-Experimenten an Kindergartenkindern herausfand, dass die Widerstandskraft gegenüber einer duftenden, weichen, herrlich süßen Versuchung ein zuverlässiger Indikator für den späteren Lebenserfolg ist, steht Selbstkontrolle in der gesellschaftlichen Bewertung wieder ganz oben. Mit seinem Buch tritt jetzt endlich Mischel selbst aus den Tiefen der Wissenschaftswelt heraus an die Öffentlichkeit und reflektiert seine Erkenntnisse und die Folgeforschungen der vergangenen 40 Jahre für ein breites Publikum, das in jüngster Zeit seine Erkenntnisse begierig aufnimmt. Denn das Marshmallow-Experiment und seine Folgen versprechen konkrete Lebenshilfe in einer erfolgs- und kontrollverliebten Gegenwart. Doch gibt Mischel keine einfachen Antworten, sondern steuert differenzierte Überlegungen zu der Frage bei, wie wichtig unsere Fähigkeit zum Belohnungsaufschub wirklich ist, wie wir sie lernen und im Alltag üben können, und warum wir es damit andererseits auch nicht überziehen sollten. Locker geschrieben, auf den Punkt und absolut empfehlenswert. (ad)
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Anja Förster, Peter Kreuz:
Macht, was ihr liebt!.
66 1/2 Anstiftungen das zu tun, was im Leben wirklich zählt.
Pantheon Verlag, München 2015, 208 Seiten, 12.99 Euro, ISBN 978-3-570-55265-0
Leichtigkeit ist etwas Schönes. Und doch so schwer zu erreichen. Gerade, wenn es darum geht, Wissen und Erkenntnisse in Worte zu fassen. Und noch mehr, wenn das in Buchform geschehen soll. Schwere Bücher gibt es zuhauf. Welche, die leichter daherkommen, ohne platt zu wirken, die Leichtigkeit nicht mit Gedankenlosigkeit verwechseln, findet man hingegen selten. Ein solches leichtes Buch ist Macht, was ihr liebt! von Anja Förster und Peter Kreuz. Pah, könnte man sagen, eine Zweitverwertung der Kolumnen der beiden Autoren! Doch damit täte man dem Buch unrecht. Der episodenhafte, erzählende Charakter gibt diesem Titel sein besonderes Flair. 66 Anstiftungen versammelt das Buch plus eine halbe im Vorwort - anregende Episoden und erhellende kleine Geschichten, die um das zentrale Thema der beiden Autoren kreisen: das Funkeln in den Augen, das entsteht, wenn jemand ganz bei sich ist, wenn er tut, was er liebt. Niemand ist Opfer irgendwelcher Umstände, sagen Förster/Kreuz. Ihre Botschaft. "Nicht jeden äußeren Faktor kann der Mensch beeinflussen. Aber eben sich!" Fazit: Wunderbar leichte Lektüre. Lesen. Wirken lassen.
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Olaf-Axel Burow:
Team-Flow.
Wachsen im Kreativen Feld.
Beltz Verlag, Weinheim 2015, 220 Seiten, 24.95 Euro, ISBN 978-3-407-36569-9
Ein Autor räumt auf mit dem Mythos vom Einzelgenie, von der überragenden kreativen Einzelleistung. Olaf-Axel Burow konfrontiert den sich hartnäckig haltenden Geniekult mit einer starken These: Kreativität gibt es nur im Plural. Das Neue - in Form von Lösungen für Probleme, als neue Produkte, als alles umwerfende wissenschaftliche Paradigmenwechsel - kommt in die Welt nicht durch die Arbeit eines Einzelnen. Kreativität, so Burow, entfaltet sich in Gruppen, deren Mitglieder ihre Stärken und Schwächen kennen, sich in ihren Begabungen ergänzen und gemeinsam etwas schaffen, das mehr ist als die Summe der Teile: ein kreatives Feld, in dem neue Gedanken und Ideen sprudeln. Nicht irgendwelche Kreativitätstechniken bringen uns voran, entscheidend ist ein Umfeld, in dem wir uns quasi automatisch entfalten. Wer seine Kreativität freisetzen will, sollte sich den Rahmenbedingungen zuwenden, unter denen Zusammenarbeit geschieht. Etwa indem er seinen Arbeitsplatz anders gestaltet, für mehr Kommunikation mit den Kollegen sorgt, sich Arbeitsfeldern zuwendet, die seinen Neigungen und Fähigkeiten besser entsprechen. Ein hervorragendes Überblickswerk zum Thema Gruppenkreativität. (wk)
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Joachim Bauer:
Selbststeuerung.
Die Wiederentdeckung des freien Willens.
Blessing Verlag, München 2015, 240 Seiten, 19.99 Euro, ISBN 978-3-89667-539-2
Mache dich nicht zum Sklaven deiner Impulse! Finde einen Weg, dein Leben so zu leben, wie du es leben willst! Selten vielleicht war die Sehnsucht nach Selbststeuerung, nach etwas mehr Kontrolle größer als heute. Zu verlockend sind die Versuchungen der Medienindustrie, zu omnipräsent die Ablenkungen der digitalisierten Arbeitswelt. Doch einfache Rezepte, mit denen der Buchmarkt seit Jahren überspült wird, gehen am Kern der Sache vorbei. Selbststeuerung bei komplexen Systemen wie dem Menschen ist ein komplexer Prozess. Wie er funktioniert, darüber weiß die Forschung mittlerweile eine ganze Menge. Die entscheidende Botschaft: Wir können Selbststeuerung lernen, schulen und üben. Wenn wir den freien Willen nutzen, statt ihn selbstvergessen an der Garderobe der Konsumgesellschaft abzugeben. Joachim Bauer, Mediziner, Psychiater, Wissenschaftler, bringt auf Basis neuester Forschungen die Eckpunkte auf dem Weg zu erfolgreicher Selbststeuerung präzise und anschaulich auf den Punkt. Damit stößt er die Tür auf zu mehr Freiheit und Selbstbestimmung - und dem Leben, das wir tatsächlich wollen. Eine kritische Reflexion zu einem zentralen Thema unserer Zeit. Und ein wichtiger Beitrag zu einer wichtigen Debatte: Wie wollen wir leben? Als Individuum? Als Gesellschaft? (ad)
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Gregory Hickok:
Warum wir verstehen, was andere fühlen.
Der Mythos der Spiegelneuronen.
Carl Hanser Verlag, München 2015, 366 Seiten, 24.90 Euro, ISBN 978-3-446-44312-9
Nur selten wohl hat ein einzelnes Forschungsergebnis in einer wissenschaftlichen Spezialdisziplin einen derartigen medialen Begeisterungssturm entfacht wie die Entdeckung der Spiegelneuronen durch ein Forscherteam in Parma im Jahr 1988. Spiegelneuronen sorgen angeblich dafür, dass wir verstehen, was andere fühlen. Kleine Wunderwerke seien sie, Grundlage unserer Empathie und unserer Sprache ebenso wie einer ganzen Reihe weiterer bislang unverstandener menschlicher Phänomene: Imitation, soziale Wahrnehmung, Gedankenlesen, Wertschätzung für Musik und Kunst, das Mitfiebern bei Sportveranstaltungen, aber auch Stottern, Autismus nicht zuletzt auch das rätselhafte Mitgähnen. Im Überschwang der Begeisterung hat sich kaum jemand darum gekümmert, dass all diese weitreichenden Spekulationen sich auf den Nachweis eines spezifischen Zelltyps im Gehirn einer Makakenart, der Schweinsaffen, stützt. Auf dieser Grundlage entwarfen Hirnforscher und Psychologen "eine der weitreichendsten Theorien der Psychologiegeschichte über die neuronalen Grundlagen menschlichen Verhaltens". Der Hirnforscher Gregory Hickok bringt nun die wissenschaftliche Spekulationsblase zum Platzen. Er sagt: Die Spiegelneuronentheorie ist falsch. Ihr Reiz bestand vor allem darin, dass sie so einfach war. Und dennoch in Aussicht stellte, viele komplexe Probleme lösen zu können. Doch Hickok haut die Theorie nicht bloß in die Tonne. Sondern betont ihren Nutzen für die Forschung, indem sie "eine Fülle neuer Befunde, Hypothesen und Gegenhypothesen befeuert hat". Das Buch ist ein echter Augenöffner. Und wissenschaftstheoretisch auf dem Stand der Zeit.
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Bas Kast:
Und plötzlich macht es KLICK!.
Das Handwerk der Kreativität oder wie die guten Ideen in den Kopf kommen.
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2015, 265 Seiten, 19.99 Euro, ISBN 978-3-10-038304-4
Was macht eine Gruppe klug und kreativ? Seit das Neue in unserer Gesellschaft so sehr an Bedeutung gewonnen hat, stehen Fragen wie diese im Brennpunkt des Interesses. Das Buch von Bas Kast sortiert die aktuelle psychologische Forschung zum Thema. Kast hat nicht nur eine Fülle von Fachartikeln ausgewertet, sondern selbst Forschungseinrichtungen besucht und mit Wissenschaftlern gesprochen. Auch wenn nicht alle der dargestellten Erkenntnisse brandneu sind, räumt Kast mit ein paar hartnäckigen Vorurteilen auf: Kreativität ist keine Eigenschaft, die einzelne Menschen haben können oder auch nicht. Alle Menschen haben das Potenzial zur Kreativität; ob und wie sie es entfalten, hängt aber von der Situation und vom Umfeld ab. Schulung unterdrückt Kreativität eher, als sie zu fördern. Und Konzentration fördert nicht unbedingt kreatives Arbeiten - wer ab und zu die Gedanken schweifen lässt, schafft sich geistige Freiräume. Wie aber kann Kreativität nun wirklich entstehen? Darauf findet Kast tatsächlich eine eindeutige und gut belegte Antwort: Im freien, ausgewogenen Austausch in der Gruppe. Und er nennt Faktoren, die diesen freien Austausch fördern. Auf jeden Fall lesenswert. (uw)
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Steffen Mau, Nadine M. Schöneck (Hg.):
(Un-)Gerechte (Un-)Gleichheiten.
Suhrkamp Verlag: edition suhrkamp 2684, Berlin 2015, 208 Seiten, 16 Euro, ISBN 978-3-518-12684-4
Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer. So der Befund zahlreicher aktueller Studien. Wie ungerecht ist das, und was kann oder sollte man deshalb tun? Eine Aufsatzsammlung untersucht das Phänomen. In einem Punkt sind sich die Autoren weitgehend einig: Zu viel Ungleichheit bedroht die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes, die gesellschaftliche Stabilität und die Demokratie. Doch der Sammelband zeigt auch, dass es keine Patentrezepte gegen ungerechte Ungleichheiten gibt. Ist der Sozialstaat ein notwendiges Gegengewicht zum Kapitalismus oder verschärft er die Probleme? Sollte man Erbschaften besteuern oder nicht? Führt Bildung tatsächlich zu mehr Gleichheit? In all diesen Punkten vertreten die Autoren unterschiedliche Meinungen. Einen Befreiungsschlag aus diesem Dickicht führt der Soziologe Hartmut Rosa. Er zeigt auf, dass auch die ökonomischen Gewinner des Umverteilungsspiels oft Verlierer sind: an Lebensqualität nämlich. Rosa plädiert für eine Umfokussierung: Weg von der Diskussion über Besitzverteilung hin zum Ideal des guten Lebens. Der hilfreichste Beitrag des Buchs ist also derjenige, der das Thema grundsätzlich infrage stellt. (uw)
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Svenja Hofert, Thorsten Visbal:
Die Teambibel.
Das Praxisbuch für erfolgreiche Teamarbeit.
GABAL Verlag, Offenbach 2015, 272 Seiten, 29.90 Euro, ISBN 978-3-86936-632-6
Kaum eine Stellenanzeige kommt aus ohne das Attribut "teamfähig". Die Kompetenz, mit anderen zusammenarbeiten zu können, ist zur Eintrittskarte für das Erwerbsleben geworden. Dabei ist auch Führungskräften oft unklar, wo Gruppenarbeit aufhört, wo echte Teamarbeit beginnt und wie man seine Truppe zu Höchstleistungen anspornt. Die Teambibel. Das Praxisbuch für erfolgreiche Teamarbeit schließt diese Wissenslücken, indem sie Menschen, die Teams aufbauen, coachen oder leiten, mit typischen Phasen, Entwicklungen und Herausforderungen vertraut macht. Die Autoren Svenja Hofert und Thorsten Visbal haben ihr Buch dafür in zwei Teile gegliedert: Die erste Hälfte widmet sich wissenschaftlichen Erkenntnissen und häufigen gruppendynamischen Prozessen und beinhaltet einen Crashkurs in Teampsychologie. Im zweiten Teil finden sich Lösungen für wiederkehrende Konflikte wie Mobbing, mangelnde Motivation oder fehlende gemeinsame Zielorientierung. Das Buch funktioniert dabei wie ein Nachschlagewerk, das zu je einem konkreten Fall eine Handlungsanleitung anbietet. Und es kommt genau zur rechten Zeit: Komplexer werdende Fragestellungen werden künftig nur noch im Team beantwortet werden können, was ein hochprofessionelles Management desselben erfordert. (tk)
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Sandra Rendgen, Julius Wiedemann:
Understanding the World.
The Atlas of Infographics.
Taschen Verlag, Köln 2014, 456 Seiten, 49.99 Euro, ISBN 978-3-836548830
Was für ein Buch und was für ein Anspruch! Understanding the World, der Atlas der Infografiken: 450 Seiten, Atlasformat, gut vier Kilo schwer mit mehr als 250 ausgewählten großformatigen Grafiken, sieben davon auf Ausklappern im Posterformat. "Einen Atlas der Welt im frühen 21. Jahrhundert" will das Buch präsentieren, erliegt aber nicht dem Kurzschluss, Infografiken bloß als Phänomen der digitalen Moderne zu sehen. Gleich zu Beginn rückt es die Perspektive zurecht. Eine der ersten Abbildungen im Buch zeigt eine mittelalterliche Weltkarte aus dem Jahre 1265, und in ihrem einleitenden historischen Essay, wie alle Texte in Englisch, Deutsch und Französisch abgedruckt, spannt die Kulturwissenschaftlerin Sandra Rendgen einen weiten historischen Bogen von mittelalterlichen Karten und alten anatomischen Darstellungen über illustrierte Lehrbücher und die Enzyklopädien des Zeitalters der Aufklärung bis hin zur explosiven Entwicklung des Genres in den letzten Jahren. Hier liegt ganz klar auch der Schwerpunkt. Die komplexen Infografiken des beginnenden 21. Jahrhunderts stehen im Mittelpunkt des wunderschön gestalteten Buches, das so auch die Entwicklung der Darstellungsform Infografik deutlich macht. Und ihren Boom nachvollziehbar. Denn viele der präsentierten Beispiele sind einfach verblüffend gut. Das rechtfertigt, das Buch als Nachzügler von 2014 in die Liste aufzunehmen. (wk)
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