Bücherherbst 2015
Unsere Buchempfehlungen im Herbst 2015, erste Liste
Buchmesse. Die Herbstsaison auf Hochtouren. In Massen bringen die Buchverlage ihre Neuerscheinungen auf den Markt. Wir haben die Verlagsprogramme im Sach- und Wirtschaftsbuch durchgesehen, haben ausgewählt, bestellt, reingelesen und bewertet. Hier eine erste Liste mit unseren elf Lieblingstiteln zu den Themen Arbeit & Leben, Wirtschaft & Management, Wissen & Lernen. Mit spannenden, vielversprechenden, lesenswerten Büchern. Eine zweite Liste mit Schwerpunkt auf den Oktober-Neuerscheinungen folgt.
Reinhard K. Sprenger:
Das anständige Unternehmen.
Was richtige Führung ausmacht - und was sie weglässt.
DVA Sachbuch, München 2015, 384 Seiten, 26.99 Euro, ISBN 978-3-421-04706-9
Klar, das Image der Wirtschaft ist auf einem Tiefstand. Abzocke, Wahnsinnsboni, Strafverfahren gegen Topmanager, Burnout-Wellen und Leistungsmarathon, "Too big to fail"-Zynismen, nicht zuletzt Großbetrügereien wie bei VW haben ihren Ruf ruiniert. Die Menschen haben die Nase voll. Die Sehnsucht nach Ausgleich, Rechtschaffenheit, Moral ist omnipräsent. "Anstand" nennt das der renommierte Vordenker Reinhard K. Sprenger. Und er ist überzeugt: Mit staatlicher Regulierung lässt sich dieser Anstand nicht verordnen. Es braucht eine völlig neue Theorie und Praxis des Wirtschaftens. Eine Theorie, die auf Zurückhaltung und Distanz, neuer Freiheit und Unterlassen beruht. Abschaffen statt verändern, neu denken statt weiterwurschteln. Sprengers "Anti-Verkrustungs-Fibel" ist eine Provokation und eine Anleitung zum Aufbau anständiger, erfolgreicher Unternehmen zugleich. Ein "Manifest für das heraufziehende Innovationszeitalter" nennt er es selbst, und ruft zu einem fundamentalen Paradigmenwechsel auf. Ein großer Wurf, unverzichtbar in diesem Herbst.
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Thomas Sattelberger, Isabell Welpe, Andreas Boes:
Das demokratische Unternehmen.
Neue Arbeits- und Führungskulturen im Zeitalter digitaler Wirtschaft.
Haufe Verlag, Freiburg 2015, 312 Seiten, 59 Euro, ISBN 978-3-648-07434-3
Im Februar 2015 fand im Audimax der TU München die Konferenz "Das demokratische Unternehmen" statt. Nun liegt der Konferenzreader vor. Es ist ein Grundlagenwerk, das ganz unterschiedliche Facetten des Themas beleuchtet: historisch, demokratietheoretisch, mit Blick auf die Managemententwicklung und ganz praktisch. Zu den auf der Konferenz vertretenen Praktikern stoßen im Buch noch einige weitere hinzu, die mit ihren Experimenten in Sachen Unternehmensdemokratie auf sich aufmerksam gemacht haben. So bringt der Reader pointiert ein Thema auf den Punkt, das freilich nicht ganz überraschend kommt. Seit Jahren schon zeichnet sich eine neue Welle der Beteiligung der Mitarbeiter an Unternehmensentscheidungen ab. Und zahlreiche Unternehmen experimentieren mit neuen Formen der Beteiligung und Selbstbestimmung. Neu ist der Perspektivwechsel: Was bislang unter den Stichworten "vernetzte Organisation" und "Agilität" thematisiert wurde, wird nun unter dem Label "Unternehmensdemokratie" beleuchtet. Im Buch fehlt leider der von Übersee übertragene Konferenzvortrag von Tom Malone. Der nämlich hatte auch was zum Thema beizutragen: "When done well, democratic organizations can be more intelligent organizations." PS: Auf der Buchmesse ist das Buch von Managementbuch.de als "Managementbuch des Jahres 2015" ausgezeichnet worden. Verdient. (wk)
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Andreas Zeuch:
Alle Macht für niemand.
Aufbruch der Unternehmensdemokraten.
Murmann Publishers, Hamburg 2015, 264 Seiten, 25 Euro, ISBN 9783867744751
Ein Unternehmen ist dann demokratisch, wenn die Mitarbeiter ernsthaft in Entscheidungsprozesse eingebunden werden und dort mitbestimmen oder sogar selbst bestimmen können. Definiert Andreas Zeuch, der mit seinem Buch Alle Macht für niemand als Erster zum neuen Thema "Unternehmensdemokratie" auf dem Markt war. Sein Buch ist eine Erkenntnisreise zu Unternehmen, die sich auf die Suche nach der individuell passenden Form von Demokratie begeben haben. Und ein engagiertes Plädoyer, dieses Experiment zu wagen. Das lohnt, denn demokratisch verfasste Unternehmen haben zufriedenere und engagiertere Mitarbeiter, sind adaptiver und können meist auch ihr wirtschaftliches Ergebnis verbessern. Vor allem aber tragen sie zu einem Kulturwandel bei: vom gegenseitigen Misstrauen hin zu Vertrauen, von rigider Planungsmentalität hin zu Ko-Kreativität, von kurzfristiger Gewinnmaximierung hin zu einer sozial und ökologisch verpflichteten, langfristig orientierten Wirtschaft. Unternehmensdemokratie ist also nicht nur eine Frage der Selbstorganisation, sondern ein politisches Statement.
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Stephanie Borgert:
Die Irrtümer der Komplexität.
Warum wir ein neues Management brauchen.
GABAL Verlag, Offenbach 2015, 256 Seiten, 29.90 Euro, ISBN 978-3-86936-661-6
Irgendwas ist immer. Irgendwas, das Pläne scheitern lässt, Vorhaben durchkreuzt, Strategien ins Leere laufen lässt. Das das menschliche Streben mit seiner Unzulänglichkeit konfrontiert. "Irgendwas ist immer", diesen kleinen Satz hat die Autorin Stephanie Borgert ihrem Buch Die Irrtümer der Komplexität vorangestellt. Als die Kurzform dessen, was ein komplexes System ausmacht: dass immer etwas passieren kann, das sich nicht vorhersehen lässt, weil dieses System eben nicht einer definierten (und prinzipiell ergründbaren) Reihe von Ursache-Wirkungs-Beziehungen folgt. Ein Wissen, das abseits der üblichen Small-Talk-Bonmots (Wirbelsturm und Schmetterling, Sack Reis in China) erstaunlich wenig verbreitet ist. Für Borgert war das der Auslöser, ihr Buch zu schreiben. Und die Irrtümer der Komplexität offenzulegen. Irrtümer, "die im Management immer noch weitverbreitet sind", so die Autorin. Sie führt sie vor, einen nach dem anderen, fundiert und gut zu lesen. Und sie versteht es, das Irgendwas-ist-immer als Grundlage unseres Weltverständnisses auszubuchstabieren: "Komplexität ist nicht unser Gegner, sondern der Zustand, in dem wir leben und agieren."
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Niels Pfläging, Silke Hermann:
Komplexithoden.
Clevere Wege zur (Wieder)Belebung von Unternehmen und Arbeit in Komplexität.
Redline Verlag, München 2015, 140 Seiten, 12.99 Euro, ISBN 978-3-86881-586-3
Über das Verzweifeln an der Komplexität in der globalen Unternehmenswelt ist schon viel geschrieben worden. So knackig Lösungen zu präsentieren wie diese Autoren, gelingt selten. Wie sagte Niels Pfläging neulich auf einem Kongress? "Komplexität ist wie das Wetter. Es ist nichts Schlechtes daran. Es ist nur Kacke, wenn man nicht darauf vorbereitet ist." Also, los geht’s. Mit Komplexithoden experimentieren, zeitgemäßen Werkzeugen, um Unternehmen und Mitarbeiter durch den komplexen Wirtschaftsalltag zu lenken. Ein inspirierendes Feuerwerk an Denkanstößen und Praxistools. Wunderbar lesbar, quadratisch präsentiert, auf den Punkt illustriert.
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Armin Nassehi, Peter Felixberger (Hg.):
Kursbuch 183.
Wohin flüchten?.
Murmann Publishers, Hamburg 2015, 192 Seiten, 19 Euro, ISBN 978-3867744782
Ein brandaktuelles Thema haben die Herausgeber für das neue Kursbuch angepackt: die Flüchtlingskrise. Aus verschiedenen Richtungen richten die Autoren Spotlights darauf. Zum Beispiel Alfred Hackensberger auf die Erwartungen und Träume junger Afrikaner, die in Marokko auf eine Überfahrt nach Europa warten. Armin Nassehi hinterfragt die gängige Unterscheidung von Wirtschaftsflüchtlingen und politischen Flüchtlingen. Andere Autoren denken über kurzfristige und langfristige Maßnahmen zur Versorgung und zur Integration der Flüchtlinge nach. Und stellen die Frage, ob es ein Weltbürgerrecht, ein Recht auf globale Freizügigkeit gibt. Das Kursbuch 183 liefert keine fertigen Antworten - wer könnte das auch angesichts des Ausmaßes des Flüchtlingsstroms? Ein wichtiger Titel, auch wenn manche grundsätzliche Frage nicht gestellt oder nur angerissen wird. (uw)
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Mahzarin R. Banaji, Anthony G. Greenwald:
Vor-Urteile.
Wie unser Verhalten unbewusst gesteuert wird und was wir dagegen tun können.
DTV premium, München 2015, 288 Seiten, 16.90 Euro, ISBN 978-3-423-26071-8
Im deutschen Flüchtlingsjahr 2015 hat dieser Titel drängende Aktualität gewonnen: Vorurteile. Damit wird sich das Einwanderungsland Germany künftig zweifellos beschäftigen müssen. Diese Autoren machen klar: Das wird schwerer, als wir uns vorstellen. Denn unser Hirn spielt uns Streiche. Auch wenn wir uns für weltoffen und vorurteilsresistent halten, stecken verborgene Vorurteile tief in unserem Denken. Sie lenken unbemerkt unser Verhalten. Weil Kultur, soziales Umfeld und Erfahrungen blinde Flecken in unserem Gehirn entstehen lassen, ohne dass wir es merken. Keiner ist davon frei. Wer mit dem ersten Selbsttest aus dem Buch erschüttert seinen eigenen Denkmustern auf die Schliche gekommen ist, wird diesen Titel so schnell nicht mehr aus der Hand legen. (ad)
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Frank Baumann-Habersack:
Mit neuer Autorität in Führung.
Warum wir heute präsenter, beharrlicher und vernetzter führen müssen.
Springer Gabler, Wiesbaden 2015, 150 Seiten, 49.99 Euro, ISBN 978-3-658-02145-0
Es braucht eine neue Art von Autorität in Unternehmen. Sagt Frank Baumann-Habersack. Alte Autorität, das war Autorität von Amts wegen, die auf einem Machtgefälle und auf Geringschätzung aufbaute. In vielen Unternehmen ist diese alte Autorität nach wir vor existent. Sie ist von den Strukturen vorgegeben und in der Grundhaltung vieler Führungskräfte präsent - selbst wenn vordergründig kooperative Führungstools verwendet werden. "Doch der autoritäre Führungsstil, kooperativ verpackt, eignet sich nicht mehr in der gesellschaftlichen Situation des 21. Jahrhunderts", schreibt der Autor. Neue Autorität hingegen versteht er als eine soziale Funktion, die Beziehungen gestaltet, die integriert, Themen setzt und schützt. Sie funktioniert auf Augenhöhe und ist grundsätzlich frei von Gewalt und Druck. In sie zu investieren, lohnt sich: Nur so kann die Motivation und Kraft von Mitarbeitern wie Führungskräften erhalten bleiben. (uw)
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Steffen Kirchner:
Totmotiviert?.
Das Ende der Motivationslügen und was Menschen wirklich antreibt.
GABAL Verlag, Offenbach 2015, 408 Seiten, 24.90 Euro, ISBN 978-3-86936-657-9
Menschen motivieren können, das ist der alte Traum des Managements. Immer noch. Und immer noch gibt es Motivationstrainer, die nach Tschakka-Manier zur Selbstanfeuerung aufstacheln. Mit solchen "fehlerhaften Motivierungsansätzen" will Steffen Kirchner aufräumen. Der Autor, Coach und Vortagsredner knüpft sich die verbreitetsten "Motivationslügen" vor und zerlegt sie eine nach der anderen. Kirchner geht es aber um mehr als die Demontage verbreiteter Missverständnisse. Er will zeigen, was Menschen wirklich antreibt. Dabei setzt er sich auch von dem (von ihm geschätzten) Reinhard K. Sprenger ab. Dessen These, alles Motivieren sei Demotivieren, ist ihm zu einfach, zu sehr am Ideal des selbstverantwortlichen und selbstbestimmten Menschen orientiert. In Anlehnung an die 16 Lebensmotive von Steven Reiss entwirft Kirchner ein differenzierteres Bild, in dessen Rahmen externe Reize Sinn machen können - dosiert gesetzt und auf Basis einer funktionierenden zwischenmenschlichen Basis. Klar aber ist, dass Sinn der stärkste Motivator ist: "Wer Leistung will, muss Sinn bieten." (wk)
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Ilkka Taipale (Hg.):
100 soziale Innovationen aus Finnland.
Ennsthaler Verlag, Steyr 2015, 396 Seiten, 18 Euro, ISBN 978-3-85068-955-7
Was soziale Innovation denn eigentlich sei, darüber gehen die Meinungen mitunter auseinander. Manche bemängeln gar, der Begriff sei vollkommen unklar. Was vielleicht auch damit zu tun hat, dass eine trennscharfe Begriffsklärung vorausgesetzt wird. Ganz anders die Finnen. Sie kombinieren munter, was das Land an sozialer Innovation zu bieten hat. Und der finnische Präsident Sauli Niinistö definiert den Begriff ganz pragmatisch als "praxisnahe Lösungen, mit denen die Teilhabe, der Lebensstandard, die Gesundheit, die Bildung oder das allgemeine Wohlergehen der Bevölkerung gefördert werden". Diese Bandbreite füllen auch die 100 sozialen Innovationen, die Ilkka Taipale zusammengetragen hat. Da treffen das Einkammerparlament auf den Geschirrabtropfschrank, die Kindertagesbetreuung auf den Waschsteg, Eislochbaden auf Koalitionsregierungen, Linux auf den Weihnachtsmann. Schon allein die Zusammenstellung macht Staunen. Nebenbei erfährt man dann auch, dass in Finnland schon seit Beginn der 1990er-Jahre vermehrt über soziale Erfindungen als Grundlage des Wohlstands gesprochen wird. Auch das eine Innovation. (wk)
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Martin Walker:
Germany 2064.
Ein Zukunftsthriller.
Diogenes Verlag, Zürich 2015, 432 Seiten, 24 Euro, ISBN 978-3-257-06939-6
Es ist ein aberwitziger Plot, den sich Martin Walker da ausgedacht hat. Eine Gangsterbande überfällt einen Konvoi selbstfahrender Transport-Lkw, sie schießen die Begleitdrohne ab, seilen sich aus einem Hubschrauber auf einen Transporter ab, öffnen mit Laserschneidbrennern das Dach und entwenden den wertvollsten Teil der Fracht des ganzen Konvois: allerneueste Neobiotika, die ein medizinisches Wunder im Kampf gegen polyresistente Bakterien bieten, die sich seit Mitte der 20er-Jahre des 21. Jahrhunderts zunehmend ausgebreitet haben. Germany 2064 ist ein Zukunftsthriller, ein Krimi mit einer spannenden, aber reichlich simplen Story, der gegen Ende zudem ein wenig die Luft ausgeht. Das aber ist zu verschmerzen, denn der Roman ist mehr als ein Zukunftsroman. Und Martin Walker nicht nur Bestsellerautor, sondern als Mitglied einer internationalen Beratungsgesellschaft auch mit Zukunftsszenarien befasst. Und die machen einen wesentlichen Teil des Buches aus. Immer wieder ergänzen erzählende Ausblicke auf das Leben in der Zukunft die Romanhandlung. Und nicht zuletzt ist das Buch auch eine Reflexion über hoch entwickelte menschenähnliche Roboter, die 2064 gerade im Begriff sind, die letzten Grenzen zum Menschsein zu verwischen. Spannend und auch für zukunftsinteressierte Nicht-Krimi-Leser lesenswert. (wk)
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