Bücherherbst 2015, zwo
Unsere Buchempfehlungen im Herbst 2015, zweite Liste
Wieder hat die changeX-Redaktion die Verlagsprogramme im Sach- und Wirtschaftsbuch durchgesehen, haben wir ausgewählt, reingelesen und bewertet. Hier eine zweite Liste mit unseren Buchempfehlungen zu den Themenfeldern Arbeit & Leben, Wirtschaft & Management, Wissen & Lernen. Mit pointierten Kurzrezensionen der spannendsten, der vielversprechendsten Bücher.
Joseph E. Stiglitz, Bruce C. Greenwald:
Die innovative Gesellschaft.
Wie Fortschritt gelingt und warum grenzenloser Freihandel die Wirtschaft bremst.
Econ Verlag, Berlin 2015, 608 Seiten, 28 Euro, ISBN 9783430201988
Innovation und Wissen sind heute in aller Munde. Was aber bedeutet das für die herrschende Wirtschaftslehre und Wirtschaftspolitik? Für die neoklassische Lehre und die Dominanz des Freihandels? Diesem Thema widmeten sich Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph E. Stiglitz und der Finanzwissenschaftler Bruce C. Greenwald in einer Vorlesung (der ersten Kenneth J. Arrow Lecture), aus der ihr Buch Die innovative Gesellschaft hervorgegangen ist. Ihre Ökonomie des Lernens und der Innovation habe das Zeug dazu, so die Autoren selbstbewusst, "sowohl die Wirtschaftstheorie als auch die Politik zu revolutionieren". Ihre These: Wachstum entsteht vor allem durch Innovation. Und Innovation gedeiht am besten an geschützten Orten, wo ständiges Dazulernen möglich ist. Nicht im offenen Wettbewerb. Das bedeutet, dass "mit politischen Eingriffen ein höheres nachhaltiges Wachstum erreicht werden kann". Kurzum: "Die Schaffung einer lernenden Gesellschaft sollte eines der vorrangigen Ziele der Wirtschaftspolitik sein." Ökonomischer und politischer Sprengstoff.
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Ulrich Weinberg:
Network Thinking.
Was kommt nach dem Brockhaus-Denken?.
Murmann Publishers, Hamburg 2015, 232 Seiten, 25 Euro, ISBN 9783867744690
"Aufzuspüren wäre das ‚Dazwischen‘, neu zu lernen ... das In-Beziehungen-Denken", proklamierte Bernhard von Mutius schon vor gut zehn Jahren in Die andere Intelligenz. Heute sind wir zumindest ansatzweise im "Ist" - Netzwerkdenken ist in der Gegenwart angekommen. Network Thinking, das neue Buch von Design Thinker Ulrich Weinberg, ist ein leicht lesbares Buch zum Stand der Dinge, gewissermaßen eine Einführung ins kollaborative Mehrhirndenken. Es führt zu innovativen Menschen und Firmen, die vernetztes Denken schon leben und praktizieren. Und es spürt den Bedingungen wirklicher Kollaboration nach. Anschaulich geschrieben, schön illustriert (vom Autor selbst) und von Murmann herstellerisch klasse gestaltet. Die Botschaft: Die Zeit des Einzelkämpfertums ist endgültig vorbei. "Der Wandel in unserem Denken wird irreversibel sein."
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Natalie Knapp:
Der unendliche Augenblick.
Warum Zeiten der Unsicherheit so wertvoll sind.
Rowohlt Verlag, Reinbek 2015, 320 Seiten, 19.95 Euro, ISBN 978-3-498-03403-0
Jeder Übergang führt ins Dazwischen. Damit reiht sich auch dieses Buch ein in die Erkundung eines neuen Denkens, das sich Beziehungen zuwendet, statt Zusammenhängendes in Kategorien, Abteilungen, Divisionen zu unterteilen. Der Ansatz: Übergänge nicht als Brüche wahrzunehmen, sondern als Ereignisräume, die "ein schöpferisches Potenzial bergen, das sich nur in diesen begrenzten Zwischenräumen aktivieren lässt". Solchen Übergängen und Zwischenräumen spürt die Philosophin Natalie Knapp nach, in der Natur, im menschlichen Leben und in der Gesellschaft. Sie plädiert dafür, Umbruchsituationen als Phasen besonderer Intensität schätzen zu lernen. Denn sie aktivieren ein schöpferisches Potenzial, das sich in den (hoffentlich) folgenden ruhigeren Jahren stabilisieren und entfalten kann. "Übergänge sind die poetischen Zonen des Lebens", sagt Knapp. "Wie wir mit ihnen umgehen, hat einen großen Einfluss auf unsere Lebensqualität." Ein wichtiges Buch in einer Zeit des Übergangs.
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Peter Lacy, Jakob Rutqvist, Philipp Buddemeier:
Wertschöpfung statt Verschwendung.
Die Zukunft gehört der Kreislaufwirtschaft.
Redline Verlag, München 2015, 284 Seiten, 39.90 Euro, ISBN 978-3-86881-599-3
Mehr als 40 Jahre sind vergangen, seit 1972 der Bericht an den Club of Rome erschienen ist. Die Berichte, die folgten, und all die Konzepte und Modelle für ein nachhaltiges, ökologisch verträgliches Wirtschaften sind Legende. Und im Grundansatz zumeist weitgehend ähnlich. Die Frage ist: Lässt sich dem Thema noch etwas Neues abgewinnen? Das Buch Wertschöpfung statt Verschwendung zeigt: Es geht. Das Buch ist ein Appell, das Konzept der Verschwendung zu eliminieren. Und ein Plädoyer für Unternehmertum und Innovation. Für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, "die Verschwendung in Wertschöpfung verwandeln", die frei sind "von den Einschränkungen des linearen Denkens". Das ist neu in der Öko-Debatte: Ein integrativer Ansatz, der einerseits fest auf den Schultern der ökologischen Vordenker steht, auf der anderen Seite aber eine ökonomische Wende hin zum Geschäftsmodell-Denken vollzieht. Und zudem noch mit der Eleganz und Effizienz designter Stoffkreisläufe punkten kann.
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Hannah Monyer, Martin Gessmann:
Das geniale Gedächtnis.
Wie das Gehirn aus der Vergangenheit unsere Zukunft macht.
Knaus Verlag, München 2015, 256 Seiten, 19.99 Euro, ISBN 978-3-8135-0690-7
Unser Gedächtnis, bislang war das unser Wissensspeicher, in dem alles in unserem Leben Erlebte, Erfahrene und Gelernte abgelegt wurde. Die Archivabteilung unseres Gehirns. Die Hirnforscherin Hannah Monyer und der Philosoph Martin Gessmann drehen die Perspektive. Sie wollen zeigen: Es ist Zeit für eine Neubewertung unseres Gedächtnisses. Denn dieses ist nicht auf die Vergangenheit hin orientiert, es ist nicht bloß Speicher unserer Erinnerung: "Gedächtnis hat ... nicht nur mit Vergangenheit zu tun, sondern auch mit Zukunft. Es ist nicht dazu da, Erlebtes einfach in Schubladen zu stecken und es dort aufzubewahren, sondern ständig neu aufzubereiten und dabei zukunftstauglich zu machen." Es ist aufs Kommende ausgerichtet, auf die Zukunft fixiert. Es ist unser Zukunftsorgan. Geniales Cover: Es zeigt einen Elefanten von hinten, auf dem Weg in die Zukunft.
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Patrick Stähler:
Das Richtige gründen.
Werkzeugkasten für Unternehmer.
Murmann Publishers, Hamburg 2015, 29.90 Euro, ISBN 9783867743846
Noch ein Existenzgründungsratgeber? Gibt es nicht schon genug davon? Patrick Stähler belehrt uns eines Besseren. Mit seinem Buch Das Richtige gründen legt der Experte für Geschäftsmodellinnovation einen Werkzeugkasten für Unternehmen vor, der nicht nur gut bestückt ist, sondern wirklich einlädt, damit zu arbeiten: "Dieses Buch will vollgeschrieben, vollgezeichnet und vollgefehlert sein", fordert der Autor zum Mitarbeiten auf. Stählers Gründungsansatz ist geprägt von Design Thinking und inspiriert von den Ideen von Entrepreneurship-Prof Günter Faltin. So geht es in dem - übrigens hervorragend gestalteten - Buch um Ideenfindung, Design des Geschäftsmodells, um Sichtachsen, um Bausteine und Varianten. Geschäftsmodelldesign statt Businessplan. Nicht zuletzt vermittelt der Autor jenen Optimismus, ohne den ein Gründer nicht auskommt: "Gründen Sie das Richtige, und es wird gehen."
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Petra Bock:
Mindfuck Job.
So beenden Sie Selbstblockaden und entfalten Ihr volles berufliches Potenzial.
Knaur Verlag, München 2015, 256 Seiten, 14.99 Euro, ISBN 978-3-426-65550-4
Mindfuck ist kein schönes Wort. Sagt Petra Bock, Coach und Autorin, die den gleichnamigen Ansatz entwickelt und soeben ihr viertes Buch dazu vorgelegt hat: Mindfuck Job. Mindfuck, das sind Denkmuster, mit denen wir uns selbst behindern und "uns den Zugang zu unserem eigentlichen Potenzial versperren". Das Buch bietet eine Einführung in "die faszinierende Welt der Selbstblockaden", beschreibt sieben Arten, sich im Job selbst zu sabotieren, und gibt eine Anleitung, wie man den Blockadecode knacken kann. Aber es bleibt nicht dabei stehen. Das eigentliche Thema heißt Potenzialentfaltung und eine blockadefreie Zusammenarbeit. Das aber setzt einen Wandel in den Unternehmenskulturen voraus. Es braucht einen neuen Humanismus in Unternehmen, fordert Petra Bock. "Nach Diversity kommt Humanity."
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Dominic Multerer:
Klartext.
Sagen, was Sache ist. Machen, was weiterbringt.
GABAL Verlag, Offenbach 2015, 208 Seiten, 24.90 Euro, ISBN 978-3-86936-658-6
Wenn andere rumeiern, platzt Dominic Multerer der Kragen. Auftraggeber, die einen hinhalten. Führungskräfte, die um den heißen Brei herumreden. Mitarbeiter, die ihr Fähnchen nach dem Wind hängen. Dabei, findet Multerer, ist Klartext-Reden doch die selbstverständlichste Sache der Welt: Man bildet sich eine Meinung, nimmt einen Standpunkt ein und erklärt diesen anderen Menschen möglichst so, dass sie einen verstehen. Warum sonst den Mund aufmachen? Klartext ist, argumentiert Multerer, die Basis für Austausch, Überdenken, Kritik und Selbstkritik. Ist die Grundlage für Verbindlichkeit und Verlässlichkeit. Und deshalb fundamental wichtig für Unternehmen. Dabei geht es um mehr als Kommunikation. Klartext sieht Multerer als Unternehmensstrategie, die auf den Prinzipien Klarheit, Ehrlichkeit, Mut, Bindung und Empathie basiert. Wie diese Strategie funktioniert, erläutert er knapp und treffend in seinem Buch. Eine Kampfansage an Blabla und Rumgeeiere im Managementalltag.
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René Borbonus:
Klarheit.
Der Schlüssel zur besseren Kommunikation.
Econ Verlag, Berlin 2015, 256 Seiten, 18 Euro, ISBN 9783430201810
Die Illusion war groß, die Realität ist ernüchternd: Offen und freier und natürlich informierter hatte uns die Informationsgesellschaft machen sollen. Autonomer in den Entscheidungen, kritischer in der Betrachtung. Tatsächlich brummt uns der Kopf im Information Overload, wissen wir kaum noch, wie durchblicken im Wissensgedröhn. René Borbonus will Durchblick schaffen, Klarheit. Ihm geht es, im Gegensatz zu Dominic Multerer, dabei durchaus um Kommunikation. Seine These: Wir müssen Bedürfnisse und Positionen präziser formulieren, Anliegen besser priorisieren, Informationen klarer sortieren, gezielter suchen und kluger einordnen lernen. Damit wir nicht im Gewirr von Infohäppchen, Halbwahrheiten und Klarheitsbremsen des digitalen Zeitalters untergehen. Ein Methodenkoffer für die digitale (Unternehmens-)Welt.
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Annette Treibel:
Integriert Euch!.
Plädoyer für ein selbstbewusstes Einwanderungsland.
Campus Verlag, Frankfurt am Main 2015, 208 Seiten, 19.90 Euro, ISBN 9783593504612
Nicht nur das aktuelle Kursbuch Wohin flüchten? ist ein Buch, das zur rechten Zeit kommt. Das lässt sich in Sachen Flüchtlingsfrage auch von Annette Treibels Integriert Euch! sagen. Dabei geht es der Karlsruher Soziologin gar nicht um den nicht abreißenden Strom von Flüchtlingen, die in unserem Land Schutz suchen, sondern "um das Verhältnis von schon länger in Deutschland lebenden Einwanderern zu anderen Einheimischen, also um die Beziehungen zwischen Alten und Neuen Deutschen". Es ist das Thema, um das sich Deutschland schon lange herumdrückt: Einwanderungsland zu sein. Integration aber begreift Treibel als Aufgabe "auch für alteingesessene Deutsche, nicht nur für Einwanderer". Die Autorin versteht ihr Buch denn auch als "Plädoyer für ein selbstbewusstes Einwanderungsland". Nicht "Deutschland schafft sich ab", steht für sie auf der Agenda, sondern "Deutschland findet sich neu".
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Thorsten Bosch:
Führung made in Germany.
Eine Roadmap für die Mitarbeiterführung von morgen.
GABAL Verlag, Offenbach 2015, 272 Seiten, 39.90 Euro, ISBN 978-3-86936-662-3
Vorausgeschickt: Wirklich up to date ist dieses Buch nicht. Von neuen Herausforderungen an Führung, von veränderten Rahmenbedingungen, von neuen Führungsmodellen, die dem gravierenden Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft Rechnung tragen, von alledem findet sich in diesem Buch nichts. Stattdessen: Führung as usual. Das Führungsmodell: Management by Objectives. Die Führungsstrukturen: idealiter eine Eins-zu-eins-Zuordnung zwischen Chef Mitarbeiter - die klassische Linie top-down über sechs Hierarchieebenen hinweg. Interessant an diesem Buch ist etwas anderes: der Titel. Führung made in Germany. Klar, für Thorsten Bosch ist das sein Modell, das er als Beratungsleistung verkaufen möchte. Ein Zielzustand. Die Frage ist nur, wie viel Beobachtung respektive Zustandsbeschreibung in diesem Titel steckt. Anders gefragt: Gibt es vielleicht so etwas wie eine deutsche Führungskultur, die in der vielfach von Familienunternehmen geprägten mittelständischen Wirtschaft wurzelt und sich signifikant von dem Shareholder-geprägten angelsächsischen Führungsmodell unterscheidet? Man wird ja mal fragen dürfen.
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