Nachschlag
Was vom Buchjahr 2015 noch übrig ist
Es war ein reiches Buchjahr mit zahlreichen interessanten, ansprechenden, inspirierenden Titeln. Die wichtigsten haben wir in Rezensionen und Interviews vorgestellt, aber auch den einen oder anderen übersehen. Oder als zu speziell oder nicht wichtig genug hintangestellt. Für sie ist nun Platz auf der Nachschlag-Liste. Ebenso wie für zwei etwas ungewöhnlichere Titel. Die wir kurzentschlossen ganz nach oben stellen. Texte: Heike Littger, Winfried Kretschmer
Jean-Paul Thommen:
Spurenwechsel.
Das Reflexions- und Notizbuch für erfolgreiches Handeln.
Versus Verlag, Zürich 2016, 160 Seiten, 24.90 Euro, ISBN 978-3-03909-151-5
Ungewöhnlich ist dieses Buch schon, wenn man es in die Hand nimmt: graues Cover mit abgerundeten Ecken, um das eine transparente grüne Banderole gelegt ist. Spurenwechsel steht darauf, der Titel, darüber eine Wortreihung: "Reflektieren, kritzeln, schreiben, skizzieren, entwerfen, verwerfen, sudeln ...", eine "Denkreise" will das Buch sein, eine Einladung, die Spuren zu verlassen und neue Spuren zu legen. Nicht mehr als 25 Seiten Text enthält es. Zweimal sind die Textseiten von doppelseitigen Kunstradierungen unterbrochen, dann endet der Text abrupt: ab Seite 32 nur noch leere Seiten und in gleichbleibendem Rhythmus eingeschoben weitere doppelseitige Radierungen: Platz zum Kritzeln, Schreiben, Sudeln. Der Text selbst gibt nur ein paar Anregungen, bietet ein paar Reflexionen, der eigentliche Prozess aber, heißt es, "beginnt mit den leeren Seiten, da sind Sie gefordert, da stellen Sie die für Sie wesentlichen Fragen und suchen nach möglichen Antworten". Man möchte das Buch am liebsten sofort einpacken und losfahren zu einem Wochenende Nachdenken.
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Anja Förster, Peter Kreuz:
Alphabet des selbstbestimmten Lebens.
Förster & Kreuz Verlag, Heidelberg 2015, 68 Seiten, 15.90 Euro, ISBN 978-3-9816262-3-0
Zwei, die ihr Ding machen, sind Anja Förster und Peter Kreuz. Bei renommierten Verlagen haben sie ihre Bücher herausgebracht, einen Bestseller nach dem anderen hingelegt - und haben doch die Spur der Erfolgsautoren links liegen gelassen. Weg von der Ratgeberorientierung, weg von der Roadshow. Hin zum Weglassen, zur Reflexion, zur Kontemplation. Hin zu kleinen, einfachen, einsichtigen Geschichten. Ihr neues, im Selbstverlag herausgebrachtes Buch Alphabet des selbstbestimmten Lebens versteht sich als Anstiftung, es ist ein Bilderbuch für Erwachsene, großzügig gestaltet, A4 quer, und opulent illustriert von Andros Link. Rechts kurze Miniatur-Essays zu den 29 Buchstaben des Alphabets, links jeweils eine Illustration, die den Lettern Leben einhaucht. Das Buch ist eine Einladung zum Sinnieren, zum Nachdenken und um den Gedanken nachzuhängen. Eine Warnung: Keinesfalls das Buch in gewohntem Schnelllesetempo in 30 Minuten durchrasen. Sondern: Zeit lassen, zurücklehnen, nachdenken.
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Shane Snow:
Smartcuts.
Wie Querdenker und Business-Ikonen Erfolg beschleunigen.
GABAL Verlag, Offenbach 2015, 284 Seiten, 24.90 Euro, ISBN 978-3-86936-659-3
Warum erreichen manche Menschen ihre Ziele rasant schnell, andere nie oder nur unter enormer Kraftanstrengung? Shane Snow hat die Erfolgsformeln von erfolgreichen Firmengründern, Wissenschaftlern, Sportlern, Computer-Hackern, Moderatoren und YouTube-Stars analysiert. Sein Ergebnis: Sie nutzen wie die Weltrekordhalter im Videospiel Super Mario Bros. geheime Röhren, die die Entwickler eingebaut haben, angeblich um die besonders pfiffigen Spieler in die Höhe zu katapultieren und einen schnellen Weg auf höhere Level zu eröffnen. Solche Röhren gibt es im richtigen Leben auch, sagt Snow, man muss sie nur finden - und sich dann auch trauen, sie konsequent zu nutzen. Denn klar ist: Die Masse geht einen anderen Weg. Schönes Zitat: "Konventionellen Vorstellungen zufolge muss sich ein talentierter und ambitionierter Mensch nur anstrengen und hart arbeiten, damit ihm das Glück über den Weg läuft. Das wäre, wie wenn ein Surfer nur lange genug am selben Ort im Wasser warten muss, damit die richtige Welle kommt." Lesenswert! Nichts für Zauderer.
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Torsten Osthus:
Chefsache Empowerment.
Wie es einem Unternehmer gelingt, dass seine Mitarbeiter Verantwortung übernehmen und über sich hinauswachsen.
Linde Verlag, Wien 2015, 165 Seiten, 19.90 Euro, ISBN 9783709305997
"Sie geben Ihrem Mitarbeiter eine Aufgabe - und am Ende machen Sie es selbst." Torsten Osthus hat das immer wieder erlebt, in seinem eigenen Unternehmen. Mit der Verantwortung ist es wie mit einem Bumerang, sagt er: "Eine Zeit lang haben Sie die Hände frei, aber dann kommt zurück, was sie delegiert haben." Und trifft einen mit noch mehr Wucht. Mehr Entscheidungsspielraum für die Mitarbeiter, mehr Verantwortung für das Team: Empowerment gilt vielen als Königsweg zur Aktivierung der Mitarbeiter und der Erschließung ihrer Potenziale. Doch es funktioniert oftmals nicht. Mitarbeiter, die eben noch an der kurzen Leine geführt wurden, sind mit ihrer neuen Verantwortung oftmals überfordert; Führungskräfte tun sich schwer damit, wirklich Verantwortung abzugeben. Torsten Osthus schildert in seinem sehr persönlich geschriebenen Managementbuch, wie es ihm gelungen ist, seine Firma zu einem System zu entwickeln, das sich gleichsam selbst führt. Der Schlüssel: Verantwortung für das Ganze, eine hohe Beziehungsqualität und ein gemeinsames, geteiltes Wertesystem, das wie ein Kompass wirkt und Orientierung für Entscheidungen gibt. Lesenswert.
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Andrea Ramscheidt:
Diagnose Vasa-Syndrom.
Worauf es ankommt, damit Projekte nicht aus dem Ruder laufen.
Walhalla Verlag, Regensburg 2015, 184 Seiten, 29 Euro, ISBN 978-3-8029-4005-7
Es gibt sie noch: starke Bilder und Geschichten, die nicht schon tausendmal erzählt sind. Zum Beispiel das Vasa-Syndrom. Seit dem bereits 2001 erschienenen Aufsatz "Vasa syndrome: Insights from a 17th-century new-product disaster" von Eric H. Kessler et al. ist "Vasa Syndrome" in der englischsprachigen Managementliteratur ein geläufiger Begriff. Nicht so in Deutschland. Jedenfalls bis Andrea Ramscheidt, Projektmanagementspezialistin und Business-Coachin, die Geschichte zum Leitmotiv ihres Buches gemacht hat. "Vasa-Syndrom" steht im Projektmanagement "für mangelnde oder schlechte Kommunikation, die dazu führt, dass ein ganzes Projektvorhaben scheitert", erklärt sie. Der Begriff geht zurück auf die Geschichte des schwedischen Kriegsschiffs Vasa, das bereits auf seiner Jungfernfahrt nach gerade mal einer Seemeile kenterte und sank. Die Ursache: Als Gustav II. Adolf König von Schweden während der Bauzeit des Schiffes zu Ohren gekommen war, dass der Kriegsgegner ein noch größeres Kriegsschiff baute, ordnete er kurzerhand an, ein zweites Kanonendeck aufzusatteln - ohne Rücksicht auf die Statik des Schiffes. "Doch keiner wagte, dem König die Wahrheit zu sagen, weil jeder die Konsequenzen fürchtete", resümiert die Autorin. Für sie ist Kommunikation auf Augenhöhe zwischen allen Beteiligten unabdingbar für erfolgreiches Projektmanagement. Insbesondere Führungskräften bietet Andrea Ramscheidts Buch eine gut lesbare Einführung in die Organisation und Durchführung komplexer Projekte.
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Isabelle Kürschner:
New Work.
Wie wir morgen tun, was wir heute wollen.
Goldegg Verlag, Berlin 2015, 236 Seiten, 19.95 Euro, ISBN 978-3-902991-997
Wie werden die Megatrends Digitalisierung, Globalisierung, Demografie und sozialer Wandel die Arbeitswelt verändern? Isabelle Kürschner ist sich sicher: Nichts wird so bleiben, wie es ist. New Work wird die Art und Weise, wie wir arbeiten, denken, leben, ziemlich stark umkrempeln. Und jeder wird davon betroffen sein, die einen früher, die anderen später, die einen weniger, die anderen umso mehr. "Satt zu jammern, die Tage bis zur Rente zu zählen und uns von den Entwicklungen überrollen zu lassen, können wir uns den Veränderungen stellen und sie so positiv wie möglich für uns nutzen", schreibt Kürschner. Denn der Wandel hält nicht nur Risiken, sondern auch Chancen bereit: mehr Freiheit, mehr Selbstbestimmung, mehr Flexibilität. Ein sehr optimistischer Blick in die Zukunft mit durchaus euphorisierender Wirkung.
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Martin Wehrle:
Sei einzig, nicht artig!.
So sagen Sie nie mehr JA, wenn Sie NEIN sagen wollen.
Mosaik Verlag, München 2015, 384 Seiten, 14.99 Euro, ISBN 978-3-442-39283-4
Martin Wehrle schreibt diesmal nicht über den Wahnwitz in deutschen Unternehmen, über dilettantische Chefs und mobbende Kollegen. Sondern über allzu nette Lehrer, Verkäufer und Eltern, die von ihren Schülern, Kunden und Kindern schamlos ausgenutzt werden. Weil sie Angst haben, Nein zu sagen. "Wir leben nicht im Zeitalter der Individualität", schreibt Wehrle, "sondern im Zeitalter der Gleichschaltung. Millionen Menschen werden mit derselben Denk-Soße überschüttet und gehorchen Idealen, die nicht ihre eigenen sind." Rufen Mails im Minutentakt ab, weil der Chef es so will; kaufen Diät-Shakes, weil die Werbung es will; lassen Handys an, weil der Anstand es will. Und vergessen dabei, sich die wichtigste aller Fragen zu stellen: Was will ich eigentlich selbst? Gehört mein Leben noch mir? Das Thema ist nicht neu. Tommy Jaud hat ebenfalls im vergangenen Jahr über das ewige Müssen geschrieben, das Autorenteam Förster und Kreuz sowieso. Doch wer Wehrles witzige und provokante Art zu schreiben mag, wird auch diesmal nicht enttäuscht.
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Robert Kötter, Marius Kursawe:
Design Your Life.
Dein ganz persönlicher Workshop für Leben und Traumjob!.
Campus Verlag, Frankfurt am Main 2015, 278 Seiten, 29.99 Euro, ISBN 978-3-593-50447-6
Für Robert Kötter und Marius Kursawe ist die Suche nach dem Traumjob eine Illusion. Es gibt ihn nicht, es kann ihn nicht geben. Nicht nur weil sich Bedürfnisse und Fähigkeiten im Laufe des Lebens verändern. Sondern auch weil immer neue Jobs entstehen und alte verschwinden. Insofern geht es nicht um planen, optimieren und Ziele für die Zukunft setzen. Sondern um experimentieren, ausprobieren, Grenzen ausloten und gestalten - im Grunde ein Leben lang. Zitat von Tim Brown, Gründer der Ideenschmiede Ideo: "There is a difference between planning a life, drifting through life, and designing life." Design Your Life ist kein Schmöker, sondern ein dickes Arbeitsbuch mit vielen Übungen auf der Grundlage des Design Thinking. Die Analyse-Tools (Stärken, Interessen, Werte) sind recht bekannt, die zur Ideenentwicklung und Umsetzung dafür umso spannender - ganz gleich, ob man am Anfang seiner Berufstätigkeit steht oder am Ende.
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Walter Grothkopp:
Das Ende der Selbstsabotage.
So bekommen Sie im Job endlich das, was Ihnen zusteht.
Kösel Verlag, München 2015, 224 Seiten, 16.99 Euro, ISBN 978-3-466-31017-3
Für über 85 Prozent aller Menschen ist Selbst-PR ebenso wie Verkaufen mit negativen Gefühlen verbunden. "Sich selbst vermarkten und verkaufen ist schwer. Es braucht eine besondere Persönlichkeit. Leute wollen eigentlich nichts ‚verkauft‘ bekommen." So oder so ähnlich lauten dann die Selbstrechtfertigungen, es gar nicht damit zu versuchen. Für Walter Grothkopp sind dies Mythen, die zu massiver Selbstsabotage führen. "Wir sabotieren uns häufig unbewusst selbst und sorgen (ohne es zu bemerken) dafür, dass wir unsere Ziele nicht erreichen", sagt der Medienprofi. Mit seinem einfühlsam geschriebenen Ratgeber will er helfen, diese Selbstsabotage zu beenden. Darin liefert er Strategien und Methoden, die eigene Selbstwahrnehmung zu hinterfragen und Perspektivwechsel einzuleiten. Ziel: Selbstwertschätzung entwickeln. Und sein Licht nicht länger unter den Scheffel stellen.
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Daniela Krämer, Kathrein Lammert, Silke Weigang:
Führen ohne Vorgesetztenfunktion.
Prozesse voranbringen, tragfähige Entscheidungen treffen, sich und andere zum Erfolg führen.
Haufe Verlag, Freiburg 2015, 170 Seiten, 39.95 Euro, ISBN 978-3-648-05086-6
Ist eine Führungskraft nicht immer auch Vorgesetzte(r)? Heute klingt diese Frage schon ein wenig altmodisch. Denn in Projekten ist sie gang und gäbe: die Führungskraft ohne Vorgesetztenfunktion. Nicht zuletzt deshalb gewinnt dieses auch "laterale Führung" genannte Führungsmodell an Bedeutung. Immer mehr Aufgaben werden in Projektform organisiert, Hierarchien werden abgebaut, Abteilungen in kleinteilige Teams untergliedert - und damit breiten sich Organisationsstrukturen aus, die quer zur klassischen Linienorganisation liegen. Und in denen die mit der Linie verbundene disziplinarische Weisungsbefugnis fehlt. Ohne die formale Macht von Weisung und Kontrolle aber stellt sich die Frage, was Führung - und vor allem gute Führung - denn eigentlich ausmacht, neu. Das Buch von Daniela Krämer, Kathrein Lammert und Silke Weigang wendet sich an solche Führungskräfte ohne Vorgesetztenfunktion und will ihnen zeigen, wie sie Einflussmöglichkeiten aktiv wahrnehmen und Gestaltungsgrenzen ausloten. Das gelingt. Das Buch ist nah an der Praxis und schöpft zugleich aus dem breiten Wissen der Autorinnen über Führungsmodelle und ihre historische Entwicklung.
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Kai Anderson, Jane Uhlig:
Das agile Unternehmen.
Wie Organisationen sich neu erfinden.
Campus Verlag, Frankfurt am Main 2015, 280 Seiten, 49 Euro, ISBN 9783593504551
Plötzlich wollen alle agil sein. Nicht allein Lean ist das Ziel im Management, das neue Zauberwort heißt Agilität. Die Welt hat sich gewandelt, und wer mithalten will im globalen Wettbewerb, der muss beweglich, regsam und wendig sein. Agil. Wie sehr sich das neue Unternehmensmantra bereits durchgesetzt hat, zeigt das Buch von Kai Anderson und Jane Uhlig. Das agile Unternehmen will zeigen, so der Untertitel, wie Organisationen sich neu erfinden. Das Buch basiert auf knapp 30 Interviews mit CEOs, Topmanagern, Chefredakteuren aus unterschiedlichen Branchen und Unternehmen unterschiedlicher Größe, darunter die Axel Springer AG (Mathias Döpfner), die Deutsche Bank AG (Jürgen Fitschen), die Deutsche Bahn AG (Rüdiger Grube), die E.ON AG (Johannes Teyssen) und die Audi AG (Rupert Stadler). Natürlich finden sich in den Interviews viele Werbebotschaften und manche Plattitüde, aber sie liefern gerade in ihrer Gesamtheit einen eindrucksvollen Beleg, wie sich in den Unternehmensspitzen ein neues Leitbild verbreitet: agil sein. Der Untertitel freilich ist dann doch zu viel versprochen.
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