Bücherherbst 16/1
Unser Buchstreifzug durch die aktuellen Neuerscheinungen
Der Bücherherbst hat begonnen. Die Welle der Neuerscheinungen rollt. Hier unsere erste Liste mit Buchempfehlungen aus den Wirtschafts- und Sachbuchprogrammen der Verlage - mit wiederum elf Titeln. Sortiert nach subjektiv bewerteter Wichtigkeit. Texte: Winfried Kretschmer
Anja Förster, Peter Kreuz:
NEIN.
Was vier mutige Buchstaben im Leben bewirken können.
Pantheon Verlag, München 2016, 256 Seiten, 14.99 Euro, ISBN 978-3-570-55342-8
Beim Brainstorming ist Kritik verboten. Sie könnte den freien Fluss der Ideen behindern. Da ist natürlich was dran, dennoch ist dieses Kritikverbot symptomatisch. Kritik genießt kein großes Ansehen in einer (oberflächlich) auf Harmonie getrimmten Kultur. Widerspruch und Kritik gelten als unhöflich, destruktiv und wenig "zielführend". Wer Nein sagt, hat schnell das Image des Miesepeters weg. Das aber ist fatal, wenn es, wie in der Welt von heute, vor allem auf frische Ideen ankommt. Denn Neues entsteht nur aus dem Bruch mit dem Bestehenden. Aus dem Nein. Anja Förster und Peter Kreuz haben das zum Thema ihres neuen Buches gemacht. Sie sagen: Entschieden Nein sagen zu können, ist die Bedingung von Freiheit. Drei Jahre lang haben die beiden Autoren ihre Themen eher umkreist und sortiert. Zwei beinahe feuilletonistische Bücher sind dabei herausgekommen, inspirierend zu lesen, aber ohne große These. Diese Nachdenkzeit hat es wohl gebraucht, um einen großen Wurf reifen zu lassen. Das neue Buch der beiden Business-Querdenker kommt mit einer beachtlichen argumentativen Wucht und inhaltlichen Stringenz daher. NEIN plädiert für Widerständigkeit und Rebellentum gerade im Business, wo es doch so sehr auf Innovation ankommt. Das Buch ist ein Appell zum Selberdenken in bester aufklärerischer Tradition. Ein Appell zu aufklärerischer Erneuerung.
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George A. Akerlof, Robert J. Shiller:
Phishing for Fools.
Manipulation und Täuschung in der freien Marktwirtschaft.
Econ Verlag, Berlin 2016, 416 Seiten, 24 Euro, ISBN 9783430202060
Warum, so könnte man fragen, ist die gesamte ökonomische Lehre nicht längst in sich zusammengestürzt wie ein Kartenhaus? Haben nicht Psychologie und Verhaltensökonomie zweifelsfrei vor Augen geführt, dass der Homo oeconomicus ein blutleeres Konstrukt ist? Und Menschen von Gefühlen geleitet irrationale Entscheidungen treffen? Natürlich haben all diese Erkenntnisse die Fundamente der ökonomischen Lehre unterminiert, faktisch aber kratzen sie eher an der Oberfläche eines ehernen Theoriegebäudes. Das ändert sich gerade. Jetzt geht‘s ans Eingemachte: an die in Stein gemeißelten Glaubenssätze der ökonomischen Lehre. So haben Joseph E. Stiglitz und Bruce C. Greenwald kürzlich gezeigt, dass Lernen und Innovation unter geschützten Bedingungen am besten gedeihen, nicht auf freien Märkten. George A. Akerlof und Robert J. Shiller weisen nun nach, dass Märkte keineswegs faire Bedingungen für alle schaffen, sondern systematisch Täuschung und Manipulation hervorbringen. "Phishing" nennen das die Autoren in Anlehnung an die verbreiteten Methoden des Computerbetrugs. Sie zeigen, "dass das Phishen auf dem freien Markt unvermeidlich ist" - es ist "Teil der natürlichen Funktionsweise unseres Wirtschaftssystems". So wie an den Supermarktkassen sich immer jemand in die vermeintlich kürzere Warteschlange stellt, wird sich auf Märkten immer ein Unternehmen finden, das die Dummheit anderer Menschen ausnutzt. Betrug als ökonomische Gleichgewichtsfunktion. Die Konsequenz: Aufgabe des Staates ist es, die Marktteilnehmer vor Betrug und Manipulation zu schützen. Die wirtschaftliche Erzählung wird gerade neu geschrieben: Nicht der Staat ist das Problem, die Märkte sind es.
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Hermann Arnold:
Wir sind Chef.
Wie eine unsichtbare Revolution Unternehmen verändert. Mit Illustrationen von Jakob Hinrichs.
Haufe-Lexware Verlag, Freiburg 2016, 336 Seiten, 24.95 Euro, ISBN 978-3-648-08205-8
Die wirtschaftliche Welt verändert sich heute rasant. Wer Schritt halten will, muss beweglich sein und sich bewegen. Doch Unternehmen halten starr an alten Organisationsstrukturen fest. Noch immer dominiert ein fordistisch-bürokratischer Organisationstypus: hierarchisch, starr, top-down organisiert. Doch dieses Modell wird unter veränderten Bedingungen zur Falle. "Die klassischen Organisationsmodelle werden den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht", schreibt Hermann Arnold. Und zeigt: Es ist Zeit für ein neues, arbeitsteiliges Führungsverständnis. Für ein neues Betriebssystem für Unternehmen: mit mehr Agilität, weniger Hierarchie und vielfältigeren Strukturen. Arnold zeigt aber auch: Es geht nicht darum, das eine Dogma (Hierarchie) durch ein anderes (Agilität) zu ersetzen, sondern eine Vielfalt geeigneter Organisationsformen zu schaffen, die situativ eingesetzt werden: "Es wird künftig nicht nur eine Organisationsform geben, die für alle Unternehmen, für jede Situation und für alle Mitarbeiter und Teams die angemessenste ist. Verschiedene Organisationsformen werden in einem Unternehmen parallel nebeneinander existieren, sich ergänzen und sich im Verlauf der Weiterentwicklung des Unternehmens verändern." Das ist wahre Agilität. Eines der besten Bücher zum Thema organisationaler Wandel. Und sicher das Buch mit dem treffendsten Titel.
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Markus Väth:
Arbeit - die schönste Nebensache der Welt.
Wie New Work unsere Arbeitswelt revolutioniert.
GABAL Verlag, Offenbach 2016, 256 Seiten, 24.90 Euro, ISBN 978-3-86936-720-0
Arbeit ist zu einem zentralen Thema in der gesellschaftlichen Debatte geworden. Endlich. Die Crux dabei: Die Debatte ist extrem polarisiert und hochgradig emotional aufgeladen. Auf der einen Seite die Protagonisten einer neuen Arbeitskultur: Sie propagieren ein empathisches Verständnis von Arbeit, das stark mit Werten wie Selbstverantwortung, Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiheit assoziiert ist. Sie sind längst in einer anderen Arbeitswirklichkeit angekommen. Die Kehrseite ist jedoch, dass dieses Verständnis von neuer Arbeit nichts mehr zu tun hat mit der alten Arbeitswirklichkeit, die aber immer noch das Leben von Millionen Menschen in unserem Land prägt. In dieser Wirklichkeit ist Arbeit immer noch Last und Bürde - Quelle eher von Erschöpfung und psychischen Problemen denn von inspirierenden Flow-Erfahrungen. Diese Welt ist bestimmt von einem fast sklavischen Festhalten am Althergebrachten, den alten Arbeits- und Organisationsformen. Wie hier eine Brücke bauen? Mit New-Work-Erweckungserlebnissen sicher nicht. Dazu braucht es eine Verständnishilfe, die unterschiedliche Perspektiven integriert und die Veränderung der Arbeitswelt in einen Gesamtzusammenhang stellt. Sie gibt es jetzt. Geschrieben hat das Buch Markus Väth. Als Burnoutexperte und Verfechter einer neuen Arbeitskultur kennt er beide Seiten: die belastende und die empathische. Er sagt: "Es geht ums Ganze." Und es gelingt ihm, die divergenten Facetten des Themas zusammenzubringen. Mit klaren Begriffen, theoretisch versiert, argumentativ präzise und methodisch sauber beschreibt Väth, was New Work bedeutet, warum wir die neue Arbeit brauchen und wie sie gelingen kann. Ein Grundlagenwerk. Wer die neue Arbeitswelt verstehen möchte, muss dieses Buch lesen. Es gehört vor allem in die Hände jener, die noch mit einem - oder beiden - Beinen in der alten Welt der Arbeit stehen.
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Dark Horse Innovation:
Digital Innovation Playbook.
Das unverzichtbare Arbeitsbuch für Gründer, Macher und Manager.
Murmann Publishers, Hamburg 2016, 320 Seiten, 34 Euro, ISBN 9783867745567
Was ist der Wesenskern digitaler Innovationen? Klar, digitale Technologie, lautet die naheliegende Standardantwort. Sie trifft aber nicht. Viel wichtiger ist, dass digitale Innovationen Bedürfnisse der Menschen erkennen, neu interpretieren "und die richtigen Mehrwerte für Nutzer in einem digitalen Ökosystem schaffen". Sagen die Leute von Dark Horse Innovation. In ihrem neuen, zweiten Buch stellt das Autorenteam der Berliner Innovationsschmiede einen methodischen Ansatz vor, der genau dies ermöglichen soll: Nutzerbedürfnisse erkennen und sie in Innovationen überführen. Herzstück und zentrales Werkzeug des Digital Innovation Playbook ist das "Innovation Board", das den Innovationsprozess strukturiert (ohne der Prozesshaftigkeit klassischer Prozesse zu erliegen) und zugleich zwischen Machern (Innovatoren) und Möglich-Machern (Managern) vermitteln will. Dabei ist das Innovation Board selbst eine Innovation und zugleich ein Bekenntnis zu einem Innovationsverständnis, das die Kombination und Rekombination in den Mittelpunkt rückt: Es ist ein Remix. Es kombiniert das Beste aus den aktuellen Ansätzen des nutzerorientierten Designs: Design Thinking, Service Design, Business Model Canvas und Lean Startup. Das ist gut gemixt, gut durchdacht und nicht zuletzt auch ein bisschen kühn. Denn Dark Horse legt so die eigene Arbeitsweise offen. Das ist cool. Das Spannendste an dem Buch aber ist die Metaebene: Innovation als Remix. Hier gilt es weiterzudenken.
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Bill Burnett, Dave Evans:
Mach, was Du willst.
Design Thinking fürs Leben.
Econ Verlag, Berlin 2016, 288 Seiten, 16.99 Euro, ISBN 9783430201926
Es gibt zwei Sorten von Problemen: Die einen sind klar beschreibbar, es sind ausreichend Informationen vorhanden und es gibt eine klar definierbare Lösung. Technische Probleme sind solcher Art. Die anderen sind verzwickt, vertrackt, bösartig - wicked: Es gibt unklare Bedingungen und verschwommene Ziele, klar ist nicht einmal die Formulierung des Problems, und dieses ist zudem einzigartig. Nicht zuletzt sind bei diesen Problemen - man könnte sie auch komplex nennen - meist Emotionen im Spiel. Designprobleme sind solcher Art. Und weil die meisten Probleme, mit denen wir heute zu tun haben, in diesem Sinne verzwickt sind, schiebt sich Designdenken - also zu denken wie ein Designer - als Problemlösungsmodus immer mehr in den Vordergrund. "Design" ist zu einem Oberbegriff für die Gestaltung von allem geworden. Alles lässt sich designen. Auch das eigene Leben - das ist der Ansatz der Stanford-Professoren Bill Burnett und Dave Evans: "Designer stellen sich Dinge vor, die noch nicht existieren, und kreieren sie und dann verändert sich die Welt. Das können Sie auch in Ihrem eigenen Leben tun." Denn da geht es um nichts anderes als um verzwickte Probleme und Emotionen. In ihrem Buch beschreiben die beiden Autoren, wie man Design Thinking zum "Gestalten eines coolen Lebens" einsetzt. Und "cool" ist tiefgründiger gemeint, als es klingt: "Das Endresultat eines gut designten Lebens ist ein gut gelebtes Leben."
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Svenja Hofert:
Agiler führen.
Einfache Maßnahmen für bessere Teamarbeit, mehr Leistung und höhere Kreativität.
Springer Gabler, Wiesbaden 2016, 272 Seiten, 22.99 Euro, ISBN 978-3-658-12757-2
"Agil" ist längst zum Allerweltsbegriff geworden. Alle wollen agil sein (wie die Riege der CEOs im Buch Das agile Unternehmen). Was aber "agil" eigentlich ist, das ist alles andere als klar. Für die CEOs ist es Me-too, sie wollen auch dabei sein, auf dem Buchmarkt erscheint es als neue Methode des Projektmanagements, für andere ist es Punk, für manche vielleicht sogar "eine Art postmoderner Lebensform", wie Svenja Hofert in ihrem neuen Buch reflektiert. Agiler Führen heißt es, und es liefert - endlich! - einen historisch-systematischen Überblick über die Entwicklung des Ansatzes. "Agilität wird oft einseitig auf wenige Aspekte reduziert", schreibt die Autorin. Dabei sei agil im Kern "ein Sowohl-als-auch-Ansatz, der verschiedene Sichtweisen integriert". Und vor allem auch unterschiedliche Werte, Prinzipien und Methoden. Damit benennt "agil" letztlich eine Haltung, ein Mindset, das sich in unterschiedlichen Formen ausprägt. Darüber bietet das Buch einen ebenso breiten wie fundierten Überblick. Zudem offeriert es eine "Agile Toolbox" mit 27 agilen Methoden inklusive genauer Angaben, wann und wie diese einzusetzen sind. Nicht zuletzt liefert es empirische Belege, nach denen agile Teams tatsächlich besser und effektiver sind. Zweifellos das beste Buch zum Thema.
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Klaus Burmeister, Ben Rodenhäuser:
Stadt als System.
Trends und Herausforderungen für die Zukunft urbaner Räume.
oekom verlag, München 2016, 136 Seiten, 14.95 Euro, ISBN 978-3-86581-817-1
Die Zahl der Städte nimmt zu. Und immer mehr Menschen leben in der Stadt. Historisch hat sich das Verhältnis geradezu umgekehrt. Lebten früher (um 1800) ein Viertel der Menschen in Deutschland in der Stadt, sind es heute mehr als 85 Prozent. Die Bedeutung der Städte wächst, nicht zuletzt, weil diese wegen ihrer Heterogenität und Vielfalt das Entstehen neuer Ideen und Lösungen begünstigen. Die Stadt ist der natürlichste Ort, an dem neue Lösungen zur gelebten Praxis werden können: Die Stadt ist ein "Reallabor", in dem "neue Modelle für das Leben und Wirtschaften ... unter realen Produktionsbedingungen erprobt werden", schreiben Klaus Burmeister und Ben Rodenhäuser in ihrem Buch, das in zehn Handlungsfeldern die Zukunft der Stadt zu umreißen versucht. Dabei geht es um vernetzte Städte und nachhaltige Stadtsysteme, um urbane Wertschöpfung und urbane Mobilität ebenso wie um soziale Spaltung und digitale Transformation, um nur einige der Themen zu nennen. Am Ende rücken die Autoren den Begriff der "resilienten Stadt" in den Blickpunkt. "Resilienz" verstehen sie dabei als Angebot, "den älteren und etwas vagen Begriff der ‚Zukunftsfähigkeit‘ zu konkretisieren". Ein guter Gedanke.
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Stephan Brockhoff, Klaus Panreck:
Menschlichkeit rechnet sich.
Warum Wertschätzung über den Erfolg von Unternehmen entscheidet.
Campus Verlag, Frankfurt am Main 2016, 256 Seiten, 39.95 Euro, ISBN 9783593505947
Zwei Steuerberater haben sich hingesetzt und nachgerechnet. Ihr Ergebnis: "Menschlichkeit rechnet sich". Das ist der Titel des neuen Buches von Stephan Brockhoff und Klaus Panreck. Darin wollen sie Wege vorstellen, mit denen der geneigte Leser Investitionen in Menschlichkeit in Zahlen übersetzen und ihre Rendite ermitteln kann. Ziel des Unterfangens: "Um auch die Kopfmenschen und Controller unter Ihnen zu erreichen und zu überzeugen, werden wir ... zeigen, dass sich Menschlichkeit rechnet." Darüber hinaus führen die Autoren aus, was Menschlichkeit im Unternehmen bedeutet und wie sie umgesetzt werden kann. Den Kernteil - und das Alleinstellungsmerkmal des Buches - machen aber die Berechnungen aus. Die Autoren zitieren nicht nur zahlreiche Studien, die weiche Faktoren wie Engagement, Mitarbeiterzufriedenheit, emotionale Verbundenheit, Innovations- und Kundenfreundlichkeit zu quantifizieren versuchen, sondern sie stellen auch einen eigenen Berechnungsansatz vor: Es ist der Versuch, "den Return on Investment für Menschlichkeit im Unternehmen als Ganzes zu erfassen". Eine neue Kennzahl für Menschlichkeit. Weil Unternehmen nicht nur Problemlösungs-, sondern auch Wertschöpfungseinrichtungen sind, ist das nur konsequent. Wohltuend auch, dass sich die Autoren der Begrenztheit eines zahlenbasierten Ansatzes bewusst sind. Berechnungen geben nur einen Teil der Wirklichkeit wieder, schreiben sie. "Die Realität ist komplexer als Formeln."
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Peter Spiegel, Georgios Zervas:
Die 1-Dollar-Revolution.
Globaler Mindestlohn gegen Ausbeutung und Armut.
Piper Verlag, München/Berlin 2016, 256 Seiten, 20 Euro, ISBN 978-3-492-05779-0
Um solche verzwickten Probleme geht es auch in dem neuen Buch, das Peter Spiegel zusammen mit Georgios Zervas geschrieben hat: Es geht um die großen Weltprobleme, Klimawandel, Armut, Ausbeutung, Flucht. Probleme also, an denen sich die Weltgemeinschaft seit Jahrzehnten die Zähne ausbeißt. Es ist jedoch alles andere als plumper Populismus, wenn die Autoren nun eine radikal einfache Ein-Hebel-Lösung vorschlagen. Eine Lösung, die den Problemwust mit einem Schlag auflösen soll. Sie setzen "auf bewusst einfache Lösungskonzepte", auf systemische Lösungen, die einen Sprung "auf neue Ebenen menschlicher und menschheitlicher Gestaltungsfähigkeit" eröffnen können. Eine solche einfache Lösung ist das zentrale Instrument, das die Autoren zur Diskussion stellen: ein globaler Mindestlohn von einem Dollar pro Stunde. Dies sei "das effektivste Instrument sowohl zur Überwindung der Armut von weit mehr als einer Milliarde Menschen als auch für eine globale Wirtschaftsförderung". Kurz: ein "universeller Entwicklungsbeschleuniger". Ähnlich einfach gehalten sind zwei weitere, flankierende Vorschläge, auch sie operieren mit der Zahl 1: eine einprozentige Abgabe aller Länder der Welt auf deren Bruttoinlandsprodukt sowie eine Konsumsteuer in Höhe von 1 Prozent auf alle Produkte und Dienstleistungen. Fazit: Eine bestechende Idee und ein wichtiger Diskussionsanstoß.
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Marc Beise, Ulrich Schäfer:
Deutschland digital.
Unsere Antwort auf das Silicon Valley.
Campus Verlag, Frankfurt am Main 2016, 255 Seiten, 19.95 Euro, ISBN 9783593505923
Hat Deutschland gegenüber den Angreifern aus dem Silicon Valley schon verloren? "Sind wir schon so weit abgeschlagen, dass wir keine Chance mehr haben?" Diese Fragen stehen am Anfang des neuen Buches von Marc Beise und Ulrich Schäfer, Leiter der Wirtschaftsredaktion der Süddeutschen Zeitung in München. So pessimistisch sein Einstieg, so optimistisch ist die zentrale These des Buches: "Deutschland hat alle Voraussetzungen, um in der neuen digitalen Welt zu bestehen." Das Land habe zwar die erste Runde im digitalen Weltstreit verloren, könne aber seinen eigenen Weg in die digitale Welt finden, machen die Autoren Hoffnung. Das Buch ist eine spannende Reise durch die digitale Welt diesseits und jenseits des Atlantiks und bemüht sich, den digitalen Wandel begreiflich zu machen. Nicht zuletzt setzt es mit seinen zwölf Thesen die richtigen - aufrüttelnden - Signale. In einem entscheidenden Punkt aber liegt es falsch: Das Bild des Angriffs greift zu kurz. Es ist bloß vordergründig, verkennt aber das Wesen digitaler Disruption. Denn die führt ins Gefilde der blauen Ozeane. Dorthin, wo noch keine Konkurrenz herrscht. Weil das Geschäftsfeld neu ist. Digitale Innovationen interpretieren Kundenwünsche neu und offerieren eine digitale Lösung, diese zu erfüllen. Mit dem Bild des blauen Ozeans, der jenseits des roten, von gnadenloser Konkurrenz dominierten liegt, haben W. Chan Kim und Renée Mauborgne vor elf Jahren schon einen Ansatz formuliert, der ein tieferes Verständnis digitaler Innovationen erschließt. Beise und Schäfer indes paddeln weiter in roten Gewässern.
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